Zusammen mit ihrer Mutter schlendert die zwölfjährige Aveline de Grandpré zu Beginn von Assassin's Creed: Liberation HD über den Markplatz von New Orleans - bis sie ein Huhn erblickt. Nach dieser kurzen Sequenz dürfen wir die erste weibliche Assassin's Creed-Heldin auch schon selbst steuern und verfolgen das Federvieh. Dabei verlieren wir nicht nur unsere Mutter aus den Augen, sondern werden auch von einem Fremden zu Boden geschubst.
Schnitt: Plötzlich sind wir als erwachsene Aveline unterwegs und bekommen im Gefecht gegen Söldner das Kampfsystem erklärt. Schnitt: Die Szene war bloß Albtraum. Eigentlich schlummert Aveline im Haus ihres Vaters und wird gerade von ihrer Stiefmutter geweckt. Keine fünf Sekunden später wirft sich Aveline eine Assassinen-Kutte über und springt aus dem Fenster in die Nacht hinein.
Schnitt: Wir sind einigermaßen verwirrt. Was ist mit der Mutter passiert? Was hat es mit dem fremden Schubser auf sich? Und wie ist Aveline überhaupt zur Meuchelmörderin geworden? Dieser Holterdiepolter-Auftakt steht quasi sinnbildlich für Assassin's Creed: Liberation, denn der ursprünglich für die PlayStation Vita veröffentlichte Serienablegers Assassin's Creed 3: Liberation fällt erzählerisch auf die Nase.
Warum? Weil halt!
Wie Assassin's Creed 4: Black Flag gaukelt uns auch Assassin's Creed: Liberation HD vor, ein Produkt des fiktiven Spieleentwicklers Abstergo Entertainment zu sein. Auf eine Rahmenhandlung in der Gegenwart wird allerdings verzichtet. Wir erleben ausschließlich die Erinnerungen von Aveline. Ähnlich wie Halbindianer Connor stammt sie aus einer eher ungewöhnlichen Beziehung. Ihr Vater ist ein französischer Kaufmann, ihre Mutter eine afrikanische Mätresse. Nachdem Mama verschwindet, lässt sich Aveline von einem gewissen Agaté zur Assassinin ausbilden. Warum? Weil halt!
Liberation geizt nicht nur mit Erklärungen, sondern liefert sie - wenn überhaupt - zu völlig unpassenden Zeitpunkten. Dass Agaté uns ausgebildet hat, erfahren wir beispielsweise erst nach einigen Stunden und nicht am konfusen Anfang, wo wir uns tatsächlich die Frage stellen, wie Aveline eigentlich Assassinin geworden ist. Überhaupt ist das »Warum« ein fundamentales Problem des Spiels - zu fast jedem Zeitpunkt fragen wir uns, warum wir eigentlich tun, was wir gerade tun.
Denn die Geschichte um die Befreiung der Sklaven von New Orleans, der Fehde zwischen Spaniern und Franzosen und dem Assassinen-Templer-Konflikt hat keinerlei Höhepunkte und bleibt durchgehend unklar. Wenn wir zum Beispiel zu Beginn einen Templer ausschalten sollen, dann fühlt sich wie jedes Feld-, Wald- und Wiesen-Attentat an, weil unser Opfer persönlichkeitsbefreit ist. In der zehn- bis fünfzehnstündigen Handlung gewinnt keine einzige Figur so etwas wie Tiefgang - auch Aveline selbst nicht.
Gute Haupt-, sinnlose Nebenmissionen
Während die Handlung eine Bauchlandung hinlegt, funktioniert Liberation immerhin spielerisch. In bester Serientradition laufen, kraxeln und springen wir uns durch New Orleans, das anliegende Bayou und Chichén Itzá im heutigen Mexiko. Dabei absolvieren wir durchaus abwechslungsreiche Missionen. Egal ob klassische Aufträge à la »Verfolge eine Wache« oder mehrstufige Einsätze: Hier überzeugt Avelines Abenteuer. So treffen wir in einem Abschnitt etwa Assassin's Creed 3-Held Connor, mit dem wir erst durch eine verschneite Landschaft klettern, dann von Feinden überrascht werden und anschließend in ein bewachtes Fort eindringen müssen.
Leider bleiben aber auch die Einsätze nicht von den Logiklücken der Handlung verschont. Da kann es schon einmal vorkommen, dass wir in bester Schleichmanier Wachen einzeln ausschalten müssen, nur damit sich Aveline in der nächsten Skriptsequenz für alle Gegner gut sichtbar positioniert und so die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dann hätten wir uns das Schleichen auch sparen können. Die Gefechte wiederum sind immer noch zu leicht, da die Gegner brav nacheinander angreifen und sich sehr leicht auskontern lassen. Zudem regenerieren wir uns in Windeseile, wenn wir mal ein paar Sekunden lang keinen Treffer einstecken.
Abseits der Haupthandlung können wir noch Tagebuchseiten oder Krokodileier sammeln, Nebenaufgaben erfüllen, neue Kleidung oder Waffen kaufen oder wie üblich sämtliche Aussichtstürme erklimmen und synchronisieren. Bis auf die Aussichtstürme, die Teile der Karte aufdecken, ergeben aber die wenigsten Nebenbeschäftigungen wirklich Sinn. Konnten wir in Black Flag noch jede Münze gebrauchen, sind wir in Liberation im Handumdrehen steinreich. Da die Kämpfe ohnehin zu einfach ausfallen, lohnt sich auch der Kauf von neuen Waffen nicht. Zudem erzählen die Nebenmissionen nur selten eine eigene, spannende Geschichte.
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