Wenig zu sehen, viel zu lesen
Auch unser Team wächst mit unseren Entscheidungen, neben unseren vier Rangern können wir nämlich bis zu drei Begleiter verpflichten. In Highpool etwa wartet die Scharfschützin Vulture's Cry auf uns, im Agrarzentrum die Ärztin Rose (wenn die nicht wegen unserer Entscheidung von vorhin schon tot wäre). Die Fähigkeiten unserer Kameraden schalten wiederum neue Wege frei: Mal knacken wir ein Schloss, mal sprengen wir uns einen Weg frei, mal hacken wir einen verlassenen Kran und hieven damit ein Auto als Brücke über eine Schlucht.
Und mal müssen wir uns einfach damit abfinden, dass wir nicht den richtigen Spezialisten für eine bestimmte Aufgabe dabeihaben. Beim ersten Durchspielen können wir unmöglich alles sehen, ein zweiter Durchlauf wird ganz anders verlaufen. So ist es eine echte Freude, die Spielwelt von Wasteland 2 zu erkunden. Allerdings sieht die trotz Grafik-Upgrade gegenüber der ursprünglichen PC-Version immer noch nicht wirklich hübsch aus. Mal ganz abgesehen von den endzeit-typischen Grau- und Brauntönen wirken auch die Charaktere und Gegner alle miteinander dröge und detailarm. Wegen der tollen Optik spielt man Wasteland 2 also sicher nicht.
Stimmung erzeugt das Spiel auf die altmodische Art: Durch seitenweise gut geschriebene Dialoge, einen atmosphärischen Soundtrack und einfallsreiche Figuren und Gebiete. Pechschwarzer Humor und Endzeithölle liegen dabei nie weit auseinander, wir treffen zum Beispiel auf die sprengwütigen Diener des Atompilzes, die eine Nuklearrakete als ihren Gott verehren. Oder die Manneriten, für die das Ende der Welt noch lange keine Entschuldigung für schlechte Manieren darstellt und die sogar »Höflichkeitsvollstrecker« aussenden, um dem Nachdruck zu verleihen. Finstere Geheimnisse hinter der Fassade natürlich garantiert. Ausgerechnet von unseren Mitstreitern sollten wir aber nicht allzu viel erwarten: Die sind zwar ein recht vielfältiger Haufen und geben gerne mal ein paar flotte Kommentare ab, aber sie greifen selten größer in die Geschichte ein oder lassen sich zu längeren Gesprächen hinreißen.
Apropos Gespräche: Gegenüber der PC-Fassung von 2014 wurden jetzt fast alle Dialoge und Texte brauchbar bis sehr gut vertont. Das ist wichtig, denn das Lesen der teils sehr langen Gespräche macht auf dem Fernseher keinen Spaß. Zwar lässt sich im Menü die Schriftgröße hochdrehen, doch selbst auf großen Glotzen ist der Text immer noch fuzzelig und deshalb anstrengend zu entziffern.
Mächtige Feder, mäßiges Schwert
Trotzdem machen die Quests und Dialoge Wasteland 2 zu einem erstklassigen Rollenspiel. Nur leider spielen die Rundenkämpfe nicht in der gleichen Liga, und mit denen verbringen wir einen beträchtlichen Teil unserer Zeit. Während wir die Welt in Echtzeit erkunden, ziehen die Figuren im Gefecht abwechselnd und verwenden jede Runde Zug um Zug ihre Aktionspunkte zum Gehen, Schießen oder Nachladen.
Grundlegend sind eigentlich viele Bausteine für schöne Taktikschlachten dabei: Jede Waffengattung hat ihre eigenen Vorteile, Energiewaffen schmelzen etwa besonders gut gepanzerte Feinde wie Roboter. Überflüssiges Gerät zerlegen wir in Bauteile und schrauben Nützliches an unsere Waffen dran, ein besseres Zielfernrohr erhöht etwa die Reichweite. Im Gefecht geht's vor allem um geschickte Positionierung, ein Scharfschütze auf einem Dach wütet verheerend unter seinen Feinden. Außerdem müssen wir stets nach guter Deckung Ausschau halten und gleichzeitig Feinde aus der Flanke beharken.
Soweit, so grundsolide, auf Dauer wird's aber doch eintönig. Vor allem, weil sich beispielsweise unsere Scharfschützin nach 20 Spielstunden immer noch genauso spielt wie in der ersten Minute. Natürlich hat sie inzwischen ein besseres Gewehr und mehr Punkte auf die Schützen-Spezialisierung, aber damit macht sie einfach nur mehr Schaden. Neue Fähigkeiten lernt sie keine, alle Figuren haben das gleiche magere Arsenal: Sie können für mehr Genauigkeit in die Hocke gehen, einen Kopfschuss für mehr Schaden und geringere Trefferchance wagen, per Overwatch auf den nächsten Feind schießen, der in Sichtweite spaziert, und das war's auch wieder.
Das soll nicht bedeuten, dass die Gefechte einfach sind, im Gegenteil, sie sind stellenweise sogar richtig brutal: Unsere Ranger kippen schon nach wenigen Treffern aus den Latschen und können sogar dauerhaft sterben, wenn wir sie nicht mit einem Chirurgen wiederbeleben. Gerade am Anfang müssen wir höllisch aufpassen, nicht ins Gras zu beißen.
Außerdem ist Munition besonders für starke Waffen wie Scharfschützengewehre nicht immer im Überfluss vorhanden, wir müssen uns also vor jeder Reise gut eindecken. Aber das macht die Schlachten nur schwieriger, sie bleiben ein wenig abwechslungsarm und eintönig. Und wirken damit etwas fehl am Platz in einem Spiel, dessen Quests uns immer wieder aufs Neue überraschen.
Immerhin ist aber die Bedienung per GamePad gut gelungen. Selbst wer Wasteland 2 vom PC her kennt, wird Maus und Tastatur kaum vermissen.
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