Ein packender Plot, ein nachvollziehbarer Hauptcharakter, eine überzeugende Präsentation, ein plausibles Szenario und eine Steuerung, die sofort das richtige Körpergefühl transportiert. All das sind die Grundlagen, die dafür sorgen sollen, dass uns ein Spiel unter die Haut geht. Wirklich schwer wird es aber, diesen speziellen Nerv bei uns zu treffen, der uns zum Bibbern bringt. Survival Horror soll uns packen, uns ängstigen, uns in Panik versetzen, uns erschüttern.
Da jeder Mensch anders tickt, ist es sehr schwer, die empfindlichen Flecken auf unserer Seele zu treffen. Der sicherste Weg für Entwickler ist daher, auf Archetypen der Furcht zu setzen. Das sind Urängste, die jeder von uns von Natur aus in sich trägt, auch wenn die Ausprägungen individuell sind. Hier wollen wir euch erklären, welches todsichere Mittel für Spieleentwickler sind, um Gänsehaut zu erzeugen. Oder uns in den Wahnsinn zu treiben.
Identifikationsverlust und Urangst
Die Urangst wird von Psychoanalytikern unterschiedlich definiert. Manche bezeichnen sie als Urtrauma, das in dem Moment ausgelöst wird, wenn ein Neugeborenes den Mutterleib verlässt. Es war ein Zustand absoluter Geborgenheit, die der Mensch seitdem unterbewusst versucht anzustreben. Dazu zählt das Gefühl von Sicherheit, als auch Seligkeit und Erfüllung des Lebens, die zum Beispiel durch Religion, Kunst oder Taterfüllung herbeigeführt werden kann.
Während dieser Reise bauen wir uns unsere Identität auf. Jeder Zweifel an ihr führt zu Instabilität. Das Auftauchen von Doppelgängern kann zum Beispiel hinterfragen, wie einzigartig wir wirklich sind. Auch der Verlust von Erinnerungen nimmt uns Gewissheit. Der unter Amnesie leidende Protagonist mag zwar ein überstrapazierter Trope sein, doch er rührt zum Teil aus diesem psychologischen Hintergrund.
Ein hoher Identitätsverlust kann auch zu Märtyrertum führen. Die Angst vor Wertlosigkeit lässt Protagonisten in dem Fall Handlungen ausführen, bei denen sie sich selbst für eine Sache oder andere Personen opfern. So etwas kann bei einem Spiel durchaus am Ende der Geschichte geschehen, doch NPCs können auf dem Weg das Gleiche für uns tun. Sie werfen sich vor Monster, stürzen sich in Flammen oder vergiften sich, um uns Zeit zu verschaffen.
Im Kontext von Actionszenen wirken solche Szenen oft profan und vorhersehbar. Wenn sie gut geschrieben sind und uns die Nebenfiguren vorher ans Herz gewachsen sind, kann der Twist trotzdem funktionieren. Im Optimalfall lässt es die Horrorwelt noch gefährlicher erscheinen, wenn potenziell jeder Charakter sterben kann. Das unterstützt vor allem die Befürchtung, an so einem Ort isoliert von der zivilisierten Außenwelt zu sein.
Andere Wissenschaftler bezeichnen mit Urängsten Instinkte, die unsere Vorfahren aus der Urzeit in unseren Genen hinterlassen haben. In der Wildnis wurden wir von Tieren gejagt und mussten alles als Gefahr einschätzen, was wir nicht verstanden haben. In dieser Verbindung steht das Unterbewusstsein, das Ängste tief hinten im Gehirn verstaut. Oft ist die eigene Fantasie schlimmer als alles, was ein Computerspiel darstellen könnte.
Entwickler sprechen hier vom Negative Space, einem Bereich, der absichtlich im Dunkeln gelassen wird, damit Spieler ihn selbst ausfüllen können. In diesen Lücken sind wir unserer Vorstellungskraft ausgeliefert, die besonders in angsteinflößenden Situationen außer Kontrolle geraten kann. Kholat nutzt zum Beispiel in einer Szene genau diese Methode: Mit unserer Taschenlampe starren wir in einen verschneiten Wald, während plötzlich das Geräusch des Schneesturms in den Hintergrund tritt und wir nur noch das Knacken der Äste vernehmen. Was dort zwischen den Baumstämmen lauern mag, können wir nicht ausmachen, aber unser Verstand geht vom Schlimmsten aus.
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