Auf einem Anspiel-Event in Berlin konnte ich vor Kurzem den Anfang von Days Gone und einen späteren Spielabschnitt genauer unter die Lupe nehmen. Nachdem ich euch bereits über die Qualitäten der offenen Spielwelt informiert habe, ist jetzt die Geschichte rund um Biker Deacon St. John an der Reihe. Diese wirkte in ersten Trailern noch recht austauschbar und der Hauptcharakter mehr wie ein unsympathischer Rüpel-Biker ohne Facetten. Von dem Niveau beliebter PS4-Exklusivspiele wie Horizon Zero Dawn oder God of War war Entwickler Sony Bend zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt.
Daher möchte ich jetzt die Frage beantworten, ob zum Release am 26. April nicht nur der Gameplay-Spaß in der Postapokalypse im Fokus steht, sondern ihr auch von der Story mehr als ein austauschbares Grundgerüst erwarten könnt.
Keine Angst vor Spoilern
Ich habe den Artikel frei von kleinsten Spoilern gehalten, ich werde lediglich über Kern-Spielmechaniken sprechen. Wer dennoch mehr Details von der Geschichte erfahren möchte, der kann mir gerne in den Kommentaren Fragen zur Geschichte stellen.
So viel Story steckt im Spiel
Wie wir bereits vor wenigen Tagen erfahren haben, wird ein überraschend großer Teil von Days Gone aus Cutscenes bestehen. Zu ca. 20% der Zeit sollen wir uns während der Kampagne in Zwischensequenzen befinden, was bei einer Länge von gut 30 Stunden ganze sechs Stunden ausmacht. An diesen Wert kommt selbst das storylastige mit vielen Cutscenes gespickte Horizon Zero Dawn nicht heran.
Im Interview mit John Garvin, dem Creative Director von Sony Bend, habe ich erfahren, dass die Geschichte von Days Gone eine ganz entscheidende Bedeutung innehat und nicht lediglich als nettes Grundgerüst für das Gameplay dienen soll. Begriffe wie "story driven" werden bei Entwicklern jedoch sehr oft für reine Marketing-Zwecke benutzt. Schließlich lieben viele Spieler gute und ausführliche Geschichten.
Während meiner Anspiel-Session konnte ich seine Aussage aber sogleich auf die Probe stellen und war positiv überrascht. Garvin hat hier nicht übertrieben, das ist zumindest mein erster Eindruck.
Deacon, der "neue" Held
Days Gone präsentiert uns direkt zu Spielbeginn eine emotionale Cutscene mit großen Gefühlen und viel Tragik. Klar, es geht hier schließlich um den Ausbruch der Apokalypse und da müssen spontan harte Entscheidungen getroffen werden, die man eigentlich nie treffen wollte. Zwar reicht die Szene bei weitem nicht an das Intro aus The Last of Us heran, aber das ist bekanntlich eine Nummer für sich.
Im Anschluss schicken uns die Entwickler zusammen mit Deacons Freund Boozer auf die Reise. Solche Missionen zu Zweit, wie ich sie zu Beginn des Spiels erlebt habe, sind übrigens keine Seltenheit. Die Dialoge auf diesen Missionen zwischen den beiden Figuren sind dabei von großer Bedeutung und nicht einfach belangloser Smalltalk, um die Stille zu füllen. Hier erfahren wir mehr über die Persönlichkeit des in ersten Trailern noch relativ eindimensional wirkenden Bikers und den Menschen, die ihn umgeben.
Dem Anschein nach hat sich Sony Bend die Kritik der Fans zu Herzen genommen und aus dem einst unnahbar wirkenden Macho einen Helden geformt, dessen Geschichte und Antrieb uns nicht egal sind.
Das soll nicht bedeuten, dass Deacon der nette, sympathische Motorradfahrer von nebenan ist, der aus purer Freundlichkeit seinen Mitmenschen gegenüber gute Taten vollbringt - das wäre ja auch langweilig. Im Kern spielen wir nach wie vor einen rauen Kerl, den das Leben gezeichnet hat.
Der Unterschied liegt aber darin, dass die Entwickler ihren Hauptcharakter in den ersten Stunden nachvollziehbar zeichnen, ihn lebendig machen. Facetten Deacons wie Trauer, Freude am Leben und blanke Wut sind bereits zu erkennen und ich gehe stark davon aus, dass wir am Ende der Kampagne einen anderen Helden als zu Beginn des Spiels vorfinden.
Ein Blick in die Vergangenheit
Um uns einen Blick in Deacons "wahres Ich" zu gewähren, spielt Bend in Days Gone mit Zeitsprüngen. So reisen wir an manchen Stellen zurück in die Vergangenheit, den glücklichen Tagen vor dem Ausbruch der Apokalypse, die einen Großteil der Bevölkerung in zombieartige Freaker verwandelt hat. Auch hier hat man anhand toller Charaktermomente deutlich gemerkt, wie viel Wert Bend auf die Story und ihre Figuren legt.
So geben uns die Entwickler in Rückblenden in denen wir mit dem Bike unterwegs sind lediglich Kontrolle über die Kamera. Diese spielerisch wenig anspruchsvollen Passagen werden garantiert nicht jedem gefallen, ich konnte mich aber so voll auf das Gesagte konzentrieren und nebenbei die Landschaft genießen. Und keine Sorge, diese Szenen halten uns keine halbe Ewigkeit vom Spielen ab, denn sie sind alle recht kurz gehalten.
Diese Designentscheidung bietet in puncto Storytelling eine für mich sehr gute Alternative zum meinem Paradebeispiel im negativen Sinn: GTA 5. Hier fahren wir beispielsweise mit Michael und einem weiteren Charakter im Auto, müssen dem (englischsprachigen) Dialog lauschen oder Untertitel lesen, das Missions-Ziel im Auge behalten und wenn möglich nicht wie ein angetrunkener Fahranfänger mit drei Radler intus durch den Verkehr brettern. Speziell in dank Slang nur schwer verständlichen Dialogen artet das nicht selten in Arbeit aus und hat mit Spaß an der Geschichte nur wenig zu tun.
Charaktertiefe statt Oberflächlichkeit
Der zweite Teil der Anspiel-Session sprang ein paar Ingame-Stunden in die Zukunft zu einem späteren Teil der Handlung. Hier konnte ich mich frei in der Open World austoben und bin unter anderem auf eines der Camps gestoßen. Dort gibt es Händler die unser Bike verbessern, Ressourcen fürs Crafting anbieten und mehr. Natürlich gehören auch Nebenaufgaben zum Angebot der Camps.
Days Gone
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In einer der Sidequests sollten wir ein Mädchen aus einem von Freakern verseuchten Dorf retten. Grob zusammengefasst bedeutet das: Auf zur Markierung, die Hilfsbedürftige finden und mit ihr zusammen den Ort des Schreckens verlassen. Soweit so Standard.
Wo Spiele wie Assassin's Creed Origins die Zielperson einer Nebenmission oftmals farblos und ohne jegliche Charakterisierung präsentieren, wurde sie uns hier in einer ausführlichen Cutscene nähergebracht. Anstatt nur ihren Namen zu erfahren, erleben wir, wie sie überhaupt erst in die missliche Lage gekommen ist.
Diese Aufgabe soll exemplarisch zeigen, wie das Storytelling in Days Gone funktioniert. Sollten die Entwickler diese Form der Erzählung auch in weiteren Missionen zum Einsatz bringen, bin ich als jemand, dem häufig bei Missionen abseits der Hauptgeschichte das linke Auge vor Langeweile zuckt, mehr als zufrieden.
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