Wo der Umfang von Rennspielen früher hauptsächlich in der Streckenzahl gemessen wurde, laden heute gewaltige Gebiete zum entspannten Erkunden ein - der Open-World-Trend macht auch vor diesem Genre nicht halt. Test Drive Unlimited 2 und Forza Horizon sind bisher die wohl prominentesten Vertreter, The Crew von Ubisoft will in diesem Jahr aber noch eine gewaltige Schippe drauflegen. Denn in der Raserei ist nichts Geringeres als die gesamten USA befahrbar - zumindest im Kleinformat. Aber reicht das, um ganz vorne bei den Open-World-Rennern mitzumischen? Wir waren zu Besuch bei Ubisoft in Paris und haben The Crew ausführlich angespielt.
Julian Gerighty, der Creative Director von Entwickler Ivory Tower, beginnt seine einleitende Präsentation mit einer dicken Überraschung: Das Wort »Rennspiel« vermeidet er nämlich geflissentlich, sondern stellt The Crew als ein »MMORPG« vor. Moment mal, ein Online-Rollenspiel? Das scheint irgendwie nicht recht zu passen. Wer ist denn da der Held? Die Antwort von Gerighty folgt prompt: »Euer Auto ist der Hauptcharakter«. Denn jede der Karren lässt sich durch erledigte Aufgaben und erspielte Bauteile in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Gerighty ergänzt lachend: »The Crew ist quasi das Pokemon der Rennspiele«.
Wir starten mit einem Basismodell und können unseren motorisierten Untersatz beispielsweise in die »Street-Spec«-Richtung entwickeln, also einen aufgemotzten Straßenrenner. Weitere Entwicklungsstufen sind Dirt-Spec (eine Art Allrounder fürs Gelände), der Perf-Spec (extravagant mit viel Bling-Bling), Raid-Spec (kann überall problemlos fahren) und der Circuit-Spec (reinrassiges Rennauto). Somit hat The Crew also eine Art Klassensystem - wie ein Rollenspiel eben.
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Aufgepimpt
Doch die Rollenspiel-Einflüsse greifen noch tiefer. Denn überall auf der riesigen US-Karte gibt es Missionen und sogenannte Skill-Veranstaltungen, die wir jeweils mit Bronze- Silber- und Goldmedaillen abschließen können. Zum Beispiel müssen wir in einem bestimmten Zeitlimit die Tachonadel so weit wie möglich nach oben jagen, oder möglichst viele Zielscheiben durchfahren und zerstören. Bei Erfolgen hagelt es Erfahrungspunkte und neue Bauteile für unseren Flitzer.
Jedes der Fahrzeuge besitzt nämlich elf Tuningbereiche (z.B. Motor, Übersetzung, Reifen etc.), die alle einen eigenen Erfahrungslevel haben. So rüsten wir unsere Karre nach und nach auf und klappern Mission nach Mission ab. Kleine Einschränkung: Wir können ein Bauteil eines bestimmten Levels erst einbauen, wenn unser Gesamtrang entsprechend hoch ist. Das soll die Motivation dauerhaft hoch halten, neue Missionen in Angriff zu nehmen.
Das hört sich alles zunächst ziemlich komplex an und tatsächlich erschlägt uns The Crew anfangs auch mit seinen Menüs, Auswahloptionen und Möglichkeiten - gerade Einsteiger dürften es hier schwer haben. Die zugrundliegende Geschichte ist dagegen fast schon lächerlich banal: In der Rolle eines aufstrebenden Fahrers geraten wir in die Auseinandersetzungen diverser Auto-Gangs, die (natürlich) auch der ein oder anderen kriminellen Machenschaft nachgehen. Dass das den meisten Spielern nur ein müdes Lächeln entlocken dürfte, ist Julian Gerighty bewusst: »Unsere Geschichte ist kein Shakespeare, aber sie hält das Spiel zusammen«.
Im Laufe der Story treffen wir in Zwischensequenzen verschiedene Charaktere, die uns nach und nach mit Perks versorgen. Zum Beispiel sammeln wir mit den Verbesserernmehr Erfahrungspunkte und leveln dementsprechend schneller auf. Wer sich diesen ganzen Stress schenken möchte und mehr oder weniger abkürzen will, dürfte in The Crew ebenfalls zum Zug kommen. In den Menüs entdecken wir nämlich eindeutige Hinweise auf ein Mikrotransaktions-System. Durch Echtgeldkäufe können im fertigen Spiel zum Beispiel einzelne Fahrzeugteile auch separat erworben werden.
Los geht's!
Rollenspielelemente hin oder, was kann The Crew denn fahrerisch? Das finden wir im Anschluss an die Präsentation heraus, als uns Gerighty endlich in die Weiten der USA entlässt. Wir starten im virtuellen Detroit und machen uns dort in einem Straßenrennen mit der Steuerung des Titels vertraut. Gegen sieben andere Kontrahenten heizen wir mit einem Chevrolet Camaro durch eine verwinkelte Hafenanlage.
Was uns direkt auffällt: Das Fahrverhalten ist etwas schwammig, das Heck des Fahrzeugs bricht sehr leicht aus. Das sorgt dafür, dass wir uns anfangs kaum auf das Rennen, sondern mehr um die Kontrolle unserer Karre kümmern müssen - schade! Cool dagegen: Auf der Strecke gibt es zahlreiche interaktive Elemente, zum Beispiel verladen riesige Kräne schwankende Container, denen wir reaktionsschnell ausweichen müssen.
Das klappt auch recht gut, wir gehen als Zweiter über die Ziellinie und verdienen unsere ersten Erfahrungspunkte. Danach setzen wir uns auf der Übersichtskarte einen Wegpunkt und fahren zur nächsten Mission, einem sogenannten Raid-Event. Hier müssen wir einen Truck innerhalb eines Zeitlimits so oft rammen, bis seine Energieleiste leer ist. Zunächst versuchen wir uns allein an der Aufgabe, scheitern bei der Hatz durch ein Küstengebiet aber knapp an der Zeit.
Anschließend probieren wir den Event mit sieben Koop-Spielern. Und mit unseren Mitstreitern haben wir den Truck in Nullkommanichts zerlegt. Als Belohnung sacken wir ein neues silbernes Motorteil ein, dass wir direkt in unsere Karre verpflanzen.
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