Als wir neulich in Stockholm bei Dice waren, um Mirror's Edge: Catalyst zu spielen, mussten wir wieder an etwas denken, das Kollege André Peschke jüngst behauptete. Nämlich dass die Mirror's-Edge-Spiele lediglich eine Therapie für ausgebrannte Battlefield-Entwickler seien. Auf den ersten Teil (Ende 2008 zuerst für die Konsolen, Anfang 2009 dann auch für den PC erschienen) trifft das vielleicht sogar zu. Beim zweiten Teil hingegen erscheint das nicht mehr ganz so passend. Immerhin beugt sich Mirror's Edge: Catalyst deutlich vermeintlichen Spielerwünschen und aktuellen Trends.
Oder anders: Das zweite Parkour-Abenteuer von Dice ist mit einer offenen Welt, einem auf Erfahrungspunkten basierenden Skill-System und Community-Features ein durchkalkuliertes Spiel seiner Zeit. Allerdings steht nach wie vor die Kerndisziplin im Mittelpunkt, nämlich uns durch Fingerakrobatik und Tempo in einen unnachahmlichen Jump&Run-Flow zu versetzen. Wir haben bei Entwickler Dice in Stockholm die ersten Missionen von Mirror's Edge: Catalyst gespielt und finden: Hui, wie früher!
Screenshot-Info
Obwohl wir Mirror's Edge: Catalyst selbst gespielt haben und auch Videoaufnahmen machen konnten, gab's keine Freigabe für selbst erstellte Screenshots von Electronic Arts. Alle Bilder in diesem Artikel stammen von den Entwicklern und bilden das Spielgeschehen nur bedingt ab, weil man die Spielfigur in Egoperspektive steuert.
Handbremse am Anfang
Wir präzisieren schnell und schreiben: fast wie früher. Da will man etwa zu Beginn des Spiels nach einem tiefen Fall geschmeidig auf dem Boden abrollen, um den Schwung nicht zu verlieren - und dann geht das einfach nicht. Weil unsere Heldin Faith das Abrollen noch nicht beherrscht. Das muss erst durch verdiente Erfahrungspunkte freigeschaltet werden.
Aber halt, nicht jeder ist mit Mirror's Edge vertraut, deswegen schnell eine kleine Einordnung: Bereits im ersten Teil spielen wir den Runner Faith, eine Parkour-Läuferin, die sich in einer fiktiven Großstadt mit dem örtlichen Regime anlegt. Zwar fällt die Handlung eher in die Kategorie »Schwamm drüber« und die Kämpfe mit den Regime-Schergen nerven, aber was Dice in Sachen Bewegungsgefühl erschafft, sucht noch immer seinesgleichen. In der Egoperspektive fetzen wir über Dächer, durch Straßen und Gebäude, immer auf der Suche nach dem schnellsten Weg.
Mirror's Edge gibt sich nicht nur in der Grafik stilsicher minimalistisch (klare Formen, leuchtende Farben, wenig Details), sondern auch im Spieldesign. Auf Bildschirmanzeigen wird die meiste Zeit verzichtet und Faith kann von Beginn an alles: Wände hochlaufen, am obersten Punkt eine 180-Grad-Drehung hinlegen, und dann an den gegenüberliegenden Vorsprung hechten oder die Beine im Sprung anziehen, um nicht irgendwo hängenzubleiben.
Das alles muss sie im neuen Teil erst lernen. Und das ist für jemanden, der das Original kennt, schon recht gewöhnungsbedürftig. Nicht nur, weil man sich zu Beginn eingeschränkt fühlt, sondern auch, weil's ein bisschen aufgesetzt wirkt. Freischaltungen um der Freischaltungen willen, so unser Eindruck. Übrigens: Diese Freischaltungen beschränken sich nicht nur auf das Bewegungsrepertoire, wir verdienen uns außerdem bessere Kampfskills und neue Ausrüstungsgegenstände wie etwa eine Art Seilhaken oder ein Hacking-Tool, mit dem wir die Kommunikationsgeräte der Gegner beeinflussen und sie dadurch für eine Weile betäuben können.
Aber auch schon ohne das volle Bewegungsrepertoire und alle Gadgets macht es Spaß, mit der neuen Faith in Mirror's Edge: Catalyst durch die sogenannte City of Glass zu turnen. Der Geschwindigkeitsrausch setzt schnell ein, wenn man sich an die wie schon im Vorgänger rot markierten Objekte hält, von denen Faith abspringen oder an denen sie langhangeln kann. Veteranen des virtuellen Parkour wissen allerdings: Die markierte Route ist mitnichten die schnellste. Sich die eigenen und schnelleren Strecken zu erlaufen und zu erspringen, macht auch in Catalyst einen Großteil des Reizes aus.
Halboffene Welt
Ist es im ersten Mirror's Edge noch so, dass die einzelnen Kapitel der Story in abgeriegelten Levels stattfinden, bewegen wir uns in Catalyst nun durch ein offenes Areal. Dort finden wir rote Markierungen, an denen wir die nächste Haupt- oder auch Nebenmission starten. Haben wir uns mal verfranst, hilft ein Blick auf die Karte, wo wir auch Wegmarken setzen können. Dann bekommen wir nicht nur mittels optisch hervorgehobener Geländer oder Rohre die Richtung zur nächsten Aufgabe gewiesen, eine rote, vor uns herlaufende Spur auf dem Boden und an Wänden dient obendrein als Wegweiser.
Aber einfach mal so rumzulaufen, kann auch sehr befriedigend sein. Unsere anfänglichen Sorgen, dass eine offene Welt und das sehr auf gutes Leveldesign bauende Pakour nicht miteinander vereinbar wären, hat sich zumindest schon mal in Teilen zerschlagen. Das von uns Gesehene und Gespielte greift gut ineinander. Man darf nur nicht erwarten, sich durch eine echt wirkende Welt zu bewegen. Schon im ersten Mirror's Edge beugt sich die Levelarchitektur stark der Spielmechanik, in Catalyst wirkt das noch mal um einiges extremer.
Am Anfang ist das Areal noch recht überschaubar, erst mit erledigten Missionen erweitert sich die Welt peu à peu. Trotzdem ist es zu Beginn schwierig, sich auf ein Ziel zu konzentrieren, denn vieles buhlt um unsere Aufmerksamkeit. Da sind etwa die Sammelgegenstände. Oder NPCs, die uns immer, wenn wir an ihnen vorbeifetzen wollen, anhauen und uns eine Nebenaufgabe aufschwatzen möchten. Oder die schon aus dem ersten Teil bekannten Zeitrennen, die uns für gefühlte Jahre fesseln, weil wir's ja ganz sicher beim nächsten Mal schneller hinbekommen. Interessant bei den Zeitrennen übrigens: Wir müssen nun nicht mehr wie im ersten Mirror's Edge Wegpunkte ablaufen, sondern schlicht so schnell wie möglich vom Start- zum Zielpunkt gelangen. Anders verhält sich das jedoch bei von Spielern erstellten Time Trials.
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