Ein Junge, ein düsterer Wald und ganz viel Ungewissheit. So beginnt Playdeads zweites Spiel Inside und startet damit exakt so wie Limbo, das gefeierte Erstlingswerk des dänischen Studios aus dem Jahr 2010. Und wie Limbo hat uns der Sidescroller nach gerade mal zwei Minuten schon gepackt. Wir werden im Wald von Männern mit Masken gejagt, kläffende Hunde wetzen uns hinterher und wir kommen nur knapp mit dem Leben davon - was ist hier los?
Etwas später stolpern wir in eine Stadt und dort in einer Lagerhalle über Körper, leblos aber aufrechtstehend wie Zombies. Je weiter wir kommen, desto mehr erhärtet sich der Verdacht, dass hier etwas ganz gewaltig schiefläuft. Menschenversuche, Wachen, die keine Zeugen wollen, langhaarige Wesen unter Wasser - immer wieder neue verstörende Szenen kommen ans Licht.
Die WTF-Spirale
Die Neugier treibt uns weiter, durch eine ganze Stadt voller Labore, Hallen und unterirdischer Einrichtungen. Immer mit der Frage im Kopf: Was wartet im nächsten Abschnitt, werden wir all das aufklären? Das spielerisch fast schon spektakuläre Finale des Spiels gibt nach etwa vier Stunden eine Antwort, lässt aber trotzdem genügend Raum für Spekulationen und dürfte für Diskussionen sorgen. Aber keine Angst wir spoilern nicht.
Inside erzählt seine Geschichte komplett ohne Zwischensequenzen, ohne Intro, ohne Bombast - angenehm unaufgeregt, aber trotzdem mit Wucht und Atmosphäre. Die kommen allein schon durch die Bedrohlichkeit der Spielwelt, denn hinter jeder Ecke lauert der Tod.
Gruselige Maskenmänner schießen auf uns, Roboter suchen uns mit gewaltigen Lichtstrahlern, wir werden gehetzt und müssen in Deckung bleiben. Das in Kombination mit der ständigen Ungewissheit (Was zum Teufel geht hier eigentlich ab?) sorgt für eine enorm dichte Atmosphäre.
Plitsch-Platsch-Aha!
Spielerisch funktioniert Inside nach dem ähnlich simplen Sidescroller-Prinzip wie Playdeads Erstling. Wir laufen von links nach rechts durch ein zusammenhängendes großes Gebiet, es gibt einen Knopf fürs springen, einen fürs interagieren - das war's.
Was sich simpel anhört, entwickelt sich im Laufe des Spiels zu einer kniffligen Angelegenheit, denn Inside setzt uns allerlei (Physik-)Rätsel vor die Nase. Klassische Schalter, Falltüren und Kistenverschiebereien stehen ebenso auf dem Programm wie Lichtkegeln ausweichen oder Plattformen bewegen.
Aber auch Unkonventionelles muss erledigt werden, um weiterzukommen: Mal sollen wir mysteriöse Würfel aktivieren, die uns Sekunden später in die Luft katapultieren, an anderer Stelle sogar per Gedankenkontrolle leblose Körper kontrollieren.
Für Abwechslung sorgt das nasse Element: Der Junge kann schwimmen und tauchen und düst später sogar in einer kleinen Tauchkugel durch überflutete Lagerhallen. Schade: Einige Rätselarten wiederholen sich, der Schwierigkeitsgrad bewegt sich insgesamt auf machbarem Niveau, gefühlt aber etwas unter dem von Limbo.
Der Tod kommt krass
Zwischendurch streut Entwickler Playdead immer wieder Geschicklichkeitspassagen ein. Wir müssen an Seilen hochkraxeln, über Abgründe hüpfen oder uns rechtzeitig von einem Vorsprung ins Wasser stürzen.
Wenn wir versagen, zeigt uns Inside die Konsequenzen ähnlich brutal und drastisch wie sein Vorgänger. Der Junge wird zerhäckselt, erschossen, erwürgt, ertränkt oder zerschmettert, von Stahlstangen durchbohrt oder von Hunden zerfleischt.
Und weil wir genau wissen, was uns blüht, fühlt sich Inside so intensiv an. Als wir uns beispielsweise durch eine Halle tasten, geht auf einmal quietschend eine riesige Ladetür auf und ein Gabelstapler rollt herein, gefolgt von einer Wache mit Taschenlampe. Ängstlich kauern wir hinter einer Kiste und hoffen, nicht entdeckt zu werden, keinen grausamen Tod zu sterben.
Das ist natürlich alles bis ins kleinste Details geskriptet aber dieses eine Mal funktioniert es eben. Und ja, es gibt nerviges Trial and Error, das hält sich aber durchgehend in frustfreien Grenzen, zumal die Checkpunkte im Spiel fair gesetzt sind und man sich sofort an einen Neuversuch wagen kann.
Schön sterben
Bei all dem ist Inside ein wunderschönes dystopisches Gemälde, das sich vom schwarz-weißen Silhouettenstil Limbos entfernt, seine Farben aber nur sehr sparsam in die Landschaft tupft. Hier mal ein paar braune Bretter, dort der markante rote Pullover des Jungen - der Rest ist atmosphärischer Kontrast aus Schwarz, Weiß und Grautönen mit exzellenten Licht- und Schatteneffekten.
Außerdem gibt es viele tolle Details wie Luftblasen, die nach dem Eintauchen an die Wasseroberfläche steigen oder Partikel, die im Scheinwerferlicht der Tauchkugel im Wasser tanzen. Auch die Physikengine ist klasse, Objekte wie Kisten verhalten sich nachvollziehbar, gerade gegen Ende entsteht dadurch noch einmal großer Spaß, warum genau würde an dieser Stelle zuviel verraten.
Nur so viel: Es geht ziemlich viel kaputt. Auf Musik verzichten die Entwickler größtenteils und setzen hauptsächlich auf Umgebungsgeräusche wie das wütende Kläffen der Hunde - das kommt der Atmosphäre zugute, auch wenn wir uns im Test manchmal etwas stimmungsvoll eingesetzte Musik gewünscht hätten.
Durchgespielt - und dann?
Wer sich auf Inside einlässt, bekommt etwa vier Stunden intensive Spielzeit ohne große Längen, jederzeit treibend, jederzeit motivierend. Man sollte sich aber bewusst sein, dass es mit dem Wiederspielwert nicht weit her ist.
Es gibt zwar einige versteckte Gegenstände, die vor allem für Achievement-Jäger interessant sind (fürs Durchspielen gibt es keine Gamerscore-Punkte), aber schon beim zweiten Durchlauf verliert das Abenteuer enorm an Reiz - klar, schließlich kennt man das Geheimnis hinter der unheimlichen Stadt, die Lösung der Rätsel ist bekannt.
Was aber bleibt ist das Bewusstsein, ein tolles und ungewöhnliches Spiel beendet zu haben. Und der Wunsch, dass Playdead sich für ihren nächsten Streich nicht wieder sechs Jahre Zeit lassen.
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