Jodie ist am Ende. Als die Kamera auf ihr Gesicht zoomt, sehen wir ihre spröden Lippen und die rot unterlaufenen Augen. Sie trägt eine zerschlissene Jacke, zerfetzte Handschuhe und schleppt sich mit letzter Kraft auf die Brücke, über die der Highway nach Chicago verläuft. Als wir beim Entwickler Quantic Dream rund eine Stunde in das PlayStation 3-exklusive Beyond: Two Souls eintauchen und endlich auch mal selbst spielen dürfen, erleben wir gleich nach kurzer Zeit einen Selbstmordversuch.
Jodie will springen, sich das Leben nehmen - doch eine geheimnisvolle Magie stößt sie immer wieder weg vom Sprung in den Tod. Was ist passiert? Warum will sich die junge Frau umbringen?»Aiden, ich kann nicht mehr«, jammert sie.»Ich will nicht mehr leben. Es ist Weihnachten, ich habe keine Familie, keine Freunde, kein Geld und keine Zukunft«.
Aiden, das ist eine Art Geist, eine geheimnisvolle Macht die mit Jodie seit ihrer Geburt verbunden ist und sie beschützt, wann immer es notwendig ist. Für die Militärs ist Aiden aber vor allem eines: eine mächtige Waffe, die sie unter Kontrolle bringen müssen. Deshalb jagen sie Jodie unerbittlich durch die USA. Beyond jagt derweil auch. Nämlich uns regelmäßig Schauer über den Rücken.
Der Chefdesigner David Cage spricht bei unserem Studiobesuch immer wieder von Gefühlen. Und tatsächlich schafft Beyond etwas, was kaum ein Spiel der letzten Jahre vermocht hat: Wir fühlen uns verantwortlich für Jodie. Warum? Weil wir sie zum Spielbeginn vom achten bis zum 23. Lebensjahr begleiten. Weil wir mit ihr als kleiner Steppke versuchen, über einen großen Tisch zu gucken, auf dem Kekse stehen.
Die Kamera ist dabei so niedrig angesetzt, dass wir das Gefühl haben, aus Jodies Perspektive die Welt zu erleben. Es mag komisch klingen, aber wenn wir in der einen Szene ein Kind spielen, was sich an seinem Pluto-Plüschhund kuschelt, und wir sie in der anderen halb erfroren auf der Straße wiederfinden, dann schafft das eine emotionale Verbindung, die wir so nur sehr selten in Spielen gespürt haben.
Noch weniger als in Heavy Rain setzt Cages Team auf effektvolle Inszenierung, sondern lässt uns in der Geschichte einfach immer wieder zwischen unterschiedlichen Altersstufen hin und herspringen. Auch sind es nicht einfach nur Rückblicke in Zwischensequenzen, die Jodies Heranreifen zeigen, sondern wir wackeln mit der Kleinen beispielsweise durch die Wohnung und packen einen Koffer, der größer ist als sie selbst. Schafft sie das, guckt sie uns mit großen stolzen Augen an. Diese Zeitsprünge faszinieren einerseits, bergen aber auch Verwirrungsgefahr: Wann hat Jodie nun gleich was mit wem erlebt? Quantic Dream wird sich anstrengen müssen, die Geschichte verständlich zu halten.
Aiden, der magische Lebensretter
Als wir Beyond zuletzt auf der E3 2012 gesehen haben, haben die Franzosen um Cage ein recht adrenalingetriebenes Action-Ballett präsentiert, bei dem Polizeiautos mit lautem Krachen Tango tanzten und Jodie mithilfe von Aiden eine komplette Spezialeinheit des FBI auslöschte. Bei unserem Besuch in Paris zeigt sich das Spiel hingegen von seiner ruhigen Seite.
Wir steuern Jodies Bewegungen mit dem linken Analogstick und die Kamera mit dem Rechten - blöd nur, dass die Perspektive gerne mal zickt und wir wenig erkennen, da muss Quantic Dream noch nachbessern. Action-Momente erleben wir derweil selten.»Wir verzichten komplett auf Quicktime-Events«verkündet David Cage eine für seine Spiele durchaus revolutionäre Neuerung. Stattdessen setzt man auf ein kontextsensitives System. Wenn Jodie eine Autotür öffnen soll, drücken wir den Stick leicht nach oben.
Soll sie mit einem Objekt wie einer Telefonzelle interagieren, dirigieren wir ebenfalls lediglich den Stick in die entsprechende Richtung, müssen danach aber keinen Knopf mehr drücken. In den ersten 20 Minuten spielt ohnehin Aiden die erste Geige: Jodie schleppt sich zurück auf die Straße und bricht dort zusammen, also heißt es Hilfe holen. Dazu drücken wir die Dreiecktaste und wechseln in Aidens Geistergestalt, um die ein blauer Faden schimmert. Der wiederum begrenzt Aidens Bewegungsradius, er kann sich nur rund 30 bis 50 Meter von Jodie entfernen.
So erkunden wir zunächst die Umgebung und erblicken in einer Gasse den Obdachlosen Stan, der gerade eine Mülltonne durchwühlt. Unser Ziel lautet, ihn mit Geisterkraft auf die Straße zu locken, damit er die halb erfrorene Jodie rettet. Dazu fahren wir mit dem Stick nah an einen Kaffeeautomaten heran, drücken den Analogstick nach vorne und lassen ihn zurückschnappen. Aiden lädt sich dann auf und erzeugt einen »Blast«,der den Automaten zum Wackeln bringt und Stan aufschreckt.
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