Update 25. April: Inzwischen wurde der New Game Plus-Modus nachgepatcht, der uns in der Review-Version noch nicht vorlag. Wir haben den Wertungskasten entsprechend angepasst.
Wenn es im Vorfeld eines Spiele-Releases um alles außer das eigentliche Spiel geht, ist das selten ein gutes Zeichen. Bei Stellar Blade sorgte vorab vor allem die sexualisierte Darstellung der Hauptfigur für Diskussionen, während eher unklar blieb, was der Titel eigentlich bieten möchte.
Dementsprechend vorsichtig war unsere Erwartungshaltung, auch wenn die vor wenigen Wochen veröffentlichte Demo spaßige Action geboten hat. Jetzt hatten wir die Möglichkeit, das PS5-Exclusive ausführlich zu spielen und können zumindest teilweise Entwarnung geben.
Die Darstellung wird zwar sicherlich auch weiterhin ein Streitthema bleiben, abseits davon bietet Shift Up aber einen durchweg unterhaltsamen und technisch ansprechenden Singleplayer-Trip für alle Fans von kurzweiliger Sci-Fi-Action.
Ein Mix aus Blade Runner und Ghost in the Shell
Stellar Blade spielt in einer fernen Zukunft, in der die Menschheit die Erde verlassen hat, weil es dort vor grausamen und aggressiven Wesen, den sogenannten Naytibas, wimmelt. Der Planet wurde dabei aber nicht gänzlich aufgegeben und Mother Sphere, quasi die neue Heimat unserer Spezies, schickt immer wieder Landungstrupps, um die Naytiba zu vertreiben und den blauen Planeten zurückzuerobern.
EVE, die Hauptfigur des Spiels, ist Teil eines solchen Landungstrupps. Die ersten Minuten auf dem Heimatplaneten hatte sie sich allerdings anders vorgestellt, ihr gesamter Trupp wird nämlich ausgelöscht und auch sie schafft es nur mithilfe eines mysteriösen Unbekannten namens Adam, dem Schicksal ihrer Kameradinnen zu entgehen.
In der Folge nimmt EVE mit der Hilfe von Adam und weiteren Überlebenden ihre Mission wieder auf und es entspinnt sich eine, je nach Spielweise, 15-25 Stunden lange Geschichte, in der es um Themen wie Menschlichkeit, KI und Evolution geht und die unterschiedliche Enden bietet. Die Handlung und die Welt werden in gut vertonten Zwischensequenzen und Gesprächen und überall auffindbaren Texten erzählt.
Da das meiste auch für EVE neu ist, lernen wir die Welt und ihre Geschichte so zusammen mit der Protagonistin kennen. Die Story weiß dabei durchaus zu unterhalten, ist an einigen Stellen aber sehr vorhersehbar und auch die Figuren bleiben allesamt bis zum Ende eher blass. Zudem fühlen sich gerade die ersten Stunden des Spiels etwas schleppend an. Glücklicherweise liegt der Fokus des Spiels aber sowieso auf den actionreichen Kämpfen.
Sexualisierte Darstellung als Fanservice:
Die Darstellung besonders der weiblichen Charaktere erhitzte vorab die Gemüter und ist definitiv eine Erwähnung wert. Im Grunde bekommen wir nur zwei Arten von Frauen in Stellar Blade zu sehen: Supermodels mit fast schon unerreichbaren Maßen wie Protagonistin EVE und junge Frauen, die sehr mädchenhaft und unschuldig dargestellt werden.
Die Kostüme sind allesamt sehr eng oder kurz und bestimmte Körperteile wie die Brüste wirken wie Wackelpudding und hüpfen bei jeder Bewegung wild herum. Auch die freischaltbaren Outfits von EVE überlassen nur wenig der Fantasie.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass sich Schönheitsideale von Kultur zu Kultur stark unterscheiden und der makellose, fast schon püppchenhafte Look typisch süd-koreanischen Schönheitsidealen entspricht. Auch viele japanische Rollenspiele sind in dieser Hinsicht einfach anders gestaltet, als es in Europa oder den USA der Fall ist. Ob das gefällt, ist letztlich jede*m selbst überlassen.
Schade ist allerdings, dass Stellar Blade die Darstellung selbst überhaupt nicht thematisiert. Gerade dadurch wirkt das Aussehen der Körper teilweise nochmal befremdlicher und lenkt den Fokus in ernsten Szenen ab. Anders als etwa Bayonetta bleibt EVE so blass und wirkt eben mehr wie eine Puppe und weniger wie eine echte Person.
Gelungenes Genre-Potpourri
Und von diesen Kämpfen gibt es in Stellar Blade jede Menge. Mit einigen wenigen Ausnahmen seid ihr im Spiel alleine unterwegs. Eine kleine Drohne leistet euch dabei Gesellschaft, greift aber nicht aktiv ins Geschehen ein.
Beim Aufbau der Level und den Kämpfen ist ein Vorbild der Entwickler*innen klar erkennbar: Die meisten Umgebungen funktionieren nämlich ähnlich wie in den Soulsspielen. Ihr folgt vergleichsweise schlauchigen Levels, erledigt allerlei Monster und tankt an Lagern Gesundheit und Heilmittel wieder auf, wodurch Gegner allerdings respawnen.
Es gibt auch freischaltbare Abkürzungen, mit denen ihr euch später einige Wege sparen könnt. Auch die Kämpfe selbst orientieren sich an der erfolgreichen FromSoftware-Formel.
Nur selten stellen sich euch gleichzeitig mehr als drei oder vier Feinde in den Weg, die allermeisten Auseinandersetzungen finden gar als Duell eins gegen eins statt. Ihr müsst im richtigen Moment ausweichen oder parieren und reiht leichte und schwere Angriffe zu Kombos aneinander. Dadurch ladet ihr verschiedene Spezialfähigkeiten auf, mit denen ihr dann noch mehr Schaden austeilen könnt.
Gerade bei den abwechslungsreich gestalteten Bossen ist es wichtig, Angriffsmuster zu studieren und den richtigen Moment zum Gegenschlag abzupassen. Hier werden eure Fähigkeiten am Gamepad auf die Probe gestellt und ihr müsst das gesamte Repertoire an Fähigkeiten auf dem Kasten haben.
Bestimmte Angriffe werden etwa farblich hervorgehoben: Bei blauen Angriffen müsst ihr nach einer kurzen Verzögerung nach hinten ausweichen, bei lilanen nach vorne.
Souls-Verweigerer müssen sich aber dennoch keine Sorgen machen. Stellar Blade ist bei weitem nicht so schwierig und unverzeihlich wie die Action-RPGs von FromSoftware oder Team Ninja. Ihr verliert keine Seelen, wenn ihr scheitert, den Schwierigkeitsgrad könnt ihr anpassen und das Timing in den Kämpfen lässt ausreichend Spielraum für Fehler.
Mit der Zeit kommen weitere Mechaniken wie Fernkampfwaffen hinzu, die ihr, wie alle anderen Skills auch, über einen Skilltree mit verdienten XP verbessern könnt. Auch der Scan der Drohne und EVEs Grundwerte lassen sich aufleveln. Gerade später, wenn ihr schon viele Fähigkeiten freigespielt und verbessert habt, sollten euch die meisten Kämpfe wenig Probleme bereiten.
Hier helfen nicht zuletzt die Nebenmissionen, die ihr in der Überlebenden-Stadt Xion – eurer Basis im Spiel – annehmen und erledigen könnt. Von hier aus reist ihr auch in die beiden größeren, offenen Gebiete im Spiel, in denen Gegner und Aufgaben, aber glücklicherweise sonst nur wenig Beschäftigungstherapie auf euch warten.
Das reine Kampf-Gameplay wird im Verlauf des Spiels zudem immer wieder aufgebrochen. Ihr müsst regelmäßig kleine Jump&Run-Passagen bewältigen und das ein oder andere Umgebungsrätsel lösen. Hier gilt es etwa, einen Code anhand von Hinweisen in der Spielwelt herauszufinden.
Teilweise gibt es sogar Survival-Horror-Abschnitte, die ein wenig an Dead Space erinnern. Nichts davon ist für sich spielerisch herausragend und vieles wird einfach über Quick-Time-Events gelöst, in der Summe sorgen sie aber für eine angenehme Abwechslung.
Accessibility-Features:
Stellar Blade bietet eine ganze Reihe von Barrierefreiheits-Optionen. Zum Start stehen zwei Schwierigkeitsgrade zur Auswahl.
Der Story-Modus ist dabei aber, anders als in anderen Titeln, nicht komplett trivial. Ihr müsst trotzdem schnell ausweichen und blocken, auch wenn die Zeitspannen etwas erhöht sind. Dafür könnt ihr euch aber die richtigen Tasten anzeigen lassen, was die Kämpfe ein ganzes Stück einfacher macht. Nach dem Abschluss der Handlung schaltet ihr einen schweren Schwierigkeitsgrad frei.
Quick-Time-Events können zudem komplett ausgeschaltet und Gegenstände automatisch eingesammelt werden. Auch verschiedene Farbenblindheit-Modi stehen zur Auswahl. Die Sprache von Text und Ton kann unabhängig voneinander eingestellt werden, ihr könnt also auf Wunsch mit deutschen Texten und englischer oder japanischer Synchro spielen.
Wunderschöne Sci-Fi-Welt
Falls ihr vorab schon Material gesehen oder die Screenshots hier im Artikel beachtet habt, dürfte euch aufgefallen sein, dass Stellar Blade optisch richtig schick aussieht. Das zieht sich glücklicherweise durch das ganze Spiel und auch abseits davon ist die Technik einwandfrei.
Das Spiel läuft in allen drei Grafikmodi flüssig, wegen der schnellen Action haben wir uns aber vor allem für den Leistungs-Modus entschieden. Die Umgebungen sind detailliert gestaltet, das Gegnerdesign ist abwechslungsreich und bietet immer wieder coole Überraschungen. Während die Umgebungen zu Beginn vor allem von Braun- und Grau-Tönen dominiert werden, gibt es später im Spiel mehr optische Abwechslung und ein paar erinnerungswürdige Momente und Panoramen.
Die Vertonung ist sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch absolut gelungen und der Soundtrack untermalt das Geschehen unaufdringlich, aber doch passend.
Einzig die oben angesprochene Darstellung der Charaktere fällt manchmal störend auf. Wenn in eigentlich emotionalen Szenen andauernd tiefe Ausschnitte oder wackelnde Körperpartien im Fokus stehen, wirkt das einfach merkwürdig und nimmt dem Geschehen an Wucht und Ernsthaftigkeit.
Gut kopiert, aber eben nichts erfunden
Abschließend lässt sich festhalten, dass Shift Up mit Stellar Blade ein durchaus gelungenes Konsolen-Debüt hinlegt. Die Entwickler*innen versuchen dabei gar nicht erst zu verheimlichen, dass etwa die FromSoftware-Spiele oder auch ganz besonders NieR: Automata als Vorbild gedient haben.
Wer in den letzten zehn Jahren Action-Spiele und -RPGs gespielt hat, wird viele Mechaniken und Ideen wiedererkennen, auch wenn sie hier etwas anders genutzt oder umgesetzt werden. Was dem Spiel letztlich zum ganz großen Wurf fehlt, sind wirklich eigene Ideen oder Ansätze.
Es ist völlig legitim, erfolgreichen und beliebten Spielen nachzueifern, man muss sich dann aber eben auch den Vergleich mit diesen Titel gefallen lassen. Dabei fällt dann doch auf, dass Stellar Blade und Shift Up (noch) nicht auf dem Level etablierter Reihen und Studios agieren.
Die Story bedient sich reichlich bei den Größen des Genres, die kleinen Rätsel wiederholen sich schnell und sind anspruchslos gestaltet, Actionszenen werden fast ausschließlich über (zum Glück abschaltbare) Quick-Time-Events aufgezogen und manche Mechaniken laufen komplett ins Leere:
Ihr müsst nach ein paar Stunden beispielsweise eine Entscheidung treffen – die hat aber überhaupt keine Auswirkungen und bis zum Finale gibt es auch keine weiteren Entscheidungen. Das Freischalten der Abkürzungen ist nett, aber eigentlich kaum nötig, da es nur selten einen Grund gibt, bereits abgeschlossene Bereiche erneut aufzusuchen.
Nichts davon ist wirklich störend, insgesamt ergibt sich aber der Eindruck, dass während der Entwicklung verschiedene Ideen aufgegriffen, angefangen und wieder verworfen wurden, wodurch letztlich der rote Faden etwas flöten geht. Ausreichend Entwicklungspotenzial für einen möglichen Nachfolger ist aber gegeben.
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