Schmerzen und Todesangst
Die vielleicht einleuchtendste Methode, Furcht in euch auszulösen kommt durch den Wunsch nach körperlicher Unversehrtheit. Mit Ausnahme von Personen, die unter psychischen Krankheiten wie Apotemnophilie leiden, möchte eigentlich jeder Verletzungen oder gar den Tod vermeiden. Wunden kommen mit Schmerz einher und können je nach tiefe auch für dauerhafte Schäden sorgen. Sie führen zu existentiellen Ängsten.
Gelingt einem Horrorspiel eine Steuerung, die euch wortwörtlich in die Rolle der Hauptfigur versetzt, kann sich euer Verstand der Illusion hingeben tatsächlich am Ort des virtuellen Geschehens zu sein. Ihr vergesst, dass ihr eigentlich auf der Couch sitzt und seid Leon S. Kennedy, Rei Kurosawa oder James Sunderland. Die Spielmechaniken können die Konsequenzen sogar noch verstärken. Beispielsweise kann eure Spielfigur durch Verletzungen humpeln. Oder Tode werfen euch so weit zurück, dass sie einen großen Verlust von Fortschritt, gar Hilfsgegenständen bedeuten. Im Survival Horror muss etwas auf dem Spiel stehen.
Das Gefühl, an allen möglichen Ecken verletzt werden zu können, wird durch eine lebensfeindliche Umgebung verstärkt. Die alternative Welt in Silent Hill besteht aus verrosteten Oberflächen, die nicht nur instabil, sondern auch rau und scharfkantig anmuten. Wer hier ungünstig an einer Metallwand entlangläuft, reißt sich Kleidung und Haut auf. Besonders gut hat das Dead Space mit der Ishimura geschafft. Manche Oberflächen haben innerhalb der Spielewelt eine Funktion, wie etwa Kühlrippen oder Schallisolierer. Im fahlen Licht sehen diese Objekte aber bedrohlich aus und wirken wie Werkzeuge, um den weichen menschlichen Körper in Stücke reißen zu können.
Genau das führen alle Spiele der Serie bei Bildschirmtoden auch in aller Ausführlichkeit vor: Besonders im zweiten Teil ist das Potenzial zur Identifikation mit dem Hauptcharakter Isaac Clarke größer, da er sich hier mitteilt und als Charakter klarer beschrieben ist. Doch wer ihn mag, oder sogar selbst zeitweilig das Gefühl hat er zu sein, wird nicht gerne beobachten, wie ihm Säure das Gesicht wegätzt. Oder Monster seinen Kopf abreißen. Oder Maschinen sein Auge ausstechen. Oder … ihr versteht schon.
Angst vor sexuellem Missbrauch
Sexuelle Gewaltist ein sehr schwieriges Thema, da äußerst viel Feingefühl nötig ist, um es mit dem nötigen Respekt zu behandeln. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich bisher nur wenige Entwickler an eine Verarbeitung herangetraut haben. Andeutungen sind oft schon schlimm genug, da Tragik und Grausamkeit dieses Verbrechens unaussprechlich sind.
Negativbeispiele sind die beiden Outlast-Titel, die Genitalverstümmelung und Vergewaltigung als ins Lächerlich gezogene Shows in ihre Aneinanderreihung von Schockeffekten einbauen. Es ist nicht nur eine Ohrfeige für tatsächliche Opfer, sondern es unterschlägt auch die langfristigen psychischen Auswirkungen.
Weitaus anspruchsvoller geht etwa Silent Hill 2 mit dem Thema um, bei der eine Person jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden ist. Im Fokus steht, wie das Opfer sich fühlt und wie sehr ihre Psyche leidet, obwohl das Verbrechen sogar schon mehrere Jahre zurückliegt. Silent Hill 2 zeigt diese Grausamkeiten nicht, sondern arbeitet mit Symbolen und Emotionen. Blicke sagen hier mehr als 1000 Worte.
Haunting Ground wagt sogar etwas sehr schwieriges und versucht uns als Spieler in die Rolle eines potenziellen Opfers zu versetzen. Es ist eine geistige Fortsetzung der Clock Tower-Serie, bei der wir als Fiona aus einem großen Schlosskomplex entkommen müssen, während uns eine Handvoll Verfolger auf den Fersen sind. Der von den Antagonisten geplante Missbrauch wird im Spiel über Symbole und eine entschärfende Fantasy-Handlung umschrieben. Doch im Wesentlichen möchte der Eigentümer des Schlosses die Gebärmutter von Fiona für ein Klonexperiment nutzen. Als Spieler lernen wir die junge Frau als Person kennen, als Mensch. Für die Feinde im Spiel ist Fiona aber nur ein Objekt. Sie sind die vielleicht abscheulichsten Monster, die euch in einem Survival Horror Spiel begegnen können.
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