”Was dich nicht tötet, das macht dich stärker.” Mit diesem Motto stimmt uns das Sommercamp in The Quarry direkt auf den neuen Horrortrip vom Entwickler Supermassive Games ein. Der Spruch bezieht sich zwar eigentlich auf banale Dinge, wie zwei Monate lang ohne Smartphone auszukommen, für unsere neun jugendlichen Betreuer*innen wird er aber zur ironischen Wahrheit, als eine kleine Abschlussparty außer Kontrolle gerät – wie vom Entwicklerstudio gewohnt als interaktiver Film.
Nach den enttäuschenden Spielen der The Dark Pictures Anthology (Man of Medan, Little Hope, House of Ashes), will sich The Quarry wieder mehr ein Vorbild an dem Horror-Hit Until Dawn nehmen. Ob und wie gut das gelingt, haben wir unter angespanntem Herzklopfen für euch in unserem Test herausgefunden. Also auf geht’s nach Hackett’s Quarry, dem Sommercamp des Grauens.
Triggerwarnung: Gewalt, Blut und das Abtrennen von Körperteilen sind fester Bestandteil von The Quarry. Außerdem beinhaltet das Spiel nicht nur menschliche Widersacher, sondern auch monsterartige Gestalten.
Hinweis: Für den Test haben wir The Quarry im Singleplayer und Couch-Koop auf dem PC sowie auf der PS5 gespielt. Der Online-Multiplayer steht erst ab dem 8. Juli zur Verfügung und ließ sich demnach noch nicht ausprobieren.
Zum Einstand könnt ihr euch hier den Launch-Trailer von The Quarry ansehen:
Vorhersehbarer Horror, der trotzdem wirkt
Nach dem Prolog sieht die Ausgangssituation im Sommercamp noch harmlos aus: Die Kinder sind abgereist und unsere jugendlichen Betreuer*innen (zu denen wir gleich noch ausführlich kommen) stehen auch kurz vor der Heimfahrt. Wäre da nicht Jacob, der bei seinem Liebesleben noch schnell etwas nachhelfen will und kurzerhand die Rückreise verhindert. Was er nicht ahnt: In der Nacht beginnt eine ganz besondere Jagdsaison, die nicht nur menschliche Widersacher auf den Plan ruft..
Dass uns eine Nacht voller Angst, Blut und Tod in The Quarry erwartet, wird nicht nur durch das Survival-Horror-Genre klar, sondern auch durch die Anlehnung an Until Dawn, wobei die Geschichte von The Quarry gegenüber seinem Vorbild drei Nachteile hat:
Zum einen ist sie vorhersehbarer, da lauernde Gefahren beispielsweise durch Kameraperspektiven und schnelle Einblendungen angedeutet werden. Daraus resultiert wiederum ein geringerer Gruselfaktor. Aber keine Sorge: Durch den subtilen Horror werdet ihr trotzdem genug Anspannung verspüren. Das ändert aber nichts daran, dass The Quarry mit seinen Wendungen nicht das Niveau von Until Dawn erreicht.
Mehr und weniger relevante Entscheidungen
Die vorhersehbare Story gibt uns dafür die Möglichkeit, clever zu agieren und die bestmöglichen der insgesamt 186 Enden zu erleben. Ja, das klingt erstmal nach unglaublich viel, allerdings sind auch alle Enden mit eingerechnet, die nur minimale Unterschiede aufweisen. Erwartet daher lieber nur von den relevanten Entscheidungen, die uns vom Spiel mit dem Hinweis “Weg gewählt” angezeigt werden, starke Änderungen in der Geschichte.
Manchmal machen unsere Entscheidungen am Ende auch gar keinen Unterschied, was aber letztendlich daran liegt, dass uns das Spiel bewusst in eine Richtung lotsen will, um die Story entscheidend voranzubringen.
Trotzdem bietet uns The Quarry viel Potenzial für mehrere Spieldurchgänge, in denen wir mit unseren Entscheidungen herumexperimentieren können, was den Reiz der Spiele von Supermassive Games ausmacht.
Kein Griff in die Klischeekiste
Wer an das Vorbild Until Dawn denkt, denkt sicherlich sofort an die klischeehaften Charaktere mit ihren krude modellierten “Horrorzähnen”. The Quarry macht seinen Job mit den neun jugendlichen Betreuer*innen besser:
Die Teenager lassen sich nicht so einfach in Schubladen wie “der coole Sportler” stecken. Vielmehr scheint zwischen dem hormonellen Teenager-Gehabe immer wieder Menschlichkeit durch. Es gibt zwar nach wie vor Stereotypen wie die hübsche Vloggerin Emma, die aller Welt von ihrem Horrortrip berichten muss, aber in ruhigen Minuten fällt auch ihre Fassade und sie gibt sich zerbrechlich.
Dadurch, und weil sich das Spiel vor allem zu Beginn Zeit nimmt, uns die Charaktere besser vorzustellen, wachsen sie uns schnell ans Herz. Wir wollen bis zum Schluss, dass sie überleben, was das Spiel letztendlich aufregender macht. Anders als noch in Until Dawn, wo es durchaus die ein oder andere Person gab, die wir trotz allem gerne in den Tod rennen ließen – ja Emily, wir reden vor allem von dir!
Quick Time Events, die es nicht eilig haben
Wie bereits Until Dawn und die Dark Pictures Anthology spielt sich auch The Quarry wie ein interaktiver Film. In diesem Fall bedeutet das, dass wir die Geschichte mit vielen filmreifen Zwischensequenzen erleben, Hinweise und Tarotkarten sammeln, Entscheidungen treffen, bei Quick Time Events schnell reagieren und in brenzligen Situationen auch mal Schießen oder den Atem anhalten müssen.
Die Tutorial-Videos dazu sind übrigens ein kleines Highlight des Spiels, da sie uns mit einem besonderen Stil und unterschwelligem schwarzem Humor die Funktionen erklären:
Was besonders auffällt: Während das Zielen mit der Waffe in der Hektik etwas schwer fällt, sind die Quick Time Events nicht sonderlich anspruchsvoll. Sie beschränken sich auf das schnelle Drücken des A- bzw. X-Button und eine von vier Richtungen (hoch, runter, links, rechts) auf dem linken Stick, wobei bei Letzterem noch eine Zeitlupe aktiviert wird. Wenn wir zum Beispiel auf der Flucht einem Ast ausweichen müssen, können wir durch die verlangsamte Zeit recht entspannt den Stick nach unten bewegen, was leider etwas die Spannung rausnimmt.
Beim Erkunden setzt die Kamera meist auf feste Perspektiven. Das kann manchmal stören, allerdings wird die Spannung durch die eingeschränkte Freiheit wiederum erhöht, da wir nicht so einfach sehen können, was hinter der nächsten Ecke lauert.
Was uns besonders irritiert hat, ist die Foto-Funktion. Im Spiel lernen wir, wie wir mit dem Smartphone ein Foto schießen. Dass das hilfreich sein kann, wird uns sogar in einem der Tutorial-Videos erklärt, aber abgesehen von dem einen Foto wurde die Funktion nie wieder aufgegriffen. Supermassive hatte hier vermutlich mehr vor, es aber letztendlich aus dem Spiel gestrichen, was schade ist, da beispielsweise eine Beweissammlung durch Fotos noch mehr zum Erkunden motiviert hätte.
Darf ich dir die Karten legen?
Beim Erkunden stoßen wir nicht nur auf Hinweise wie ein Zirkusplakat, das uns zwar etwas, aber nicht zu viel zur Geschichte verrät, sondern auch auf Tarotkarten. Die funktionieren in etwa wie die Totems in Until Dawn und geben uns Einblick in eine mögliche Zukunft – womit wir beim Gegenpart des Psychiaters aus Until Dawn wären: der Tarotfrau.
Die mysteriöse Dame bietet uns ihre Dienste immer zwischen den Kapiteln an. Sofern wir Tarotkarten gefunden haben, gibt sie kryptische Erklärungen zu ihrem Besten. Das ist nicht wirklich hilfreich, anders hingegen die Vorhersagen. Bei jedem Besuch können wir uns zu einer Karte die mögliche Zukunft in ihre Kristallkugel voraussagen lassen. Anhand dieser können wir im entscheidenden Moment entsprechend handeln und vielleicht eine Katastrophe verhindern. Womit wir wieder beim clever Agieren wären.
Diese Modi gibt es in The Quarry
- Singleplayer: Ihr spielt alleine alle Betreuer*innen.
- Lokaler Multiplayer: Lokal können bis zu acht Spieler*innen zusammen spielen, wobei die Charaktere untereinander aufgeteilt werden.
- Online-Multiplayer: Ihr könnt die Story auch zusammen erleben, indem Freunde zugucken und bei wichtigen Entscheidungen mit abstimmen. Das geht aber leider nicht plattformübergreifend und auch nur innerhalb der gleichen Generation (z.B. PS4 mit PS4, PS5 mit PS5). Achtung! Dieser Modus wird erst am 8. Juli nachgereicht.
- Filmmodus: Hier erlebt ihr The Quarry wie einen Film, also ohne unnötige Gameplay-Passagen. Dabei könnt ihr einstellen, ob alle überleben oder sterben sollen. Falls ihr das Geschehen etwas beeinflussen wollt, könnt ich euch auch in den Regiestuhl setzen und für jeden Charakter festlegen, wie er oder sie sich in bestimmten Situationen verhalten soll.
Kleine Wiederaufstehmännchen
Dank der einfachen Quick Time Events erweisen sich unsere Charaktere als recht zähe Teenager. Wer hier mehr Anspruch sucht, wird leider enttäuscht, denn die Quick Time Events lassen sich im Menü lediglich noch zugänglicher statt fordernder einstellen, indem die Zeit für die QTEs beispielsweise verlängert wird.
Euer Liebling ist trotzdem gestorben? Macht nichts, zumindest wenn ihr das Death Rewind System nach dem ersten Durchgang oder direkt durch die Deluxe Edition freigeschaltet habt. Da schnelles Laden aufgrund der Speicherpunkte nichts bringt, um etwas rückgängig zu machen, können wir drei Mal den Tod einer Person ungeschehen machen. Entscheiden wir uns dafür, springt das Spiel an die für den Tod entscheidende Stelle zurück und wir können es von dort noch einmal versuchen. Das kann eine wirkliche Erleichterung sein, nimmt aber auch stark den Nervenkitzel raus. Ein Freifahrtschein sind die drei Leben trotzdem nicht, denn sie sind ja irgendwann aufgebraucht und gerade gegen Ende wird es kritisch. Vor diesem Dilemma standen wir zumindest in unserem Test.
So steht es um die Zugänglichkeit in The Quarry
The Quarry besitzt extra Einstellungen für mehr Barrierefreiheit. So können wir zum Beispiel Quick Time Events und das Luftanhalten vereinfachen und sogar automatisch erfolgreich ausführen lassen. Eine Zielhilfe und die Vereinfachung des wiederholten Drückens einer Taste sind ebenfalls dabei, genauso wie Farbenblindheits-Modi. Die Untertitel können wir zudem in mehreren Bereichen (u.a. Farbe, Größe, Hintergrund) anpassen, auch für Hörgeschädigte. Was dagegen leider fehlt, ist die individuelle Zuordnung der Tastenbelegung.
Kaum Horrorzähne, dafür aber Giraffenhälse
Auf PC und PS5 lief das Spiel soweit rund. Ganz ohne kleine Mängel kommt aber auch The Quarry nicht aus.
Allem voran die Bewegungs- bzw. Hintergrundunschärfe (Motion Blur): Die unterstreicht zwar den filmischen Stil, ist aber übertrieben und unsauber umgesetzt. Besonders unschön fällt das bei den Haaren der Charaktere auf, wenn sie vor einer Lichtquelle stehen. Hier klafft beispielsweise an Dylans Frisur eine Lücke:
Die Animationen der Charaktere wirken dagegen sehr natürlich, was stark zur Atmosphäre beiträgt, genauso wie die schöne Lichtstimmung. Allerdings hat die Mimik durchaus auch mal ihre Aussetzer. Die sind aber längst nicht so schlimm wie bei Until Dawn.
Bitte Lächeln: Im Vergleich dazu sehen die Zähne auch weitaus weniger gruselig aus. Supermassive Games scheint glücklicherweise den “Zahnarzt” gewechselt zu haben. Ganz natürlich sehen die Zahnmodelle zwar immer noch nicht aus, aber sie fielen uns im Spiel nie unnötig schrecklich auf.
Dafür scheinen unsere Teenager nun zu der sehr gelenkigen Sorte zu gehören. Beim intensiven Umsehen zogen sich die Hälse etwas gummiartig in Richtungen, die nicht möglich sein sollten. Das sieht für kurze Zeit sogar witzig aus, sollte so aber natürlich nicht sein.
Die deutsche Synchronisation ist anständig, aber nichts im Vergleich zur gelungeneren englischen Vertonung. Kein Wunder, sind im Original doch gestandene Schauspieler*innen wie Lance Henriksen, Lin Shaye oder David Arquette involviert. Zudem kommt es immer wieder mal vor, dass die Übersetzung nicht ganz lippensynchron ist.
Für wen lohnt sich The Quarry?
Wer Until Dawn mit seiner filmischen und damit spielerisch reduzierten Art mag, wir auch mit The Quarry seinen Spaß haben. Trotzdem sind 70 Euro eine Stange Geld, die sich zum Release wirklich nur lohnen, wenn man großer Fan der Spiele von Supermassive Games ist und durch mehrere Spieldurchläufe wirklich alles aus The Quarry herausholen will. Wer dagegen eher nach ein oder zwei Durchläufen mit jeweils gut zehn Stunden genug gesehen hat, sollte auf Rabatte warten.
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