Biomutant im Test: Eine Open World für die Biotonne

Biomutant ist dank frischer Spielwelt und pelzigem Helden die Open-World-Hoffnung 2021 für PS4 und Xbox One. Wir konnten das Action-Rollenspiel testen und stellen ernüchtert fest, dass sich hinter vielen guten Ansätzen kein gutes Spiel versteckt.

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Bereits Ende 2017 wurde Biomutant für PS4 und Xbox One angekündigt und präsentierte sich in ersten Trailern als frisches und überaus verrücktes Open-World-Spiel samt Kung Fu-"Waschbär" in der Hauptrolle, ehe es dann für lange Zeit still um das Action-RPG wurde. Das ambitionierte Werk vom kleinen schwedischen Entwickler Experiment 101 wirkte wie der aufs Wesentliche fokussierte, spaßige Gegenentwurf zu Mammutprojekten wie einem Assassin's Creed Valhalla.

Im Test entpuppt es sich jedoch recht schnell als Vollpreisspiel, das alles sein möchte, letzten Endes aber an allen Fronten kläglich scheitert. Von der Geschichte über das Kampfsystem bis hin zur Open World, um nur die großen Baustellen zu nennen - Biomutant kommt mit tollen Ideen, die jedoch allesamt im Nichts verlaufen.



Technik-Check: Biomutant hat, wie bei Open-World-Spielen zum Release nicht unüblich, sowohl auf Xbox- als auch auf PlayStation-Konsolen mit einigen kleineren Macken zu kämpfen. Darunter gelegentliche Ruckler, Clipping-Fehler und Pop-Ups. Auch abgebrochene Dialoge und generelle Audio-Aussetzer gesellten sich hinzu.

Davon abgesehen, lief das Spiel flüssig. Schlechte Neuigkeiten gibt es jedoch für die PlayStation 5-Version. So ist uns das Spiel auf der PS5 in regelmäßigen Abständen (alle halbe Stunde) abgestützt. Auch Patch 1.2 samt Neuinstallation konnte das massive Problem nicht lösen, was speziell bei langwierigen Bosskämpfen ein großes Ärgernis war. Auf der PS4 ist das Problem beim Anspielen nicht aufgetreten.

Rein optisch wirkt das Spiel hingegen trotz charmantem Art-Design etwas in die Jahre gekommen. Hübsche Lichteffekte täuschen jedoch ein wenig über matschige Texturen, detailarme Gegenden und eine statische Kamera in den Dialogen hinweg. Biomutant ist kein AAA-Spiel und wurde von einem recht kleinen Team entwickelt, das wird bei der Technik besonders deutlich.

Die Geschichte: Zwischen Glückskeks und Moralpredigt


Biomutant schickt uns als kleiner Nager mit Überbiss in eine sterbende, von sprechenden Tieren bevölkerte Welt mit chinesischem Kung Fu-Flair, in der verfallene Ruinen und Relikte aus vergangener Zeit daran erinnern, dass hier einst Menschen gehaust haben. Um den Weltenbaum, den Motor der Welt, steht es nun ebenfalls schlecht. Vier sogenannte Weltenfresser - riesige, pelzige Echsen - haben die Wurzeln des Baumes angenagt und müssen für die Rettung des Planeten von uns getötet werden.

Und damit ist die Geschichte von Biomutant auch schon komplett erzählt. Zwar wird auch die traurige Vergangenheit des unter Gedächtnisschwund leidenden Helden (mehr schlecht als recht) thematisiert, wie alle Charaktere bleibt aber auch unser stummes Fabeltier komplett blass.

Um die vier Weltenfresser zu besiegen, müssen wir spezielle Fortbewegungsmittel startklar machen. Den Jumboknäuel können wir nur mit einem Mech töten. Um die vier Weltenfresser zu besiegen, müssen wir spezielle Fortbewegungsmittel startklar machen. Den Jumboknäuel können wir nur mit einem Mech töten.

Weit weniger blass sondern vielmehr mit dem Holzhammer, wird das eigentliche Thema von Biomutant präsentiert: Der Umweltschutz beziehungsweise die Klimakrise. Immer wieder schallert uns das Spiel die Schuld der Menschen an der Misere ins Gesicht, das Thema wird aber trotzdem nur oberflächlich behandelt. Als dann einem Godzilla-ähnlichen Weltenfresser der atomare Atem (Atomic Breath) aus dem Maul schießt, haben wir nur noch laut "wir haben es verstanden" geschrien.

Nerviges Gebrabbel: Vorgetragen wird die Geschichte (auch auf Deutsch) von einem Erzähler aus dem Off. Die Figuren selbst brabbeln lediglich unverständliches Kauderwelsch. Speziell bei geringem Budget ist ein durchs Spiel begleitender Sprecher an und für sich ein coole Idee, hier entpuppt sich sein Einsatz aber recht schnell als überaus nervig.

Zwar können wir im Menü seine Einsätze reduzieren, doch selbst den Regler ganz nach unten geschraubt hält ihn nichts davon ab, im Minutentakt denkwürdige Sätze wie "es geht nichts über das Licht. Punkt" beim Gang aus einer Hütte oder "eine ordentliche Leiter" bei der Leiterkraxelei zu äußern. Selbst in Kämpfen hören wir nach einem Treffer "du bist angeschlagen" oder bei einer Explosion im Kampfgetümmel ein leierndes "Bumm Bumm". Mag das beim ersten Hören noch witzig klingen, ist man nach wenigen Stunden geneigt, den Ton komplett auszuschalten.

Doch auch abseits der Plaudertasche wirkt das von den NPCs Gesagte wie eine Aneinanderreihung schlechter Glückskeks-Sprüche, auf die wir mit teils wirren Dialogoptionen antworten dürfen. Zwar sollen die Phrasen scheinbar das Kung Fu-Gefühl widerspiegeln, scheitern dabei aber komplett und führen so zu einer extrem nervigen Erzählweise.

Einem von sechs Klans können wir uns anschließen und verändern so mit “guten” oder “bösen” Entscheidungen das Ende. Das System dahinter wirkt jedoch wenig ausgereift. Einem von sechs Klans können wir uns anschließen und verändern so mit “guten” oder “bösen” Entscheidungen das Ende. Das System dahinter wirkt jedoch wenig ausgereift.



Das Gut/Böse-System: Biomutant hat ein Karma-System, das uns für gute Antworten auf die Seite des Lichts führt, bei bösen Sprüchen moralisch ins Dunkel stürzt. Auswirkungen haben die Entscheidungen auf das Ende des Spiels. Hier retten wir den Weltenbaum oder stürzen den Planeten ins Verderben.

Zudem treffen wir auf sechs in der Welt verteilte Klans, die mal die Welt vernichten, mal retten wollen, und denen wir uns anschließen können. Echte Auswirkungen haben diese Entscheidungen aber nicht, sie sorgen sogar für Logiklücken.

Ein Beispiel: Entscheiden wir uns für den dunklen Weg und gesellen uns auf die Seite der Weltenfresser, müssen wir die Bosse dennoch besiegen. Warum? Wir wissen es nicht. Nach deren scheinbarem Ableben sehen wir nur, wie sie weiter genüsslich an der Rinde nagen. Ein weiteres Beispiel gefällig? Entscheiden wir uns dafür, alle Stämme außer unserem eigenen zu zerstören, bekommen wir dennoch nach Auslöschung zweier Klans die Option, sie sofort allesamt zu vereinen, was unsere vorherigen Taten komplett aushebelt und die Quest in der Mitte abbricht. Ein weiteres Beispiel für ein gut gemeintes, aber ungenügend umgesetztes Spielelement.

Wirre Kämpfe mit verrückten Waffen

Kommen wir zur nächsten Großbaustelle von Biomutant, seinen Rollenspiel-Mechaniken und dem Third-Person-Kampfsystem. Bevor wir unsere Reise zur Rettung oder Vernichtung des Weltenbaum antreten, basteln wir uns via Editor unseren anthropomorphen Nager.

Dabei bestimmen wir an Äußerlichkeiten lediglich Fellfarbe und Grundgattung und entscheiden uns für eine von fünf Klassen und wählen aus sechs Attributen (Stärke, Vitalität, Charisma etc,), die unser Erscheinungsbild prägen. An Klassen gibt es etwa den PSI-Freak, eine Art Magier, der vom Start an Blitzbälle auf seine Feinde schleudert. Oder den Wächter, eine Art Tank, der mit verbesserter Rüstung beginnt.

Bevor es losgeht, erstellen wir via Editor unseren Nager. Das Äußere wird dabei größtenteils durch Attribute und die gewählte Klasse bestimmt. Bevor es losgeht, erstellen wir via Editor unseren Nager. Das Äußere wird dabei größtenteils durch Attribute und die gewählte Klasse bestimmt.

Gekämpft selbst wird dann gegen pelzige und auch ein wenig knuffige Monster, die herrlich frisch wirken und die wir so noch in keinem Spiel entdeckt haben. Recht schnell wird aber klar, dass abseits einer auf uns zu rollenden, mit den Pranken schlagenden Riesenechse und anderen Klan-Nagern nur recht wenig geboten ist. Weit mehr Abwechslung bieten hingegen unsere Angriffe und auch das Waffenarsenal kann sich sehen lassen.

Auf insgesamt drei verschiedene Arten gehen wir den Fieslingen an den Kragen: im Nahkampf mit Stachelkeulen, Kampfstäben oder Kung Fu-Techniken. Mit durchaus abwechslungsreichen magischen Fähigkeiten, die Gegner einfrieren oder für uns kämpfen lassen und die wir über gewonnene Fähigkeitenpunkte beim Stufenaufstieg freischalten. Und zu guter Letzt mit Schuss- bzw. Fernkampfwaffen, wie einem Boomerang, diversen Schießeisen oder einem nach vorn schnellenden Enterhaken.

Nettes Crafting: Die meisten Nahkampfwaffen müssen wir uns dabei selbst über ein katastrophal unübersichtliches und verschachteltes Menü basteln, indem wir in der Spielwelt gefundene Teile miteinander kombinieren. So nageln wir beispielsweise ein Paddel an eine Staubsaugerdüse und tada, der neue Monsterklatscher 3000 entsteht.

Falls ihr übrigens an dieser Stelle sagt "Mensch, das klingt doch so unfassbar abwechslungsreich und spaßig", dann können wir erst einmal nur nicken. Abwechslung im Kampf wird geboten und auch das ausgefallene Waffen-Crafting hat seinen Reiz. Doch auch hier kommt der berüchtigte Haken: Das Kampfgeschehen ist speziell durch massive Kameraprobleme im Nahkampf ein Graus, und auch der Fernkampf wird dank hakeliger Zielerfassung - eine komfortable Lock-On-Funktion wie etwa in Zelda: Breath of the Wild gibt es nicht - unnötig erschwert. Hinzu kommt, dass sich unser Fellknäuel träge steuert, was uns auch direkt zum nächsten Punkt bringt, den Rollenspiel-Mechaniken.

PSI-Kraft Ob Nah- oder Fernkampf, Biomutant gibt uns vom Boomerang über Doppelschwerter bis hin zu magischen PSI-Fähigkeiten allerhand spaßige Werkzeuge an die Hand. Würden nur die Scharmützel selbst nicht unter vielen Problemen leiden.

Bioangriff Ein sehr effektiver Bioangriff, mit dem wir die Monster verwirren, die sich dann für wenige Sekunden gegenseitig attackieren.

Stufenaufstiege und die Erhöhung unserer Attribute funktionieren zwar im Kern, viele Design-Entscheidungen wirken aber schlicht nicht durchdacht. Warum müssen wir Magie skillen, um länger zu schwimmen? Warum erhöht sich durch Agilität unsere Bewegungsgeschwindigkeit nur außerhalb des Kampfs? Warum skalieren Waffenwerte mit keinem Attribut mit, und was in aller Welt stimmt mit unserem Charisma-Wert nicht? Zwar haben wir nicht einen Punkt in das Attribut investiert, konnten aber dennoch jeden feindlichen Stamm bei entsprechender Gelegenheit zur Kapitulation überreden.

Ihr seht: Bei den Themen Kampfsystem und Rollenspiel ist zwar Hopfen und Malz nicht ganz verloren, viele unglückliche Entscheidungen führen aber dazu, dass der Spaß auf der Strecke bleibt.

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