Hot Dog auf dem Lava-Grill
Habt ihr euch ans Ende eines Höllenabschnittes durchgekämpft, kommt es im wahrsten Sinne des Wortes dicke, denn der Ausgang eines jeden Höllenkreises wird von einem gewaltigen Endgegner bewacht. So kämpft ihr unter anderem gegen eine leicht verrottete Kleopatra, zieht König Minos die Ohren lang oder schickt den Höllenhund Cerberus ins Körbchen. Die schlecht gelaunten Oberdämonen sind äußerst fantasievoll gestaltet und fordern mit abwechslungsreichen Angriffsmustern und mehrstufigen Kämpfen gleichermaßen eure Auffassungsgabe und Reflexe. Einfaches draufknüppeln führt selten zum Ziel. Um die Gegner zu besiegen, müsst ihr oftmals sogar die Umgebung als Waffe einsetzen.
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Ein Beispiel: Wir befinden uns vor Cerberus, »der mit schmierigem Schnauzbart, geblähtem Wanst und krallig scharfen Pfoten« auf Dante losgeht. Leider ist der Körper des Biests gut gepanzert, weswegen die Sichel nichts ausrichtet. Die drei Köpfe des Scheusals anzugreifen, bringt ebenfalls nichts, weil sich die mit riesigen Zähnen bewehrten Schädel zu schnell bewegen. Allerdings befinden sich auf dem Plateau auch ein paar Löcher, die von Lava-Klumpen verstopft sind. Öffnet ihr die Löcher mit eurer Sense, schießt für kurze Zeit eine Lava-Fontäne empor. Wer es jetzt schafft, einen der Schädel im richtigen Moment über eines der Löcher zu locken, verleiht dem Wort »Hot Dog« eine völlig neue Definition.
Literatur fürs Auge
Der echte Dante Alighieri hat mit »La Comedia« nicht nur eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur geschaffen, sondern auch unser Bild der Hölle entscheidend geprägt. Bei der grafischen Umsetzung des Vorbilds haben die Entwickler von Visceral Games ganze Arbeit geleistet und erwecken die zwischen 1307 und 1320 entstandene Dichtung zum Leben. Jeder Höllenkreis wurde im Sinne des Vorbildes gestaltet. So präsentiert sich der Abschnitt Maßlosigkeit als riesiger Verdauungstrakt, inklusive zuckender Gedärme, mahlender Kiefer und hektoliterweise schleimigen Sekreten. »Gier« ist eine riesige Maschine, die zwischen Bergen aus angelaufenem Gold ihren Dienst tut. Am Ufer des Höllenflusses Archeron seht ihr ganze Ströme von »müden, nacktgewordnen Seelen«, die wehklagend ihrem Schicksal entgegenschlurfen. Natürlich haben sich die Entwickler auch ein paar Freiheiten genommen, um ein stimmiges Gesamtkonzept zu erreichen. So ist Charon nicht wie im Vorbild »ein alter weißbehaarter Mann«, sondern ein riesiger Kopf, der den Bug seines Fährschiffes ziert.
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Wer sich die Zeit nimmt, entdeckt überall im Hintergrund kleine, schaurig-schöne Details, wie Dämonen, die ihre Opfer auspeitschen oder in Lavaseen ertrinkende Seelen. Die gut animierten Gegner brauchen sich hinter dieser Pracht keineswegs zu verstecken: Aufgedunsene Bäuche, eitriges Gewebe und klaffende Wunden sind an der Tagesordnung. Die Texturqualität ist auf der PlayStation 3 und der Xbox 360 durchgehend auf hohem Niveau, dank vorgegebener Blickwinkel sind uns beim Testen keine gravierenden Kameraprobleme aufgefallen. Beide Versionen gleichen sich wie ein Dämon dem anderen, nennenswerte technische Unterschiede gibt es nicht.
Anämische Blässe
Interessanterweise kann man Dante’s Inferno im Vergleich zu Spielen wie God of War fast schon Blutarmut vorwerfen. Obwohl der Hauptdarsteller alles andere als zimperlich vorgeht, wird kaum Lebenssaft vergossen. Besiegte Gegner verglühen kreischend, anstatt rote Proteinsoße in der Umgebung zu verspritzen. Trotzdem ist das Abenteuer des sündigen Dichters deutlich düsterer ausgefallen als der Rachefeldzug von Kratos. Das liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Soundcodierung. Es kreischt, stöhnt, ächzt und kracht aus allen Ecken, mächtige Tiefbässe versetzen sogar euer Sofa in Schwingungen und der sakrale Orchestersoundtrack steht in Punkto Bombast den »Herr der Ringe«-Filmen in nichts nach. Trotz der sehr guten Atmosphäre und der schönen Technik hat es Dante’s Inferno nicht in den Hit-Kreis geschafft, denn im Gegensatz zur Optik waren die Entwickler bei der Gestaltung des eigentlichen Spiels alles andere als kreativ. Dante's Inferno spult souverän Genre-Standards ab, Kenner von God of War, Devil May Cry oder auch Darksiders erwartet in der Hölle mehr als ein Déjà vu-Moment. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, dennoch hätten ein paar eigene Ideen der Höllensause gut zu Gesicht gestanden. Ein weiterer Schwachpunkt ist der Hauptdarsteller: Dante verfügt weder über das »Badass«-Charisma eines Kratos noch besitzt er die überzogene Coolness seines Capcom-Namensvetters und bleibt dadurch leider ein wenig blass. Die ein wenig wirr erzählte Geschichte wird von schicken Rendersequenzen und Cartoon-Schnipseln vorangetrieben, wobei die stilistisch simplen Zeichentrick-Intermezzi ein wenig deplaziert wirken. Die deutsche Version erscheint komplett ungeschnitten und ist auch in einer speziellen Death-Edition zu haben.
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