Stan, der menschliche Lebensretter
Uns stellt sich unweigerlich die Frage, ob wir eigentlich auch von einem der anderen Menschen in der Gegend Geld klauen, es in den Automaten werfen und dann mit Aiden einen heißen Kaffee zu Jodie hätten bringen können?
»Es gibt etliche Möglichkeiten, Stan auf Jodie aufmerksam zu machen. Man könnte beispielsweise einer anderen Person Geld klauen und es in seiner Reichweite auf den Boden klimpern lassen, damit er sie findet«, erklärt Gameplay-Designerin Caroline Marchal. »Wir arbeiten gerade noch an der Balance, allerdings soll Aiden nicht übermächtig werden. Wenn ihr alles mit ihm erledigen könntet, gäbe es kaum Puzzles zu lösen«.
Die Interaktion mit Menschen stehe zudem klar im Vordergrund - und warum das so ist, erfahren wir, als Stan Jodie in seine spärliche Unterkunft bringt. Er hat sein Heim irgendwo unter einer Brücke mit einem kleinen Baum geschmückt und auf einer schmutzigen Pappe steht »Frohe Weihnachten«.
Quantic Dream investiert viel in die Ausarbeitung der Nebencharaktere, die im Verlauf der Geschichte eine tragende Rolle spielen können. Denn die Autoren David Cage und Caroline Marchal lassen Jodie wieder aufblühen, indem sie Gutes tut. Jodie fühlt sich allein, sogar ihre Eltern haben Angst vor ihr, und sie glaubt, sie falle allen nur zur Last. Doch wenn wir es wollen, können wir sie zur Heldin machen, die Stan und vier seiner Freunde das Leben rettet. Oder auch nicht.
Beispielsweise wird Jodies neuer Freund vor einem Supermarkt von ein paar Gangstern abgefangen, die ihn mit Baseballschlägern verprügeln. Wir könnten jetzt weggehen, er würde krankenhausreif geschlagen, und wir würden seine Freunde niemals kennenlernen. Diese Wahl stellt Cage und sein Team natürlich vor eine Herausforderung: Je nach unserer Wahl müsste sich die Geschichte ändern, schafft es Quantic Dream wirklich, derart vielfältige Handlungsstränge einzubinden?
Ausprobieren dürfen wir das noch nicht, wir haben nur Zeit für einen Lösungsweg. Als wir in die Schlägerei eingreifen, erleben wir, wie flüssig und intuitiv sich das neue Kampfsystem anfühlt. Im Grunde legen wir nur die Daumen auf die beiden Sticks und reagieren auf die Angriffe der Gegner. Schlägt einer mit seiner Faust zu, reißen wir den linken Stick nach unten - Jodie duckt sich dann.
Wollen wir ihm in die Kniekehlen treten, pressen wir den rechten Stick nach oben und starten so die Attacke. Um Angriffe blocken zu können, wird die Zeit jeweils kurz angehalten, und wir entscheiden mit unseren Manövern, wie wir kontern wollen. Wie variantenreich sich die Kämpfe letztlich spielen und wie viele unterschiedliche Kombos es geben wird, muss das fertige Spiel zeigen. Auf jeden Fall fühlt es sich deutlich besser an als das permanente Quicktime-Gehämmer in Heay Rain. Ohnehin begrenzt sich das Interface auf ein Minimum - die Aktionsfelder über die wir im Gespräch lügen, die Wahrheit sagen oder unseren Gesprächspartner ignorieren, rotieren nicht mehr so aufgeregt, sondern werden lediglich am linken oberen Bildrand eingeblendet.
Action mit Sinn, Verstand und Herz
Was Beyond aber wirklich besonders macht, ist die Beziehung, die Jodie zu vielen Charakteren aufbauen kann. »Diese Menschen sollen euch etwas bedeuten« sagt David Cage. Wenn wir beispielsweise eine Frau namens Tuesday aus einem brennenden Haus retten müssen, dann denken wir unweigerlich an die letzten Minuten zurück, in denen wir ihr geholfen haben, ihr Baby zu gebären. Wir bitten sie, zu pressen, schneiden die Nabelschnur durch und wiegen die kleine Charlene danach kurz in den Armen. Das ist die Magie, die Beyond zu einem Ausnahmetitel machen könnte - wenn Cage und sein Team sie aufrechterhalten.
Es ist nun mal etwas komplett anderes, einem Menschen das Leben zu retten, den man vorher ausführlich kennengelernt hat, oder einen anonymen Soldaten zu verkörpern, dessen Namen man bei der nächsten Bang-Boom-Bang-Mission schon wieder vergessen hat. Jodie, Tuesday und Baby Charlene werden wir nach der darauffolgenden Flucht durch ein brennendes Treppenhaus so schnell nicht mehr vergessen. Ja, für Charaktere haben Cage & Co. ein Händchen. Spannend bleibt, ob diesmal auch der spielerische Anspruch stimmt. Und ob Quantic Dream endlich gelernt hat, seine Geschichten vernünftig zu Ende zu erzählen. Das Finale war nämlich sowohl in Fahrenheit als auch in Heavy Rainüberaus unbefriedigend.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.