Die Xbox Series S hat momentan einen schwierigen Stand. Zumindest laut einiger Entwickler*innen, die Microsofts Einstiegskonsole als schwächliche "Kartoffel" abstempeln und sie aus der Welt wünschen. Der putzige Kasten würde ihrer Meinung nach Spiele auch auf den leistungsfähigeren Konsolen (also sogar der PS5) ausbremsen. Deshalb fordern sie, dass eine Veröffentlichung auf der Xbox Series X nicht an eine Fassung für die Series S gekoppelt sein sollte. Na dann schauen wir uns doch einmal an, ob da wirklich etwas dran ist!
Noch immer in einer schwierigen Position
Als ich vor fast genau zwei Jahren die Xbox Series S zum Test in die Hände gedrückt bekommen habe, war ich gespannt darauf, wie sie sich über die Zeit entwickeln würde. Damals waren noch nicht viele Spiele für den schick designten Klotz optimiert, weshalb ein Großteil der Titel in geringer Grafikqualität über den Bildschirm flimmerte.
Nach knapp zwei Jahren hat sich das allerdings nur so halb geändert, denn meist sind es nur Exklusivtitel und Xbox One X-Portierungen, die auf der Xbox Series S überzeugen. In jüngster Zeit häufen sich aber Spiele, die nur schlampig für die günstige Konsole optimiert wurden und entweder ruckeln oder über eine niedrige Auflösung verfügen.
Kurzum: Bei mir entsteht nicht der Eindruck, dass die Xbox Series S bei Spielestudios auf viel Gegenliebe stößt, es sei denn, es wird von den Entwickler*innen erwartet. Beispielsweise, weil es sich um ein First-Party-Exclusive oder eine große Day-One-Veröffentlichung im Game Pass handelt. Alle anderen Studios wollen hingegen einfach nur die Xbox Series S-Portierung abhaken, um ihr Spiel auf die Xbox Series X zu bringen, egal wie.
Dass die Xbox Series S bei Studios so unbeliebt ist, liegt vorrangig an drei Faktoren:
Erhöhter Optimierungsaufwand: Jede weitere Version eines Spiels kostet Geld, bei der Xbox Series S umso mehr, da sie sich technisch massiv von der PS5 und der Xbox Series X unterscheidet. Spiele müssen außerdem immer auf den kleinsten technischen Nenner geplant und angepasst werden, was in der Praxis gar nicht so leicht zu handhaben ist. Vor allem, wenn eine dermaßen große Lücke zwischen den Systemen klafft.
Geringere Verbreitung im Vergleich zu den "großen" Konsolen: Titel, die für PS5 und Xbox Series X entwickelt werden, ähneln sich technisch sehr stark, wodurch mit geringem Aufwand Millionen von Spieler*innen abgedeckt werden. Die Xbox Series S fällt als deutlich schwächere Konsole aus der Reihe, speziell angepasste Versionen sind nur für einen kleinen Personenkreis relevant. Ihre Stellung ist also ziemlich exotisch.
Technisches Defizit: In den vergangenen Wochen waren es leitende Entwickler*innen von Rocksteady, dem Studio hinter der gefeierten Batman: Arkham-Reihe, die sich gegen die Xbox Series S und ihre "Kartoffel"-Grafikeinheit ausgesprochen haben.
Hier die festgehaltenen Tweets:
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Dem stimmte ein Visual Effects-Künstler von Bossa, dem Indie-Studio hinter I Am Fish und Surgeon Simulator, zu. Er behauptet, dass viele Unternehmen versucht haben, Microsoft davon zu überzeugen, die Voraussetzung eine Xbox Series S-Fassung entwickeln zu müssen, wenn man einen Series X-Release anstrebt, aufzuheben. Der Auslöser für dieses Meeting sei die schwache Hardware.
Neu ist die Kritik nicht: Schon vor fast einem halben Jahr thematisierten die Technik-Experten von Digital Foundry in einem Podcast, dass sie in Gesprächen mit Spiele-Entwickler*innen häufig gehört haben, dass der Umgang mit der Xbox Series S äußerst schwierig sei. Insbesondere die niedrige Speicherbandbreite stelle einen gewaltigen Flaschenhals dar, den Microsoft trotz größter Mühen nicht beseitigen kann.
Deshalb ist die Speicherbandbreite wichtig:
Damit der Grafikprozessor der Xbox Series S überhaupt mit Daten gefüttert wird, die er berechnen kann, ist er an einen Speicher angebunden. Der Datendurchsatz fällt bei der Xbox Series S aber sehr niedrig aus, wodurch es zu massiven Engpässen bei aufwendigen Szenen mit vielen Effekten und Objekten kommt.
Zudem kann es zu Verzögerungen beim Laden von Texturen kommen und auch Ray-Tracing nimmt viel Speicherkapazität ein - mit ein Grund, weshalb wir die Technik zur Simulation von Lichtstrahlen so selten auf der Xbox Series S sehen.
Die Xbox Series S ist eine enorme Bereicherung
Microsoft verfolgt seit einigen Jahren eine Strategie der Zugänglichkeit und Allgegenwärtigkeit. Der Game Pass erreicht mit seiner großen Spielebibliothek und der Verfügbarkeit auf vielen, grundverschiedenen Geräten (vom Smartphone bis zum Fernseher) viele Millionen Abonnierende. Dank des Xbox Adaptive Controllers können auch Personen mit motorischen Behinderungen an Xbox-Konsolen zocken.
Die Xbox Series S passt perfekt in dieses Konzept: Mit ihrem günstigen Einstiegspreis ist die Budget-Konsole vor allem für Neulinge interessant, die bisher nicht mit Videospielen in Kontakt gekommen sind. In einem Investoren-Meeting bestätigte der Microsoft-Geschäftsführer Satya Nadella, dass fast die Hälfte aller Xbox Series S-Konsolen an Menschen verkauft wurden, die zuvor nie ein Xbox-Gerät besessen haben (via comicbook.com).
Der günstige Verkaufspreis ist also ein nicht zu verachtender Anreiz, um Personen, die von den hohen Preisen zeitgemäßer Konsolen abgeschreckt waren, an das Medium heranzuführen. Das Gefühl habe ich auch in meinem virtuellen Bekanntenkreis: Viele Spieler*innen haben mit der Xbox Series S zur Konsole gefunden.
Dadurch hievt sie unser liebstes Hobby noch mehr in den Blick der allgemeinen Öffentlichkeit und reißt Barrieren auf. Diese Signalwirkung ist nicht zu unterschätzen, schließlich stärkt sie die Akzeptanz, die Spielenden entgegengebracht wird, und bringt neue Perspektiven, die auch von den Spielen selbst aufgegriffen werden, wodurch mehr Abwechslung entsteht.
Zusätzlich ist die Xbox Series S ständig verfügbar, da sie zügig in großen Stückzahlen produziert werden kann. Die verbaute Technik ist schlicht und ergreifend weniger komplex als die der Xbox Series X, was in der Fertigung enorm praktisch ist. Für neu Einsteigende ist das natürlich ideal, schließlich können sie sofort zugreifen und müssen nicht mit Adleraugen nach dem nächsten PS5- oder Xbox Series X-Drop Ausschau halten.
Hilfreich ist auch die niedrigere Nachfrage: Unter Core-Gamern, die die größte Zielgruppe einer stationären Konsole ausmachen, ist das Interesse am leistungsfähigsten Modell ein Stückchen größer. Infolgedessen bleibt für Gelegenheitsspieler*innen mehr von der Series S übrig.
So könnte Microsoft mit der Xbox Series S verfahren
Da Microsoft nicht möchte, dass Entwickler*innen die Xbox Series S fallen lassen und damit der Spielenachschub für die Konsole versiegt, ist es eher unwahrscheinlich, dass die Notwendigkeit einer Xbox Series S-Version bei einem Release für die Xbox Series X zurückgenommen wird.
Microsoft könnte sich aber eine Tugend von der Nintendo Switch abschauen: In den vergangenen Monaten erschienen viele grafisch aufwendige Spiele, zum Beispiel Control oder A Plague Tale: Requiem, als Cloud-Versionen für die Nintendo Switch. Die Titel erreichen zumeist eine deutlich höhere Grafikqualität als es bei einer Portierung je möglich wäre.
Das wäre auch bei der Xbox Series S denkbar, zumal Microsoft eine gewaltige Infrastruktur im Hinblick auf Cloud Gaming aufgebaut hat. Auf diesem Weg könnte sogar die Kopplung an die Series X-Version bestehen bleiben: Entweder erscheint ein Titel als Cloud-Version oder als native Series S-Fassung. Letztere dürften auch nicht aussterben, schließlich reicht die Performance des Geräts locker für Indie-Spiele aus, bei denen keine großen Optimierungsarbeiten notwendig sind.
Mit der jetzigen Regelung wird es aber wohl fortwährend zu Konflikten kommen. Zumindest mit Studios, die grafisch anspruchsvolle Multiplattform-Titel entwickeln und dazu geneigt sind, lieber eine Xbox Series S-Portierung hinzuschludern als auf einen Xbox Series X-Release zu verzichten. Davon profitiert am Ende niemand, weshalb ich hoffe, dass Microsoft schnellstmöglich eine Lösung für die Problematik findet.
Besitzt ihr eine Xbox Series S? Was war für euch der Kaufgrund?
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