Im vergangenen Jahrzehnt haben FromSoftware mit Spielen wie Dark Souls oder Bloodborne das Subgenre der fordernden Action-Rollenspiele neu definiert. Während sich das Studio zuletzt in Sekiro mit einem frischen Kampfsystem in der japanischen Sengoku-Ära austobte, geht es in Elden Ring auf PS4, PS5 und den aktuellen Xbox-Konsolen zurück zu den Wurzeln, zurück zur mittelalterlichen Dark Fantasy. Die große Neuerung im direkten Vergleich zu Demon’s Souls und Co. ist eine weitläufige Open World, die wir zu Fuß oder im Galopp mit unserem Spektralross Sturmwind frei erkunden.
Doch kommen wir direkt zu der Frage, auf die ihr alle so sehnlichst eine Antwort wollt: Geht das offene Konzept auf, erscheint im Februar 2022 der nächste Actionkracher? Nach aberdutzenden Stunden in den Zwischenlanden können wir endlich verraten, das euch nicht nur ein weiteres sehr gutes Soulslike erwartet, euch erwartet ein außergewöhnliches Meisterwerk, eines der für uns besten Spiele aller Zeiten. Ein Spiel, das sich erfolgreich gegen das Formelhafte vieler moderner Open World-Spiele stellt, das ein bereits sehr gutes Kampfsystem weiter verbessert und das uns aus dem Staunen nicht mehr herausgebracht hat.
Zum Thema Schwierigkeit: Elden Ring ist ebenso wie Dark Souls ein spielerisch enorm forderndes Spiel, das selbst den Genre-Veteranen unter euch alles abverlangen wird. Einen leichteren Schwierigkeitsgrad gibt es nicht, einige Rollenspielmechaniken und Spielsysteme wie der Multiplayer werden teils unzureichend erklärt. Wer mit der Erfahrung bzw. dem Grad der Herausforderung älterer Spiele von FromSoftware keinen Spaß hatte oder keine hohe Frustresistenz mitbringt, dem raten wir vom Kauf ab.
Allerdings, und das sei an dieser Stelle auch erwähnt, bietet Elden Ring mehr als alle Souls-Spiele zuvor spielerische Wege, um euch die Reise zu erleichtern. Ihr könnt wie gewohnt leveln, auf ein enorm diverses Kampfsystem samt vielfältiger Magie und Fernkampf zurückgreifen, die Koop-Funktion nutzen, Geister zur Hilfe und Ablenkung rufen und, und, und. Oder aber ihr sucht euch wenn ihr gar nicht weiterkommt auf der riesigen Spielwiese einfach ein Fleckchen, das euch mehr taugt, wo für euch leichter zu bekämpfende Feinde lauern. Dadurch bleibt Elden Ring eine enorme Herausforderung, auf Flaschenhälse gleich Sekiro stoßt ihr jedoch nicht.
Eine Open World wie keine andere
Welche Gedanken kommen euch in den Sinn, wenn ihr an offene Spielwelten aus Assassin’s Creed Valhalla, Horizon Forbidden West oder Far Cry 6 denkt? Vielleicht denkt ihr an eine Fülle von (spaßigen) Aufgaben, eine Karte voller Questmarker samt Questlog, riesige Areale – und natürlich Klettertürme und einzunehmende Lager. Was die drei Open World-Spiele alle gemein haben, sind klar definierte Aufgaben, vorgegebene Wege von A nach B.
Die Spielwelt von Elden Ring funktioniert komplett anders. FromSoftware schickt uns nach einem kurzen Tutorial-Areal in das sonnige Gebiet Limgrave, von wo aus wir den Großteil der Zwischenlande frei erkunden dürfen. Was unsere konkrete Aufgabe ist, erfahren wir aus Gesprächen mit NPCs, auf die wir unterwegs treffen. Wo wir uns aber konkret auf der wunderschön (!) gezeichneten Map befinden, welche enormen Ausmaße die Open World annimmt, das müssen wir uns Stück für Stück durch Erkundung und das Sammeln von Kartenfragmenten selbst erschließen.
Laufen wir los und gelangen an die von Blättern überwucherte Ruine einer kleinen Kirche, eine düstere Höhle nahe des weiten Ozeans oder eine Burg, werden diese wichtigen Orte automatisch auf der Karte eingezeichnet. Wichtig deswegen, da wir hier beispielsweise auf Händler, wertvollen Loot und allerlei fantastisch designte Bosse stoßen.
Alternativ dürfen wir uns auch Marker auf der Map setzen, um wichtige Stellen später wiederzufinden. Seit Zelda: Breath of the Wild hat kein Spiel mehr so unseren Entdeckerdrang geweckt wie Elden Ring. Während wir andere Open World-Spiele nach wenigen Stunden “entschlüsselt” haben, wissen, nach welchem Schema sie aufgebaut sind, welche Aufgaben uns erwarten, wurden wir hier bis zur letzten Sekunde überrascht.
Aha-Moment, das Spiel: “Hast du schon …?”, “Das kann doch nicht!”, “Das glaubst du mir nie!” So in etwa verliefen unsere Gespräche während der Testphase. Souls-Fans kennen solche Unterhaltungen, in einer solchen Schlagzahl wie in Elden Ring sind diese Sätze jedoch noch nie aus uns herausgesprudelt. Hier wenige, spoilerfreie Beispiele:
- Auf dem Weg zu einem Schloss machen wir kurz an einem Leuchtfeuer halt. Die sogenannten “Orte der Gnade” dienen als Rücksetz- und Schnellreisepunkte, sind äußerst spendabel platziert. Sterbt ihr, ist der Weg zur Stelle des Ablebens nicht weit. Eigentlich wollten wir die Gnade nur kurz aktivieren, ein wenig leveln, fertig. “Aber Moment, wohin führt denn die Leiter neben der kleinen Hütte?”. Sie führt uns hunderte Meter die steilen Klippen hinauf zu einem mächtigen Lindwurm, zu einem besonderen Großschwert.
- Wir stoßen auf ein kleines, recht unscheinbares Mausoleum mitten im Wald. Im Inneren ist ein Aufzug, mit dem wir voller Entdeckerdrang eine lange Fahrt hinab in die Tiefe wagen – und in einem riesigen Areal landen. Eines der Sorte, das einem beim schieren Anblick den Atem raubt. Um hier zum Boss zu gelangen, müssen wir jedoch nicht kämpfen, sondern ein kleines Rätsel lösen. Das ist übrigens keine Seltenheit. Immer wieder stoßenn wir auf versteckte, recht kryptische Puzzles, werden beispielsweise durch in Hütten platzierte Gemälde aufgefordert, spezielle Orte zu finden. Erinnern wir uns unterwegs daran und finden den Ort, winkt eine Belohnung.
- Doch einen der größten WTF-Momente bescherte uns eine längere NPC-Questreihe. Hier müsst ihr vorab wissen, dass wir uns an einem speziellen Boss die Zähne ausgebissen haben. Während dieser Questreihe wird jedoch exakt dieser fiese Obermoppel thematisiert. Und was dann passierte … ihr Lieben, auch wenn wir hoffentlich in eurem Sinne sehr vage bleiben, erledigt die kleinen Geschichten, sie können euch das Leben retten. Und nein, es erschien nicht einfach nur ein NPC, der uns im Kampf unterstützt. Das wäre ja nur sehr cool und hätte uns kein “Ähm, ist das gerade wirklich passiert?” entlockt.
Leidet das geniale Dark Souls-Leveldesign durch die Open World? Abkürzungen freischalten, sich die Spielwelt Stück für Stück erschließen, ein Gefühl für sie bekommen, das verstehen Souls-Fans im Allgemeinen unter dem so cleveren Aufbau von Lordran, Yharnam und Co.
Zum einen erlebt ihr dieses Gefühl in den riesigen Legacy Dungeons, also für die Handlung besonders wichtigen Orten auf der Karte, wie beispielsweise das aus Trailern bekannte Schloss Sturmschleier. Hier kommt zudem dank der Sprungfunktion eures Charakters und beim leicht hakeligen Springen über die Dächer Vertikalität ins Spiel.
Zum anderen ist die Open World in puncto Leveldesign der Star. Der clevere Aufbau, die spannende Wegfindung. Oft müssen wir uns einen Plan zurechtlegen, wie wir uns mit der sprunggewaltigen Hilfe von Mount Sturmwind einen Weg bahnen können. Jeder Ritt durch die Spielwelt wirkt dadurch nie wie eine künstliche Ladezeit.
Technik-Check: Wir konnten Elden Ring während der Testphase auf PS5 testen und haben einen abseits verschmerzbarer Mängel guten technischen Zustand vorgefunden. So hatten wir im Performance-Modus nicht nur ein flüssiges Spielerlebnis ohne für die Tester wahrnehmbare Probleme mit der Framerate (ca. 60 fps) und sehr kurzen Ladezeiten, auch sind uns keinerlei Bugs begegnet. Für ein Open World-Spiel zum Release und mit Blick auf die technisch leicht schwächere PC-Version außergewöhnlich. Rechnen müsst ihr jedoch mit teils starkem Pop-in der Texturen, was speziell beim Ritt durch die Spielwelt mitunter unschön auffällt.
Optisch solltet ihr aufgrund der mittlerweile in die Jahre gekommenen Engine, die unter anderem in Dark Souls 3 und Sekiro zum Einsatz kam, keine “Next-Gen”-Grafik gleich dem Remake von Demon’s Souls erwarten. Niedrig aufgelöste Texturen bei sehr weit entfernten Objekten und hakelige (Sprung-) Animationen sind das größte Übel. Solche Abstriche macht Elden Ring jedoch durch sein einzigartiges Dark Fantasy-Artdesign, tolle Magie- und Lichteffekte und eine insgesamt wunderschöne Spielwelt locker wieder wett.
Einen dedizierten Technikvergleich zwischen der technisch deutlich schwächeren PS4-Version und der PS5 findet ihr mittlerweile auf GamePro.
Wie belebt ist die Open World? In erster Linie trefft ihr vom wütenden Braunbären über gewaltige Steinriesen und groteske FromSoft-Schöpfungen wie laufende, eklige Hände natürlich auf allerlei Gegner, die euch ans Leder wollen – die Monstervielfalt ist enorm.
Doch keine Sorge, die Spielwelt hat auch durchaus ihre ruhigen Momente, gibt euch nicht das Gefühl, ständig gejagt zu werden. Wir haben vielmehr die perfekte Mischung aus Gefahr, Entspannung und Spannung vorgefunden. Da hoppeln Ziegen und Kaninchen im hohen Gras, wir beobachten aus der Ferne den Kampf zwischen einer Gruppe T-Rex (???) und Fußsoldaten, schauen ehrfurchtsvoll von einem höher gelegenen Plateau einem schlummernden Drachen zu. Das Tag-und-Nacht-System kommt zudem mit dem Effekt, dass bestimmte Gegner oder Ereignisse nur zu einer gewissen Tageszeit stattfinden.
Reiten wir tagsüber entspannt über eine kleine Brücke im Osten Limgraves, patrouilliert hier im Mondschein ein berittener schwarzer Ritter. Das Schwert wird gezückt, es winkt wertvoller Loot. Die Tageszeiten können bequem vom “Ort der Gnade” aus umgestellt werden.
Wie FromSoftware ein spannendes Areal ans nächste reiht, in welcher Häufigkeit wir auf besondere Momente stoßen und Geheimnisse entdecken, ist einzigartig. Dass ein Entwickler enorme Arbeit in Dark Souls-ähnliche Gebiete (Aschesee, Gemalte Welt) investiert, die viele Spieler*innen aufgrund der Größe der Spielwelt vielleicht nie entdecken werden, macht jede der locker 100 Spielstunden zu etwas magischem.
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