Streets of Rage 4 setzt auf PlayStation 4, Xbox One und Switch das fort, was Sega lange Jahre brachliegen ließ. Die (nicht nur) von Retro-Fans heißgeliebte Prügelspielreihe findet endlich eine Fortsetzung. Vielleicht ging es euch auch so wie mir, und ihr wart angesichts erster Screenshots und Trailer etwas irritiert vom Grafikstil.
Als großer Fan der Serie, der die alten Module immer wieder mal für ein paar Runden herauskramt, musste ich doch etwas schlucken: Statt des sehr japanischen Zeichenstils der Vorgänger präsentiert sich der vierte Teil in einem europäisch angehauchten Comic-/Cartoon-Stil, der zunächst so gar nicht zu Streets of Rage passen will.
Was aber auf den ersten Blick beinahe wie ein billiges Flash-Spiel anmutet, offenbart schon nach den ersten paar ausgeteilten Ingame-Schlägen den perfekt herübergeretteten Geist der Vorgänger. Wer sich mit den ersten drei Teilen auskennt, fühlt sich sofort heimisch.
Das haben wir gespielt: Unser Test basiert auf der PlayStation-4-Version von Streets of Rage 4, getestet auf einer PS4 Pro. Gespielt wurde hauptsächlich auf dem normalen Schwierigkeitsgrad.
Acht Fäuste gegen die Unterwelt
Streets of Rage 4 ist wie viele der scrollenden 90er-Jahre-Prügler im Grunde eine simple Angelegenheit: Ihr sucht euch einen Charakter aus, um von links nach rechts durch die Levels wandernd böses Gesindel zu verdreschen. Das kann schnell langweilig werden, wenn der Entwickler nicht für Abwechslung und Überraschungen sorgt.
Ganz der Tradition entsprechend schickt euch der vierte Teil auf der Jagd nach dem missratenen Nachwuchs von Serienbösewicht Mr. X durch zwölf thematisch unterschiedliche Levels, die nicht zu kurz und nicht zu lang sind. Einige davon sind mit umgebungsspezifischen Fallen gespickt, etwa Giftwolken sprühende Ventile in der Kanalisation, und immer wieder erwarten euch zusätzlich zur generischen Handlangerauswahl neue Gegnertypen. So trefft ihr beispielsweise in Chinatown auf Kampfsportmeister und müsst euch im Bürogebäude mit breitschultrigen Bodyguards herumplagen, die fieserweise schon mal ihre Kanone ziehen.
Jede der vier zu Beginn auswählbaren Figuren spielt sich ein wenig anders. So ist Axel Stone ein guter Allrounder, mit dem auch Einsteiger schnell zurechtkommen. Die zierliche Cherry Hunter kompensiert schwächere Angriffe mit Agilität. Blaze Fielding liegt irgendwo dazwischen, und Floyd Iraia ist der langsame, aber dafür unglaublich starke Tank der Truppe. Im Lauf des Spiels schaltet ihr zudem noch Adam Hunter, der zusammen mit Axel und Blaze das Heldentrio des ersten Teils bildete, sowie weitere klassische Figuren frei.
Prügeln will gelernt sein
Das Spiel führt euch angenehm an seine Prügelmechaniken heran. Durch die ersten Abschnitte kommt ihr noch, indem ihr einfach draufloskloppt. Dann werden die Gegner zahlreicher, ihr experimentiert mit Combos - ich musste schon etwas stolz grinsen, als ich meine erste 50er-Combo schaffte. Dazu kommen Special-Moves wie Axels Flammenschlag sowie die Möglichkeit, Gegnern besonders viel Energie abzuziehen, wenn ihr dafür etwas eigene Gesundheit opfert.
Und spätestens wenn ihr beim Bossgegner angekommen seid, der euch die Qualle aus dem Drömel prügelt, werdet ihr neugierig, was es mit den ominösen Sternen auf sich hat, die unter eurer Lebensleiste blinken. Das sind Super-Moves, die gleich mehrere Gegner auf einmal treffen. Kenner erinnern sich in diesem Zusammenhang an den ersten Teil, in dem ihr ein Polizeiauto zu Hilfe rufen konntet, das einen Flammenregen auf umstehende Gegner ballerte.
Doch auch die Bosse haben Super-Moves, und eine Polizistin, gegen die ihr antretet, haut euch genau dieses Polizeiauto aus dem ersten Teil um die Ohren. Die gute alte Peitschen-Lady ruft hingegen Handlanger herbei und putscht sie mit … na klar, mit Peitschenhieben auf.
Je weiter ihr im Spiel kommt, desto anspruchsvoller werden die Gegner - ab und zu werdet ihr auf normale Gegner treffen, die zuvor noch Zwischenbosse waren, gegen die ihr euch zuvor mit Ach und Krach behaupten konntet und die nun im Rudel auftreten. Wer hier also nicht ständig lernt und seine Kampftaktik anpasst, wird früher oder später scheitern.
Seht ihr mit den normalerweise zwei Leben (auf dem normalen Schwierigkeitsgrad) kein Land, greift euch das Spiel helfend unter die Arme: Opfert ihr eine gewisse Prozentzahl eurer Punkte, könnt ihr das Level nach einem Continue mit bis zu drei Leben und zusätzlichen Sternen erneut starten. Auch die Spielfigur dürft ihr vor jeder Runde wechseln, wenn ihr möchtet.
Zu viert auf der Couch
Halten wir fest: Streets of Rage 4 ist ein äußerst spaßiges Spiel, das nicht unfair wird und euch auch nicht mit Funktionen überfordert. Noch spaßiger wird das Geprügel aber, wenn ihr einen Gleichgesinnten - oder gar drei - für den zünftigen Couch-Koop wie in guten alten 16-Bit-Tagen vor den Fernseher zerrt. Erst in diesem Oldschool-Multiplayer blüht das Spiel genretypisch zu voller Stärke auf. Zur Not (oder wie aktuell bei Kontaktverbot) könnt ihr aber auch auf den Online-Modus ausweichen.
Die eingangs erwähnte Optik des Spiels könnte einige Spieler verschrecken, doch ihr solltet Streets of Rage 4 unbedingt eine Chance geben, wenn ihr auch nur ein Fünkchen Liebe für Brawler alter Schule in euch tragt. Zur Not dürft ihr im Optionsmenü mit den Grafikeinstellungen herumspielen, um etwa einen verpixelten Look zu erhalten, der zwar kein Ersatz für die Bildschirmkunst aus Segas 16-Bit-Zeit ist, aber euch vielleicht etwas über den Cartoon-Stil hinweghilft.
Dazu könnt ihr auch die Originalmusik der Klassiker aktivieren. Die neuen Stücke orientieren sich zwar daran, können aber nicht ganz an die Klasse eines Yuzo Koshiro heranreichen, der die Originalspiele vertonte und für den vierten Teil immerhin zwei Tracks beisteuerte. Doch auch wenn ihr die Originaltrilogie nicht kennt und euch all das Retrogequatsche nicht die Bohne interessiert, solltet ihr Streets of Rage 4 eine Chance geben. Es spielt sich wie der Rest der Reihe zeitlos gut und macht einfach Spaß.
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