Berührt, geführt
Jeder Zug will entsprechend wohlüberlegt sein, zumal wir ihn nicht wieder zurücknehmen dürfen. Der Computer nutzt jeden Fehler gnadenlos aus, erledigt etwa ungeschützte Fernkämpfer gern mal mit nur einem Hieb. Segnet ein Held das Zeitliche, dürfen wir ihn im nächsten Gefecht zwar wieder einsetzen, müssen aber je nach Schwere der Verletzung mit Werte-Abzügen leben. Also Spielstand laden und einen anderen Zug probieren? Denkste, gespeichert wird in The Banner Saga natürlich nur automatisch und zwischen den Kämpfen.
Hart? Oh ja. Frustrierend? Immer mal wieder. Aber auch gnadenlos spannend und vor allem stets nachvollziehbar. Denn anders als in vielen anderen Strategie- und Rollenspielen gibt es keinen Glücksfaktor. Ein Schlag mit Stärke 14 verursacht eben auch 14 Schadenspunkte. Wer trotzdem einen Feind mit Schildwert 12 angreift, der muss sich auch nicht wundern, dass der Gegner nur 2 Schadenspunkte kassiert und in der nächsten Runde knallhart zurückschlägt.
Man hat also nicht Pech gehabt, sondern schlichtweg einen Fehler gemacht. Und wird beim nächsten Gefecht ganz sicher wieder ein Stück schlauer sein. So entwickeln sich im Kampagnenverlauf mit zunehmender Helden- und Gegnervielfalt immer packendere Duelle, kein Gefecht gleicht dem anderen. Ein klein wenig Routine gibt's nur bei den Schlachtfeldern, die zwar viel optische Abwechslung liefern, aber ansonsten fast immer den gleichen Aufbau haben.
Eine Frage der Perspektive
Das alles können wir nach dem schwachen Tutorial freilich noch nicht ahnen, zumal wir gedanklich immer noch damit beschäftigt sind, die ganzen Namen, Begriffe und Kampfregeln zu sortieren. Die holprige deutsche Übersetzung verwirrt sogar mehr, als das sie hilft, weshalb Sprachkundige unbedingt auf Englisch spielen sollten. Nachdem Steuereintreiber Ubin die Siedlung »Strand« endlich wieder in Richtung Varl-Hauptstadt (und mit einer kampfstarken Armee im Gefolge) verlassen darf, ändert The Banner Saga urplötzlich die Perspektive und verfrachtet uns ans andere Ende der Welt in die Haut des menschlichen Rangers Rook, der auf der gemeinsamen Jagd mit Tochter Alette einem »Wüter« begegnet - offensichtlich ein Vorbote einer neuen Invasion. Rook, Alette und ihrem gesamten Dorf bleibt nur die Flucht.
Sowohl Varl-Armee als auch Menschen-Flüchtlinge begeben sich also auf eine Reise, inszeniert durch pixelgroße Karawanen, die automatisch durch wunderschön gezeichnete 2D-Panoramen ziehen. Wir dürfen lediglich eine Rast anordnen, was Verletzte heilt sowie die Moral und somit unsere Kampfwerte erhöht, aber natürlich auch Nahrungsmittel kostet. Und die sind gerade bei den Flüchtlingen äußerst knapp bemessen.
Der häufige Perspektivwechsel ist eine der großen Stärken von The Banner Saga, denn mit ihm ändert sich auch die Stimmung. Mit unserer Varl-Armee strotzen wir nur so vor Kraft und Ressourcen und setzten alles daran, der Invasion ein Ende zu setzen. Als Rook wollen wir dagegen nur fliehen, überleben und die uns Anvertrauten schützen.
Auch wenn die rund 15 Stunden lange Kampagne im Grunde nur aus der immer gleichen Abfolge von Schlacht, Karawanen-Wanderung, Dialog, Schlacht, Karawanen-Wanderung, Dialog besteht, fesselt uns The Banner Saga durchgehend. Denn wir können zwar nicht bestimmen, wo es weitergeht (auch wenn uns das Spiel manchmal etwas anderes suggeriert), aber dafür umso entscheidender, wie es weitergeht.
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