Nur bekannte Gesichter
Hinzu kommt, dass es kaum etwas zu entdecken gibt. Im gesamten zweiten Akt, der mit acht Stunden mehr als doppelt so viel Spielzeit im Gepäck hat wie der erste Part, besuchen wir lediglich vier unverbrauchte Bildschirme (drei davon nur für wenige Minuten im Finale) und lernen einen neuen Charakter kennen. Den Rest der Zeit durchforsten wir mit Vella und Shae altbekannte Wirkungsstätten und quasseln mit denselben skurrilen Figuren wie in Akt 1.
Immerhin haben die Schauplätze und ihre Bewohner, die durch den unaufgeregten, aber einfach stimmigen Grafikstil wieder wunderschön dargestellt werden, einige Veränderungen durchgemacht. Baumfäller Curtis versucht sich jetzt etwa als Metallarbeiter, und auch andere Figuren bieten zahlreiche frische Dialogoptionen, die genau so unterhaltsam sind wie in Akt 1. Echte Überraschungsmomente wie beim ersten Kontakt mit einer durchgeknallten Sekte in ihrem luftigen Wolkenheim fehlen aber. Nach so langer Entwicklungszeit wäre da deutlich mehr drin gewesen.
Rätsel nach klassischer Bauart
Wo die Story in Akt 2 einen Gang zurückschaltet und die Spielwelt nur Altbekanntes neu aufwärmt, tischt Broken Age an anderer Stelle unerwartet dick auf. Die Rätsel sind auf einmal viel kreativer, abwechslungsreicher und deutlich kniffliger, als wir es vom ersten Akt, aber auch von anderen modernen Adventures, gewohnt sind.
Statt nur Standard-Kombinationsrätseln zu bieten, konfrontiert uns Broken Age teilweise mit echten Denksportaufgaben, etwa wenn wir anhand von mehreren Bildern und Texten Rückschlüsse auf Shaes Schuhwerk in verschiedenen Altersstufen ziehen müssen. Das geht nur, wenn wir uns fleißig Notizen machen - ganz klassisch analog mit Stift und Papier. Nach der Lösung solcher Aufgaben fühlen wir uns wie echte Genies - ein Gefühl, das uns Adventures heute viel zu selten vermitteln. In diesen Momenten merken wir, dass mit Tim Schafer ein Entwickler am Werk war, der sich seine Adventure-Sporen mit Klassikern wie Monkey Island und Grim Fandango verdient hat.
Einige Male ist er aber auch deutlich über das Ziel hinaus geschossen. So hat sich der Bürgermeister von Muschelhöhe an einer Pfeife verschluckt, die wir gerne aus seinem Hals herausholen würden. Unsere Spielfigur weigert sich aber beharrlich, dem armen Kerl einfach mal einen ordentlichen Klaps zu verpassen. Die geforderte Lösung des Problems - die wir hier natürlich nicht verraten wollen - wirkt völlig konstruiert und ist alles andere als logisch, sodass wir nur durch nerviges Rumprobieren darauf gestoßen sind.
Hölzerne Übersetzung
Ungenauigkeiten in der deutschen Übersetzung kommen erschwerend hinzu. In der geschilderten Szene erhalten wir auf Deutsch den Hinweis, dem Bürgermeister einen Schlag in den Unterleib zu verpassen. Autsch! Das englische Original spricht hier von »pressure«, also Druck, und bringt uns so auf die richtige Fährte. An anderer Stelle sollen wir einen sprechenden Baum mit einem Witz zum Lachen bringen. Das wäre angesichts des knorrigen Humors des Gehölzes selbst dann nicht ganz leicht, wenn die zweideutige Pointe nicht auch noch völlig übersetzungsresistent wäre und sich nur mit Um-die-Ecke-denken erahnen ließe.
Das ist nicht nur für uns Spieler doof, sondern auch für die deutschen Synchronsprecher, exzellente Arbeit abliefern und ihren berühmten englischen Konterparts wie Elijah Wood, Jennifer Hale und Jack Black in nichts nachstehen. Spieler mit ordentlichen Englischkenntnissen schalten aufgrund der Übersetzungsmängel lieber auf den O-Ton um.
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