Ich gestehe, ich habe von der diesjährigen Gamescom ungefähr so viel Neues erwartet wie vom Goethe-Lesekreis Köln-Kalk. Schon wieder eine Messe, nur anderthalb Monate nach der E3? Was soll da schon passieren? Der Satz »Wir zeigen nur die E3-Demo« geriet im Vorfeld regelrecht zum Publisher-Mantra. Hallo, Sony! Hallo, Creative Assembly! Hallo, Ubisoft (größtenteils)! - danke, ich leg mich wieder schlafen. Doch nun ist die Messe vorbei, und ich muss sagen: Wenn der Goethe-Lesekreis genauso viel zu bieten hat, schaue ich demnächst gerne häufiger in Köln-Kalk vorbei!
Will sagen: Es war eine überraschend interessante Gamescom. Klar, die Weltrevolution hatte auch Köln nicht zu bieten, im Rampenlicht standen vor allem ganz klassische Fortsetzungen. Das muss aber nichts Schlechtes sein. Im Gegenteil: Ich fand's zum Beispiel großartig, dass sich 2K Games eine so hochkarätige Ankündigung wie Mafia 3 extra für die Gamescom aufgehoben hat. Natürlich vor allem aus Kalkül, um nicht in der E3-Flutwelle unterzugehen.
Aber egal, dem Stellenwert »unserer« Messe kann's nur guttun. Zumal es Mafia 3 eben nicht bei »Alles beim Alten« belässt, sondern sich in ein neues Szenario wagt. Microsoft wiederum hat auf der Messe Halo Wars 2 enthüllt, Deep Silver erstmals eine spielbare Version von Homefront: The Revolution mitgebracht. Und auch Blizzard wartete nicht bis zur Blizzcon, um World of Warcraft: Legion anzukündigen, sondern wählte Köln. Vielleicht auch, weil sich die Fans beschweren, dass es zu Warlords of Draenor keine weiteren Content-Updates mehr geben wird, und man zeigen wollte: Hey, seht mal, bald kommt etwas Neues!
Und auch abseits der allergrößten Namen gab's allerlei Spannendes zu hören und zu sehen. Für mich vor allem bei Paradox, die ich schon lange damit genervt habe, dass ich endlich mal Hearts of Iron 4 in Aktion sehen möchte. Auf der E3 fehlte der Weltkriegs-Simulator noch, in Köln waren die Designer samt Demo vor Ort. Zugleich zeichnete Paradox für mein Messe-Highlight verantwortlich: das Weltraum-Strategiespiel Stellaris, das ich an dieser Stelle lieber nicht groß beschreibe, sonst komme ich zu nichts anderem mehr.
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Der Autor
Michael Graf erlebte dieses Jahr in Köln ein Schnaps-Jubiläum. Nicht etwa auf den After-Messe-Partys, sondern weil es seine elfte Gamescom war - die Games Conventions in Leipzig mit eingerechnet. Und die elfte Messe wird ihm tatsächlich als eine der interessanteren in Erinnerung bleiben. Vielleicht war er aber auch einfach nur froh, mal rauszukommen. Als Kolumnen- und Reportonkel verbringt er inzwischen mehr Zeit mit Planen und Gegenlesen als mit Reisen und Spielen.
Ein Ort für die Kleinen
Aus Pressesicht ist die Gamescom für mich eben auch die perfekte Messe für all die tollen Spiele, die auf der E3 im Messe- und Großhersteller-Rummel untergehen würden. Für die »Kleineren«, die Nischentitel, die Indies (Ein zusammenfassender Indie-Highlight-Artikel kommt noch!). Beispielsweise The Surge, das neue Spiel der Lords of the Fallen-Macher von Deck 13. Oder Die Gilde 3. Oder natürlich Elex, das neue Rollenspiel von Piranha Bytes, das auf GameStar.de aus dem Stand zu den meistgelesenen Themen emporschoss.
All das sind keine Spiele für die E3, es sind Spiele für die Gamescom. Daher kann ich auch das alte Klagelied nicht mehr hören, die Messe sei sinnlos. Zu nah an der E3, definitiv, aber nicht überflüssig. Zumal sich ja selbst viele »Große« zumindest bemüht haben, Neues zu verraten und zu zeigen. Etwa die Luftschlachten von Star Wars: Battlefront, die Eisregionen und das Kampfsystem von Anno 2205 oder Infos zu speziellen PC-Features von Call of Duty: Black Ops 3. Okay, bei Letzterem war dann trotzdem nur der E3-Level spielbar, man wolle nicht spoilern, hieß es. Aber immerhin.
Falls mich jemand nach den übergreifenden Trends der Messe fragt, würde ich antworten: Grundsätzlich dieselben wie auf der E3. Es war schön, die neuen Virtual-Reality-Brillen mal selbst auszuprobieren. Eine kleine Umfrage unter den Kollegen ergab, dass die HTC Vive (auch bekannt als Steam VR) minimal die Nase vorn hat, weil sie die Bewegung im Raum erkennt. Technisch gesehen sind aber alle Brillen weitgehend gleichwertig; die interessantesten VR-Spiele gibt's zumindest nach aktuellem Stand für Sonys Project Morpheus.
Nur ein Trend hat sich auf der Gamescom noch deutlicher herauskristallisiert als in Los Angeles: der zur Science-Fiction. Bemerkenswert viele Spiele schicken uns in eine mehr oder minder nahe Zukunft oder zumindest eine Art Science-Fantasy-Szenario - von Elex, Anno 2205 und The Surge über Call of Duty: Black Ops 3, Horizon: Zero Dawn und diverse Multiplayer-Shooter (Battleborn und Overwatch) bis hin zur Endzeit-Fraktion (Fallout 4, Mad Max und der sehr cool The Banner Saga-Ableger Bedlam) sowie den anfliegenden Weltraum-Strategietiteln (Stellaris, Endless Space 2, Master of Orion). Selbst Nintendo verschließt sich diesem Trend mit Star Fox Zero nicht.
Keine Lizenzgurke: Mad Max in der Gamescom-Vorschau
Und das sind nur einige Beispiele, SciFi-Spiele gibt's inzwischen wie Sterne in NGC 4833. Kein Wunder, Hollywood hat's in den letzten Jahren ja mit »Elysium«, »Oblivion« & Co. vorgemacht. Und kommt dieses Jahr nicht auch dieses komische »Star Wars«? Da ich sowieso ein großer SciFi-Fan bin (Lang lebe Philipp K. Dick!), könnte ich mich derzeit kaum pudelwohler fühlen. Außer vielleicht, wenn Gearbox Homeworld 3 ankündigen würde. Aber gut, man kann nicht alles kann.
Endlich angenehmer
Für reine Science-Fiction hätte ich's übrigens auch gehalten, dass der Besuch der Gamescom jemals angenehmer wird - für die Besucher selbst! Für die Spieler, die teils Hunderte Kilometer gereist sind, um spannende Spiele auszuprobieren. Für all jene, die in der Sonne warten müssen, bis wieder Leute in die Hallen gelassen werden. Natürlich war die Gamescom in auch dieses Jahr oft eine Warteveranstaltung, vor spannenden Titeln bildeten sich lange Schlangen - von den Menschentrauben vor Goodie-Werfern ganz zu schweigen.
Unterm Strich schienen mir Stimmung und Organisation aber definitiv einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. In den Besucherhallen gab es mehr Platz, die großen Publisher hatten mehr Spielstationen aufgestellt, die Ein- und Ausgangswege waren besser eingeteilt (was zwar bedeutete, das man teilweise draußen durch die Hitze wandern musste, aber immerhin).
Auch klar: Für Besucher lohnte sich das Anstehen dennoch nicht immer, am Bethesda-Stand etwa lief nur ein kurzes Fallout-4-Video ohne großen Nährwert. Hier würde ein größerer Abstand zur E3 helfen, weil's dann eben mehr zu zeigen gäbe. Hoffentlich. Meine größte Bewunderung gilt übrigens den Cosplayern, die sich in teils ausladenden und sicherlich nicht federleichten Kostümen durch die Massen bewegten. Urlaub war das auch nicht gerade.
Auf einer Skala von 1 bis 10 wäre diese Gamescom für mich, na ja, eine solide 7. Keine Weltrevolution, nicht überall etwas Neues, aber sowohl für Fach- als auch für Publikumsbesucher durchaus spannend und angenehmer als in den Vorjahren. Nächstes Jahr darf der Abstand zur E3 dann gerne wieder größer werden, damit wirklich alle Aussteller etwas Sinnvolles zu zeigen haben. Auch Ubisoft, Sony und Creative Assembly.
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