Nach seinen letzten Spielen Bound by Flame und The Technomancer möchte der französische Entwickler Spiders mit Greedfall raus aus der Mittelmäßigkeit und am liebsten gleich noch den (einstigen) Rollenspiel-Riesen Bioware vom Thron schubsen.
Mit einem vergleichsweise kleinen Team samt geringem Budget wagt man sich an ein überaus ambitioniertes Rollenspiel, das ähnlich CD Projekt Reds The Witcher 3 den Sprung nach ganz oben schaffen soll.
Ist das Unterfangen geglückt? Nicht ganz wie geplant, allerdings kann Greedfall abseits seiner veralteten Technik mit hervorragendem Worldbuilding, hoher Entscheidungsfreiheit und einem spaßigen Kampfsystem punkten.
Darum geht es in der Story von Greedfall
Greedfall versetzt uns ins barocke Europa des 17. Jahrhunderts, eine Zeit, in der die Kolonialisierung und Entdeckung der Welt im Fokus steht. In der Hafenstadt Serene ist die sogenannte Malichor-Pest ausgebrochen, die Stück für Stück die Bevölkerung ausdünnt. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel, genauer gesagt unsere Hauptfigur namens De Sardet, die wir uns via Charaktereditor zu Beginn zusammenbasteln.
Als Teil des Adels und Cousin(e) des Gouverneurs begeben wir uns auf die von ebenso mysteriösen wie riesigen Monstern bewohnte Insel Teer Fradee. Das Design der Ungetüme erinnert dabei unweigerlich an eine Mischung aus Bloodborne und The Witcher.
Unser Ziel: Ein Heilmittel gegen die tödliche Krankheit finden. Zwar ist die gut 30 Stunden andauernde Hauptstory recht simpel gestrickt, doch sind es in erster Linie die auf der Insel lebenden unterschiedlichen Fraktionen, die der Welt mit ihren Geschichten jede Menge Leben einhauchen, das Setting glaubhaft und durchweg spannend gestalten.
Welches magische Mysterium steckt hinter den Stämmen der Eingeborenen und woher stammt ihr tiefer Hass gegen uns als Neuankömmlinge auf Teer Fradee? Welche Geheimnisse wahrt das im Gesicht tätowierte Seevolk der Nauten und welche finsteren Ziele verfolgen die fanatischen Gläubiger des Lichts, die im Westen der Insel beheimatet sind?
All diese offenen Fragen haben uns auch dank tiefgreifender Nebengeschichten der teils klischeehaften Charaktere voll in ihren Bann gezogen. Wir gehen sogar so weit und sagen, dass sich Greedfall in diesem Punkt hinter Spielen von Entwicklern wie Bioware oder Piranha Bytes nicht verstecken muss. Ein großes Lob!
Grafik & Technik:
Große Abstriche muss Greedfall bei der Optik hinnehmen. So ist die Grafik nicht zeitgemäß was sich speziell in den offenen Arealen durch starke Detailarmut und geringe optische Abwechslung bemerkbar macht. Viele Räume und Assets werden zudem zigfach recycelt. Auch die Figuren samt hölzerner Animationen wirken wie ein Relikt aus dem vergangenen Jahrzehnt.
Technisch hatten wir beim Test auf der PS4 Pro in puncto Framerate und Bugs abseits weniger spät nachladender Texturen kaum Probleme. Zudem sind die Ladezeiten angenehm kurz.
Eine mysteriöse und limitierte Spielwelt
Teer Fradee ist keine Open World, vielmehr erkundet ihr die geheimnisvollee Insel in großen, offenen Arealen, ähnlich wie in Dragon Age: Inquisition. Kommt ihr am Rande eines Gebiets an, wählt ihr auf der Weltkarte euer nächstes Ziel.
Sinnvoller Zeitvertreib: Für die nun fällige, nicht allzu lange Ladepause hat sich Entwickler Spiders einen sinnvollen Zeitvertreib überlegt. So könnt ihr beim Warten in einem Camp unter anderem mit euren Reisebegleitern sprechen, beim Händler Waren ein- und verkaufen oder Items craften.
Auf der Reise quer über die Insel macht ihr schon recht schnell mit zwei Problemen des Spiels Bekanntschaft. Wohl dem Budget geschuldet fehlt den einzelnen Arealen die Abwechslung. Mal lauft ihr durch einen im herbstlichen Gelb-Braun gehaltenen, dichten Wald, dann durch eine recht schlichte Sumpfgegend oder eine karge Höhle. Die größeren Städte des Spiels wirken abseits kleinerer optischer Unterschiede an vielen Stellen wie kopiert und wieder eingefügt.
Problem Nummer 2 bezieht sich auf das, was ihr in der Spielwelt vorfindet - nämlich nicht viel. Oft lauft ihr wie auf Schienen von Punkt A nach B und sammelt auf dem Weg Pflanzen oder Eisen zum Herstellen von Tränken sowie zum Schmieden neuer Waffen.
Unterbrochen wird euer Weg durch gelegentliche Kämpfe gegen phantastische Tierwesen wie einer Art mutiertem Wolf oder riesigen Fledermäusen und Banditen, die es auf euch abgesehen haben. Abseits weniger Formen von riesigen Naturmonstern, deren Hintergrundgeschichte überaus spannend ist, die wir euch aber in keinem Wort spoilern wollen, war's das auch schon.
Die volle Packung Rollenspiel
Doch selbst wenn die Geschichte der Welt und nicht die Spielwelt selbst auf euren Missionen stets im Vordergrund steht, kann Greedfalls in zwei weiteren Gameplay-Bereichen punkten:
Vielfalt im Kampf
In feinster Rollenspielmanier gestaltet ihr De Sardet im Kampf ganz nach euren Vorstellungen via Talentbaum - die nötigen Erfahrungspunkte gibt's nach dem Abschluss von Missionen. Vom reinen Nahkampf mit Degen oder Zweihändern über Schusswaffen, den Einsatz von Elementarmagie bis hin zum taktischen Platzieren von unterschiedlichen Fallen ist alles möglich.
Verskillt? Falls ihr im Verlauf des Spiels feststellt, dass eure investierten Punkte an anderer Stelle sinnvoller gewesen wären, habt ihr via seltenem Item die Möglichkeit eines Fähigkeiten-Resets und könnt so eure Punkte neu verteilen.
Gekämpft wird in einem aktiven Kampfsystem, das ihr auf Wunsch pausieren könnt, um so beispielsweise euren nächsten Schritt zu planen. Das ist vor allem in den Scharmützeln gegen die großen Monster sinnvoll, die euch durchaus einiges an Können abverlangen. Bei Standardgegnern ist das hingegen nicht nötig, da diese schlichtweg zu einfach sind.
Ihr seid nicht allein: Unterstützt werdet ihr im Kampf von NPC-Begleitern, die ihr im Verlauf eurer Reise einsammelt und mit Waffen und Rüstungen ausstattet. Von ihnen befinden sich höchstens drei aktiv in eurer Gruppe, selbst steuern könnt ihr sie aber nicht. Die KI ist hier eine Hilfe und fällt zudem nicht störend auf.
Du entscheidest
Greedfall wirbt wie viele andere Spiele mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit. Was andernorts oft scheitert, geht hier voll auf. So können beispielsweise Quests je nach euren Fähigkeiten auf ganz unterschiedliche Art und Weise abgeschlossen werden.
Ein Beispiel: Bei der Rettung einer Person aus einem Verlies sucht ihr als charismatischer Charakter den offenen Dialog, schwatzt so den Inhaftierten aus seiner Zelle. Seid ihr weniger redegewandt und eher handwerklich/wissenschaftlich begabt, sprengt ihr euch den Weg an einer Schwachstelle der Fassade frei. Ihr liebt es eher andere zu täuschen? Dann besorgt euch doch einfach die Kleidung der Wärter, klaut den Zellenschlüssel und schleicht auf leisen Sohlen aus dem Gebäude.
Eine Frage der Balance
Ein weiterer Punkt, bei dem eure Entscheidungen Folgen haben, bezieht sich auf die unterschiedlichen Fraktionen auf Teer Fradee. Verscherzt ihr es euch mit den Eingeborenen, erschwert sich die Suche nach der Medizin. Seid ihr ihnen aber zu wohlgesonnen, sehen euch die Gläubiger des Lichts als Ketzer an und machen fortan Jagd auf De Sardet.
Bei den insgesamt sechs Fraktionen müsst ihr so stets diplomatisches Geschick beweisen, sonst wird eure Reise unnötig erschwert. Eure Entscheidungen beeinflussen zudem die möglichen Endsequenzen des Spiels, von denen es ganze vier gibt.
Diese Entscheidungsfreiheit im Kampf und beim Umgang mit den Fraktionen sorgt in Kombination mit dem packenden Worldbuilding für ein durchweg spannendes Spielerlebnis. Greedfall bekommt zudem auf diese Weise einen hohen Wiederspielwert.
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