Nintendo-Legende Samus Aran ist endlich zurück und will in Metroid Dread beenden, was vor mittlerweile dreieinhalb Jahrzehnten auf dem NES begonnen hat. Die große Frage, die sich uns im Test stellte: Kann die mysteriöse Kopfgeldjägerin, nach deren SciFi-Abenteuern ein ganzes Genre benannt wurde, heute noch mit Metroidvania-Größen wie Ori and the Will of the Wisps oder Hollow Knight mithalten? Kommt das Ende der 2D-Saga vielleicht zu spät oder packt uns der Mix aus Action und Erkundung noch genauso wie zuletzt im direkten Vorgänger Metroid Fusion aus dem Jahr 2002?
Die Antwort ist wahrlich keine leichte. Entwickler Mercury Steam, die euch sicher durch die Castlevania: Lords of Shadow-Spiele ein Begriff sind, geht in vielen Punkten nicht mit der Zeit. Zwar erwartet euch eine wirklich schicke Optik und eine Samus, die sich mit neuen spaßigen Fähigkeiten ausgerüstet in Bestform zeigt, seid ihr jedoch den Umfang, die aufkommenden Emotionen, das abwechslungsreiche Gameplay und vieles mehr von aktuellen Titeln gewohnt, könntet ihr enttäuscht werden. Warum wir jedoch trotz der Abstriche eine unglaublich gute Zeit mit Dread hatten und sagen, dass sowohl Fans als auch Neulinge voll auf ihre Kosten kommen, dazu jetzt ein paar Zeilen.
Quatsch mich nicht voll, ich will spielen!
“Rein in die verschachtelten Gänge, außerirdische Insektenviecher und feuerspeiende Roboter mit dem Raktenarm aus dem Weg ballern, über tödliche Lava hüpfen, Gadgets aufheben, neue Abschnitte freischalten. Aber bitte, bitte lenkt uns nicht durch ellenlange Dialoge mit NPCs oder Nebenkram ab, der uns doch eh nur vom spaßigen Gameplay ablenkt.” So in etwa, jedoch weit höflicher formuliert, stellen wir uns die Ansage von Nintendo an das spanische Entwicklerteam vor.
Und wer Fan der 2D-Saga ist, den wird es nicht sonderlich wundern, dass wir die Geschichte in Dread eher mit der Lupe suchen müssen. Damit ihr im Bilde seid und auch Neulinge wissen, warum sie Metroid Dread problemlos ohne Vorwissen zocken können, kurz die Ausgangslage:
Auf Planet ZDR wurde ein für ausgerottet gehaltenes Lebewesen gefilmt. Um die Lage genauer zu untersuchen, werden sogenannte E.M.M.I.-Hunderoboter ausgesandt, zu denen jedoch schnell jeglicher Kontakt abreißt. Der Fall ist klar: Samus Aran, Weltraum-Legende und Trägerin des schnittigsten Kampfanzugs der gesamten Galaxie, muss die Lage vor Ort untersuchen. Auf ZDR angekommen, wird sie jedoch von einem Krieger der Chozo – einem uralten, vogelähnlichen Stamm – angegriffen und überwältigt. Aller Gadgets beraubt, findet sich Samus in den Eingeweiden einer unterirdischen Forschungsanlage wieder und muss sich den Weg zurück zu ihrem Raumschiff bahnen.
Über der Geschichte schwebt stets das Mystische und wir waren durchaus gespannt, was auf dem Planeten vor sich geht und wie die Saga endet. Abseits gelegentlicher, auf Deutsch vertonter Monologe von K.I. Adam war’s das aber auch schon größtenteils mit der Erzählung. Auch in puncto Präsentation ist Dread auf das Wesentliche reduziert. Neben wenigen, dafür aber verdammt coolen Cutscenes erwartet euch pures Metroidvania-Gameplay. Daher ist es auch überhaupt kein Problem, sollte das Switch-Exclusive euer erster Serienteil sein. Hier geht’s nämlich nur um eins: Spielspaß in Reinform!
Technik-Check: Wir konnten Metroid Dread auf der Switch OLED testen und hatten weder Probleme mit Bugs, noch mit der Auflösung oder der Framerate. Das Spiel erscheint in einem exzellenten technischen Zustand und schaut zudem richtig schick aus. Erst recht auf dem etwas größeren, farb- und kontrastreicheren Bildschirm des neuen Handhelds. Auch der Soundtrack, der bei Bosskämpfen mächtig auffährt, ist ganz große Klasse.
So geht Metroidvania!
Es ist wirklich erstaunlich, wie puristisch perfekt Dread die Metroidvania-Formel umsetzt und fast alles drumherum ausblendet. Nebenaufgaben oder Sammelkram, die euch von Samus’ Flucht ablenken, sucht ihr hier vergebens.
Damit ihr ein Gefühl dafür bekommt, ein Beispiel: Zu Beginn des Action-Abenteuers trägt die Kopfgeldjägerin lediglich einen Anzug, dem jegliche Fähigkeiten wie bspw. Hitze- und Kälteresistenz entzogen wurden. Zudem ihren eigentlich so mächtigen Raketenarm, der jedoch nach der Begegnung mit dem Chozo nur noch einzelne Schusssalven abgibt. So spärlich ausgerüstet stapfen, sliden und hüpfen wir durch die ersten Räume, töten ekligen Alien-Glibber und treffen immer wieder auf Stellen, wo es für uns nicht weitergeht – noch nicht weitergeht.
In einer Sackgasse angelangt, wandert der Finger automatisch auf den Plus-Button des rechten Joy-Con, der eine der wichtigsten Funktionen eines jeden Metroidvanias aufruft: die Karte. Hier werden ganz automatisch alle Entdeckungen von verschlossenen Türen über Items bis hin zu Speicherräumen eingezeichnet. Hatten wir zuletzt bei F.I.S.T noch reichlich Grund zu mäkeln, ist die Map hier ein Powertool und Paradebeispiel, wie solch eine Orientierungshilfe aussehen muss.
Ohne sie sind wir nämlich im verwinkelten Labyrinth komplett aufgeschmissen. Und nein, das liegt nicht nur an unserem schlechten Orientierungssinn. Einziges Manko, das bei uns gelegentlich für Frustmomente sorgte, ist die fehlende Kennzeichnung des Missionsziels bzw. ein kleiner Hinweis darauf, wo es denn jetzt weitergeht. Nicht selten springen wir nämlich von Areal zu Areal und haben teils bis zu einer Stunde die eine Stelle gesucht, an der es weitergeht. Hatten wir sie endlich gefunden, war der Glücksmoment zwar umso größer, und Puristen werden sich an der fehlenden Hilfestellung kaum stören, speziell Genre-Neulinge kann das jedoch arg abschrecken.
Eine perfekte Motivationsspirale
Doch genug von der Karte, weiter mit Samus, die in unserem Beispiel gerade die Fähigkeit “Spinnen-Magnet” eingesammelt hat und jetzt wie Marvels Peter Parker an blauen Wänden haftet. Und klar, dadurch gelangen wir wieder an Stellen, die zuvor unerreichbar waren und sind freudiger Erwartung, welche Entdeckungen hier auf uns warten. An dieser Stelle sei übrigens gesagt, dass Dread vom feuchten Höhlensystem bis zur sterilen Forschungseinrichtung an optischer Abwechslung mehr zu bieten hat, als die Trailer vermuten lassen. Optische Langeweile haben wir keine vorgefunden.
Metroid Dread versteht es perfekt, uns nach einer gewissen Zeit neue Fähigkeiten wortwörtlich an die Hand zu geben und hält die Motivationsspirale permanent hoch. Da bekommen wir einen Greifhaken, mit dem wir uns auf Plattformen ziehen. Eine Stealth-Funktion für den Anzug, der Samus für wenige Sekunden unsichtbar macht. Einen Beam-Schuss, der verschlossene Türen öffnet und Feinden ordentlich einheizt und, und, und. Natürlich kann sich Samus später auch wieder wie aus den Vorgängern bekannt in eine Kugel verwandeln und so durch Schächte rollen.
Mercury Steam setzen bei Dread auf die Erkundung als große Stärke der Reihe und kombinieren all das mit superflüssigem Gehüpfe und präzisem Gunplay. Ihr seht aber auch hier, dass gewagte Neuerungen in Dread keinen Platz hatten. Neben Upgrades für eure Lebensleiste oder einem größeren Raketenvorrat gibt es keine ausgefeilten Skill Trees, Perks oder sonstige Boni. Doch vermisst haben wir all das aufgrund der vielen Goodies nicht.
Die größte Neuerung, die größte Schwäche
Über ein für die Reihe frisches Gameplay-Element müssen wir jedoch ein paar kritische Worte verlieren. Gemeint sind die sieben E.M.M.I., die korrumpiert jetzt in gewissen Zonen Jagd auf Samus machen. Erwischen uns die Roboterhunde, sehen wir den Game Over-Bildschirm. Zwar haben wir mit Druck auf die X-Taste eine minimale Chance von 1% (Angabe des Spiels) zu entkommen, oft gelingen will das jedoch nicht.
Die grundsätzliche Idee eines Nemesis, der uns gleich Resident Evil durch die Gänge jagt, ist zwar keine schlechte und kann die Spannung steigern und ein Stealth-Element ins Spiel bringen, das große Problem ist aber, dass die zum Glück recht kleinen Zonen größtenteils in Trial&Error ausarten. Nicht selten sind die tödlichen Gegner unweit von uns aufgetaucht, sogar direkt hinter einer Tür gespawnt, und schon ging der Abschnitt von vorn los – was dank überaus fairer Rücksetzpunkte allerdings kein Problem ist. Zwar werden die Passagen mit aktiviertem Tarnanzug etwas erträglicher, wirklich Spaß hatten wir mit dem Katz-und-Maus-Spiel jedoch nie.
Einziger Lichtblick: In jedem großen Areal finden wir einen Spezialschuss, mit dem sich die sonst unbesiegbaren Feinde für immer ausschalten lassen. Und keine Sorge, die Munition verschwindet erst wieder, wenn dem nervigen Roboter die Schaltkreise durchgeschmort sind. Die Map zeigt uns dann in wunderschön beruhigendem Grün an, dass hier keine Gefahr mehr droht. Danke Map, auf dich ist Verlass.
Metroid bleibt sich treu und das ist gut so
Metroid Dread ist das perfekte Beispiel, warum selbst ein Vergleich zwischen Spielen aus dem gleichen Genre so schwer ist. Würden wir hier objektiv alle Features lieblos aneinanderreihen, würde Samus im Vergleich zu einem Ori oder einem Hollow Knight glasklar den Kürzeren ziehen. Doch letzten Endes geht es nicht darum, das größte Buffet auf dem Tisch zu haben. Es geht darum, ob die große Torte eine so leckere ist, dass wir sie am liebsten am Stück aufessen würden. Zugegeben, der Vergleich wurde mit leerem Magen geschrieben.
Letzten Endes kommt es auf den Spielspaß an. Darauf, ob uns ein Spiel so sehr motiviert, dass wir am liebsten die ganze Nacht durchzocken würden. Metroid Dreads leckere Schokotorte ist die packende, unfassbar motivierende Erkundung der Areale. Samt zeitgemäßer, stilsicherer 2,5D-Optik und kleinen Feinschliffen am Gameplay packt Metroid noch genauso, wie einst auf dem NES, dem SNES, dem Game Boy oder dem Game Boy Advance. Das war’s von uns. Der Autor des Tests wünscht euch viel Spaß mit dem Spiel und holt sich jetzt ein Stück Kuchen aus dem Kühlschrank (und sucht dann noch ein paar Upgrades in Dread).
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