Die Hazelight Studios haben zwar erst zwei Spiele veröffentlicht, sich damit aber bereits einen klangvollen Namen als Erfinder*innen famoser Koop-Titel gemacht. Mit It Takes Two lieferte das Studio im Jahr 2021 gar ein echtes GOTY-Meisterwerk des Genres ab, das nun allerdings auch das dritte Spiel von Hazelight – Split Fiction – ganz schön unter Druck setzt.
Denn viele erhoffen sich aufgrund der enormen Qualität des Quasi-Vorgängers nun den nächsten, ganz großen Wurf. Die Erwartungen sind enorm. Wir haben Split Fiction für diesen Test komplett durchgespielt und sind der Meinung, dass es trotz vieler Ähnlichkeiten zwar nicht ganz die Klasse von It Takes Two erreicht – allerdings auch nicht weit davon entfernt ist.
Triggerwarnung: Der folgende Absatz enthält leichte Spoiler
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Die Geschichte von Split Fiction behandelt auch Themen wie Kindheitstraumata, schwerwiegende Krankheiten und Tode im engsten Familienkreis.
Zusammen gefangen
Aber der Reihe nach – worum geht es hier überhaupt? Im Mittelpunkt der Geschichte von Split Fiction stehen die beiden Autorinnen Mio und Zoe. Mio hat ein Faible für Science Fiction-Geschichten, während Zoe lieber Fantasy-Romane schreibt. Beide laufen sich beim Verlag Rader Publishing erstmals über den Weg.
Das Unternehmen hat eine Maschine entwickelt, mit der Geschichten per Simulation angeblich noch besser erlebbar werden sollen, indem man sich in ihnen – wortwörtlich – wiederfindet. Aufzeichnungen dieser Simulationen sollen dann direkt als Werke veröffentlicht werden.
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Split Fiction ist schon jetzt eines der besten Spiele des Jahres!
Dieser vielversprechend klingende Vorgang läuft allerdings alles andere als geplant und die beiden Frauen werden nach einem Zwischenfall nicht einzeln, sondern gemeinsam in ihre erdachten Welten transportiert.
Da sich der CEO von Rader rasch als ziemlicher Unsympath herausstellt, der nichts Gutes im Schilde führt, wird schnell klar, wohin die Reise in der Geschichte (bzw. den Geschichten) von Split Fiction geht.
Mio und Zoe sind dabei recht nahbare, wenn auch etwas klischeebehaftete Charaktere. Mio nimmt dabei den Part des notorisch schlecht gelaunten Miesepeters ein, während Zoe vor positiver Energie nur so sprudelt.
Trotz anfänglicher Abneigungen und charakterlich großer Unterschiede finden die beiden im Laufe des Spiels immer mehr zusammen. Dabei erfahren wir auch mehr über die Hinter- und Beweggründe der beiden Frauen und die gemeinsame Reise der beiden wird auch eine Reise zu sich selbst.
Zur Technik: Hattet ihr Probleme beim Zocken?
Hier können wir uns kurz fassen. Die von uns getestete PS5-Version ist in einem technisch einwandfreien Zustand. Weder sind wir über Bugs gestolpert, noch haben eine zu niedrige Auflösung oder eine instabile Framerate auf den Spielspaß gedrückt. Hazelight setzt wie bereits bei It Takes Two sowohl auf PS5 als auch auf Xbox Series X/S auf lediglich einen Grafik-Modus, der allerdings mit 60 fps daherkommt.
Optisch bekommt ihr ein durchweg stimmiges Spiel, das samt zeitgemäßen (Gesichts-)Animationen mitunter richtig schick aussieht.
Nich immer leicht verdaulich
Split Fiction erzählt diese Reise oft humorvoll, teilweise aber auch überraschend tiefgründig und berührend, wenn Mio beispielsweise von ihrem erkrankten Vater spricht. Hazelight schreckt wie schon bei It Takes Two nicht davor zurück, auch unangenehme und nicht leicht verdauliche Themen zu verarbeiten.
Das kontrastiert zeitweise stark zum locker-fluffigen Gameplay und der generell fröhlichen Anmutung des Spiels, macht es aber gerade dadurch auch entsprechend eindrücklich. Ob das "passt", muss jeder für sich selbst entscheiden, uns hat diese Facette der Split Fiction-Story aber gut gefallen.
Genauso übrigens wie die Art, wie Hazelight die Geschichte und das Gameplay in einem Koop-Spiel unter einen Hut bringt. Unterwegs sprechen Mio und Zoe zwar viel und ausführlich miteinander, wichtige Dialoge und Entwicklungen werden aber in Zwischensequenzen präsentiert, weswegen es auch im Koop-Überschwang sehr leicht ist, der Geschichte zu folgen.
Erwartet hier in jedem Fall keine wendungsreiche Handlung, die wesentlich stärkere Triebfeder ist wie schon in It Takes Two das Gameplay selbst. Und hier verlässt sich Split Fiction grundsätzlich auf die Tugenden – und Stärken – seines indirekten Vorgängers.
So wird im Koop gespielt
Gespielt wird stets zu zweit und zwar entweder im lokalen Koop-Modus oder mit der Freund*in via Internet. Dank einem kostenlosen Freunde-Pass müsst ihr Split Fiction übrigens nur einmal kaufen. Achja, Crossplay zwischen PS5, Xbox Series X/S und PC wird auch unterstützt.
Zu Beginn des Abenteuer entscheidet ihr euch entweder für Mio oder Zoe, könnt die Rollen aber beim Laden des Spielstands stets neu verteilen und müsst euch so nicht für eine der beiden Autorinnen bis zum Abspann festlegen. Gezockt wird dann meist im Splitscreen. Bei manch Rätsel oder gemeinsamer Aktion verschmelzen die Bildschirme jedoch.
Split Fiction ist Abwechslung pur
Wenn wir hier von Tugenden sprechen, ist einmal mehr das kreative Gameplay-Feuerwerk gemeint, das Hazelight über 15 Spielstunden beziehungsweise acht Story-Kapitel abfeuert. Zwar besteht der Kern des Third-Person-Adventures aus recht linearen Leveln, durch die wir rennen, hüpfen und uns mit dem Enterhaken über Abgründe schwingen – was mit dem Controller übrigens hervorragend geschmeidig und intuitiv funktioniert.
Dank zahlreicher Gadgets und Helferlein für Mio und Zoe, die wir in den verschiedenen Geschichten an die Hand bekommen, nutzt sich der Gameplay-Loop jedoch nicht so schnell ab. Ballern wir uns noch in der einen Stunde mit Plasmakanonen durch eine Raumstation, fliegen wir wenige Momente später auf dem Rücken eines Drachen über eine eingestürzte Brücke.
Für noch mehr Abwechslung sorgen die zahlreichen Genre-Wechsel. Wenn sich Split Fiction plötzlich in ein Pinball-Spiel verwandelt, wir wie im PS2-Klassiker SSX mit Snowboards einen Berg runter brettern oder sich der nächste Abschnitt wie ein 2D-Jump&Run spielt, dann ist das ganz fantastisch. Gemeinsam seicht gerätselt wird natürlich auch.
An der Stelle sei übrigens angemerkt, dass ihr in keinem der Genre große Erfahrung benötigt. Packt ihr euch wie Dennis im GamePro-Test bei der rasanten Pistenabfahrt gut und gerne zehnmal auf den Bobbes, helfen überaus faire Rücksetzpunkte selbst beim Ableben fix wieder auf die Beine.
Bei all der Abwechslung kommt es auf dem Weg durch die Level stets auf das gemeinsame Spielen an. Ohne gute Absprachen im Team winkt der schnelle Tod, der wie oben erwähnt jedoch kein echtes Problem darstellt. Vielmehr ist es stets ein Riesenspaß, wenn die Partner*in das Timing verbaselt, die rettende Plattform zu spät aus der Wand sprießt und die Sprungpassage im letzten Moment in die Hose geht.
Alles super beim Gameplay, oder wie?
Nicht ganz und zugegeben haben wir im direkten Vergleich zu It Takes Two sogar etwas mehr zu kritteln.
Das Split Fiction gut 3 Stunden länger dauert als sein geistiger Vorgänger, hat nämlich nicht nur sein Gutes. Einige Kapitel fühlen sich unnötig gestreckt an. Wenn wir einen Drachen beispielsweise 15 Minuten durchs Level jagen und zuvor schon so manch andere Verfolgungsjagd gemeistert haben, dann trägt das nicht automatisch zu mehr Spielspaß bei. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen.
Optionen für mehr Barrierefreiheit
Zwar bietet Split Fiction keine klassischen Schwierigkeitsgrade, jedoch eine sehr gute Alternative. So könnt ihr optional den erlittenen Kampfschaden für Mio und Zoe individuell einstellen. Darüber hinaus könnt ihr in den Einstellungen unter anderem folgende Barrierefreiheits-Optionen auswählen:
- freie Tastenbelegung
- Tauschen des linken und rechten Analog-Sticks
- schnelles Drücken automatisieren
- Hilfe beim Schwenken der Kamera
- Untertitel und Untertitel-Hintergrund
- Nachtmodus: Bei niedriger Lautstärke sind leise Geräusche besonders klar zu hören
Leichte Abnutzungserscheinungen haben wir zudem bei den Schauplätzen verspürt. Zwar ist der Mix aus Sci-Fi- und Fantasy-Welten per se nicht schlecht. Gerade im Vergleich zum unverbrauchteren Schrumpfwelt-Setting von It Takes Two fühlt sich der Lauf über Raumstationen oder durch das verzauberte Schloss nahezu gewöhnlich an. Hier gelingt es Hazelight nur selten, mit frischen, optischen Anreizen zu punkten.
Split Fiction setzt übrigens abseits der Hauptwege auf zwölf gut zehnminütige Nebengeschichten und weniger auf die vielen kompetitiven Minispiele aus It Takes Two. Die Nebengeschichten glänzen mit einigen der coolsten Passagen im Spiel und da ihr sie aufgrund der Linearität der Kapitel kaum verpassen könnt, springt unbedingt in die weiß wabernden Blasen. Wir wollen hier nicht zu viel verraten: Aber es lohnt sich!
Keine 90er Wertung wie bei It Takes Two: Daran liegt’s!
Nachdem Split Fiction von uns sehr viel Lob eingeheimst hat und die Kritikpunkte verhältnismäßig gering ausfallen, gibt es an dieser Stelle noch einmal eine kleine Einordnung. Warum ist Split Fiction für uns nicht so gut wie It Takes Two?
Neben offensichtlichen Problemen wie dem Pacing und dem Punkt, dass die "Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft"-Thematik im Vergleich zum Mix aus Sci-Fi und Fantasy doch mehr Abwechslung bietet, spielt ein Punkt eine wichtige Rolle: unsere Erfahrung mit Spielen von Hazelight und speziell It Takes Two.
Split Fiction erfindet die Koop-Formel nicht neu und ähnelt vom reinen Aufbau und teils auch in seinen magischen Momenten seinem geistigen Vorgänger. Haben uns die wilden Genre-Wechsel vor knapp vier Jahren noch einen "WTF"-Moment nach dem anderen beschert, blieb das Überraschungsmoment jetzt öfter aus.
Das ist natürlich eine sehr subjektive Wahrnehmung und soll auch bei Weitem nicht als Vorwurf an Hazelight verstanden werden. Ist Split Fiction euer erstes Koop-Abenteuer dieser Art, dann könnt ihr gut und gerne noch ein paar Pünktchen auf die Wertung obendrauf packen. Für viele aus der GamePro-Community, die so viel Spaß mit It Takes Two hatten wie wir, soll der Punkt jedoch nicht unerwähnt bleiben.
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