Rätselhaft
Wenn Kämpfe die eine Hälfte des Spiels ausmachen, besteht die andere aus Rätseln - wie es sich für ein gutes Action-Adventure gehört. Kain ist allerdings nicht der große Knobelkönig. Seine Aufgaben beschränken sich meist darauf, Gegenstände zu finden, die als Schlüssel dienen. Per Telekinese aktiviert er außerdem Schalter. Bei Raziel, den ihr den größeren Teil von Defiance steuert, geht es deutlich kopflastiger zur Sache. Seine Rätsel bestehen aus der richtigen Anwendung der verschiedenen Reaver, kombiniert mit Sprungpassagen und dem Wechsel von der materiellen in die spektrale Ebene. Fans der Serie werden keine großen Schwierigkeiten haben, die meisten Rätsel zu lösen, weil es sie in ähnlicher Form schon in den Vorgängern gab (keine Angst, keine einzige Kiste muss verschoben werden!). Wer zum ersten Mal mit Raziel durch Nosgoth streift, könnte allerdings an der einen oder anderen Stelle hängen bleiben. Ein Beispiel gefällig? Wir stehen an einem Wassergraben, der zu breit ist, um einfach darüber zu springen. Per Telekinese aktivieren wir einen Schalter und einige Säulen erheben sich aus dem Wasser. Leider dreht sich die Kamera so unmöglich, dass wir Raziel von vorn sehen und nicht, wohin wir springen. Zusätzlich senken sich die Säulen nach einigen Sekunden wieder. Die Lösung: Wir aktivieren den Schalter und wechseln in die spektrale Ebene. Wie wir noch aus dem ersten Soul Reaver-Teil wissen, bleibt die Zeit in der Geisterwelt stehen, die Säulen senken sich also nicht. Jetzt bleibt die Kamera auch brav hinter uns, als wir gemütlich über die Säulen zur anderen Seite hopsen.
Apropos Kamera...
Der einzig wirklich gravierende Mangel an Defiance ist die Perspektive. Statt der Verfolgerkamera der vorigen drei Spiele (Blood Omen 1 hatte eine »Schräg von oben«-Ansicht) gibt es jetzt eine cineastische Kamera mit starrer Perspektive. Das sorgt zwar für unglaublich filmreife Szenen, an vielen Stellen aber auch für eine gehörige Portion Unübersichtlichkeit. So kommt es vor, dass ihr euren Charakter von vorne seht, wenn ihr einen Gang entlang rennt und dann die Abbiegung verpasst und erst mal in eine Wand lauft. Bei einigen Sprungpassagen ist die Landung eher Glückssache und vor allem bei Kämpfen in engeren Räumen bleibt die Kamera hinter Säulen hängen oder zeigt nur die Beine oder den Brustkorb eures Alter Ego. Sehr schade, denn ansonsten sieht das Spiel einfach atemberaubend gut aus. Dass die Xbox Texturen ordentlich darstellen kann, ist ja bekannt, aber auch auf der PS2 haben es die Entwickler hinbekommen, die unglaublichsten Verzierungen an die Wände zu zaubern. Die Umgebungen reichen von verschneiten Außenlevels über gotische Festungen bis hin zu verschwenderisch geschmückten Schlossräumen. Überall entdeckt ihr neue Gemälde, Stuckwerke und Wandschmuck. Kaum ein Raum gleicht dem anderen. Dazu kommt noch der realistische Schattenwurf, der sogar darauf reagiert, wenn Licht von zwei Seiten auf eure Helden fällt. Die Animationen aller Figuren sind flüssig und passen perfekt zu jedem Charakter. Leider hinterlassen Helden und Gegner keine Spuren im Schnee oder Gras. Bei so viel Liebe zum Detail hätte das Team von Crystal Dynamics so etwas nicht vergessen dürfen. Trotz der grafischen Herrlichkeit läuft das Spiel die meiste Zeit unglaublich flüssig und kommt mit kurzen Ladezeiten aus. Die Daten werden zum großen Teil von der DVD geladen, während ihr spielt. Im Gegenteil zu Vorgängerspielen funktioniert dieses so genannte »Streaming« mittlerweile richtig gut und ohne Stocken. Das erkauft sich das Spiel in Außenlevels allerdings mit Nebel, der in nicht allzu großer Entfernung wabert.
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