Jeder liebt Bad Boys. Na gut, das ist im echten Leben vielleicht etwas übertrieben, wenn's aber um Rollenspiele aus Deutschland geht, hat dieser Satz als Design-Maxime definitiv seine Daseinsberechtigung. So leben Gothic und Risen samt ihrer Nachfolger seit jeher von Raubeinen, Helden mit krimineller Vergangenheit und Aufs-Maul-Mentalität. In Das Schwarze Auge: Blackguards steuern wir sogar eine ganze Truppe zwielichtiger Halunken, denen das Schicksal der Welt nur deshalb etwas bedeutet, weil es gleichzeitig um ihre eigene Haut geht.
Und auch in Lords of the Fallen, dem neuen Action-Rollenspiel des Frankfurter Entwicklers Deck 13, verkörpern wir mit Ex-Häftling Harkyn einen blutrünstigen Schurken, der eigentlich auf Lebzeiten hinter Gitter gehört. Dass er trotzdem Freiluft schnuppern darf, hat einen einfachen Grund: Harkyn muss die Welt retten. Warum ausgerechnet er dafür der richtige ist, finden wir in der rund 15-20-stündigen Reise durch einen verschneiten, von Dämonen befallenen Bergpalast selbst heraus.
Das große Vorbild
Allerdings ist dieser Dark-Fantasy-Trip lange nicht für jeden Spieler uneingeschränkt lohnenswert - Lords of the Fallen hat bereits durch Vorschau-Versionen im Vorfeld für viele Diskussionen innerhalb der YouTube-Community gesorgt. Die meisten Streitpunkte hängen damit zusammen, dass es sich in der Wahrnehmung der Spieler sehr durch ein anderes Spiel definiert, dem es deshalb häufig gerecht werden muss: Dark Souls.
Deshalb wird das Action-Rollenspiel auch nach Erscheinen sicherlich die Meinungen polarisieren. Weil wir Lords of the Fallen aber nicht über ein anderes Spiel bewerten wollen, haben wir den Vergleich auf einige wenige Aspekte beschränkt und stellen uns ganz unabhängig von der Souls-Serie die Frage: Ist es ein fesselndes Spielerlebnis?
Zumindest wenn es um die Story geht, müssen wir diese Frage mit einem ernüchterten Nein beantworten: Die eigentlich spannende Ausgangssituation rund um einen kriminellen Anti-Helden gewinnt an keiner Stelle wirklich an Fahrt. Und das ist ärgerlich, weil die Atmosphäre von Lords of the Fallen herausragend ist - bereits in den ersten Räumen der verschneiten Bergfestung spüren wir die düstere Bedrohung fremder Mächte, die Gräueltaten, die hier geschehen sein müssen.
Atmosphäre top, Story Flop
Auch das Artdesign kann sich sehen lassen: Die mittelalterliche Architektur wirkt genauso stimmig wie die Dämonenwelt, in der wir einen großen Teil des Spiels verbringen, jede Waffe und Rüstung ist einzigartig gestaltet, sodass wir uns gerade deshalb auf neue Gegenstände freuen. Das alles hätte eine überaus atmosphärische Basis für eine fesselnde Geschichte werden können - wenn Deck 13 die Spielwelt mit nachvollziehbaren Charakteren und einer stimmigen Dramaturgie gefällt hätte. Haben sie aber nicht.
Lords Of The Fallen - Technik Check - Bilder ansehen
Was genau Fiesling Harkyn verbrochen hat, erfahren wir nicht, seine Persönlichkeit bleibt schleierhaft und ohne Tiefgang. Weder erzählt uns Lords of the Fallen genug über den glatzköpfigen Haudrauf, noch lassen sich aus seinen Handlungen oder Interaktionen mit den anderen Figuren interessante Rückschlüsse über eine Persönlichkeit gewinnen. Meist wirkt er bestenfalls lustlos und gelangweilt, ohne eine eigene Motivation zu entwickeln.
Stattdessen erledigt er - und damit der Spieler - murrend all die Aufgaben, die uns die Handvoll Nebencharaktere mit auf den Weg geben. Und die drehen sich meist um die Invasion der Rhogar, blutrünstigen Dämonen-Zombies, die einer dunklen Gottheit dienen. Die eigentlich interessante Idee, einen Fiesling gegen noch schlimmere Fieslinge antreten zu lassen, läuft aufgrund der fehlenden Persönlichkeit von Harkyn ins Leere; die Story wirkt roh, als würden ihr essenzielle Zwischensequenzen, Dialoge oder Hintergrundinformationen fehlen.
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