South Park: Der Stab der Wahrheit ist der beste Beweis dafür, dass man mit einfachen Mittel viel erreichen kann - genau wie South Park selbst. Auf den ersten Fernsehblick wirkt die Zeichentrickserie mit ihrer Scherenschnitt-Optik und ihren billigen Effekten wie eine Bastelübung betrunkener Krabbelgruppen-Betreuer. Besser noch: betrunkener und perverser Krabbelgruppen-Betreuer, denn inhaltlich dominieren hier widerwärtige Körperflüssigkeitsfontänen, Fluch- und Furzfestivals sowie Holzhammer-Attacken auf Minderheiten, Religionen und allerlei Persönlichkeiten.
South Park spuckt Moralaposteln nicht ins Gesicht, es erbricht sich mittenrein. In der radikalen Simpelschale steckt jedoch ein überraschend tiefgründiger Humorkern, South Park ist nämlich auch und vor allem zynisch-bissige Gesellschaftskritik, nur eben nicht nahe an der Schmerzgrenze, sondern so weit darüber hinaus, dass man's als Grenzposten nur noch durch den Feldstecher am Horizont verschwinden sieht.
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Der Erfolg gibt den Machern Matt Stone und Trey Parker Recht, 17 TV-Staffeln und einen Kinofilm hat South Park bislang hervorgebracht. Nun folgt mit Der Stab der Wahrheit ein weiterer Versuch, diese Faszination in ein Spiel zu verpflanzen. Bislang ging das stets so gründlich schief, dass neben den Ergebnissen selbst Ride to Hell: Retribution wie der heilige Gral der Programmierkunst funkelt. Na ja, zumindest fast. Mit Schaudern erinnern wir uns an den Schrott-Shooter South Park von 1999 oder das ein Jahr jüngere, aber nicht minder miserable Möchtegern-Mario Kart namens South Park Rally.
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Diesmal allerdings, diesmal soll alles besser werden. Nicht umsonst heuerte der inzwischen insolvente Hersteller THQ für das neue South-Park-Rollenspiel das renommierte Studio Obsidian an, das Knights of the Old Republic 2 sowie Fallout: New Vegas entwickelt hat. Nicht umsonst verschob der neue Publisher Ubisoft nach der THQ-Pleite und dem Rechtekauf das Spiel nochmals um mehrere Monate, um ihm den nötigen Feindschliff zu verpassen.
Und ja, das hat geholfen. Denn auch wenn South Park: Der Stab der Wahrheit weder technisch noch spielerisch Bäume ausreißt, ist es - so viel vorneweg - eine würdige Umsetzung des Brachial-Cartoons, es ist tatsächlich die Rollenspiel gewordene TV-Episode. Und damit eben der beste Beweis dafür, dass man mit einfachen Mitteln viel erreichen kann. Vor allem viel Lachen.
Das! Ist! South Park!
Der Stab der Wahrheitbeginnt mit einem Filmchen, gesprochen von Eric Cartman höchstpersönlich. Der wohlgerundete Satansbraten und selbsternannte Magierkönig berichtet von einer Fantasy-Schlacht zwischen Menschen und Dunkelelfen. Die kämpfen um den titelgebenden Zauberstab, der seinem Träger die Kontrolle über das Universum verleiht. Cartman sucht nun nach dem Auserwählten, der alles zum Guten wenden soll. Natürlich meint er damit unseren Helden, und natürlich ist der Fantasy-Klamauk nur ein Kinderspiel und der Stab der Wahrheit ein Stöckchen.
Doch wie schon die entsprechenden TV-Folgen zum Thema Herr der Ringe und Game of Thrones inszeniert Der Stab der Wahrheit die Fantasy-Kulisse stimmig und absolut großartig: Da residiert Cartman mit seinem Gefolge in der Gartenburg Kupa Keep (wobei die Initialen »Kupa Keep Kingdom« nicht zufällig denen des Ku Klux Klan entsprechen), da betreibt der polio-gelähmte Jimmy in seinem Elternhaus die düstere Taverne »Zum Kichernden Esel« (pst, Herr der Ringe lässt grüßen!), da tobt eine apokalyptische Schlacht in den spindgesäumten Gängen der Grundschule.
Die Fantasy-Geschichte entwickelt im Spielverlauf selbstredend eine absurde Eigendynamik mit Hang zur Katastrophe, wie in jeder guten Fernsehfolge dreht die Handlung immer weiter ab. Details wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, nur so viel: Es hat sich offensichtlich gelohnt, dass Obsidian eng mit den Serienvätern Matt Stone und Trey Parker zusammengearbeitet hat. Denn auch wenn der eigentliche Spielablauf samt -mechanik stets gleich bleibt, haben die Entwickler stets aufs Neue originelle Ideen ausgeheckt; wir freuen uns immer auf die nächste Absurdität, die nächste Überraschung, das nächste Wiedersehen mit alten Bekannten, den nächsten coolen Schauplatz.
Einen Abstecher nach Kanada etwa inszeniert Obsidian als 16-Bit-Rollenspiel, in dem wir unseren Charakter von oben durch ein Pixel-Königreich lenken. Das ist nicht weltbewegend, aber unerwartet und sympathisch - Prädikate, die auch auf Der Stab der Wahrheit in seiner Gesamtheit zutreffen. Zweimal im Kampagnenverlauf treffen wir zudem eine Art Fraktionswahl, die sich zwar den Story-Verlauf kaum beeinflusst, aber dennoch den Wiederspielwert dezent anhebt.
Für deutsche Spieler gibt's nur einen Wermutstropfen: Die komplette Sprachausgabe ist englisch, inklusive der US-Originalstimmen. Was Fans des Originals erfreut, dürfte des Englischen weniger mächtige South-Parkler erzürnen, denn die zahlreichen Figuren haben zuweilen ihre ganz eigene Auffassung von Artikulation. M'kay? Immerhin gibt's deutsche Untertitel, die zwar durchweg verständlich sind, der grandiose Wortwitz geht in der Übersetzung aber gerne mal flöten- schade drum.
Ebenfalls etwas ärgerlich: Trotz des minimalistischen Stils der Grafik kommt es immer wieder unvermittelt zu teils starken Rucklern, wenn wir durch die Straßen des Bergdorfs laufen. Auf der PlayStation 3 tritt dieses Ruckeln aus unerfindlichen Gründen stärker auf als bei der Xbox-360-Version. Gut spielbar bleiben beide Fassungen aber dennoch.
Die Vorgeschichte
Innerhalb der 17. Staffel der Serie South Park lief im November 2013 in den USA ein Dreiteiler, der gewissermaßen die Vorgeschichte zum Spiel erzählt: Cartman erfährt, dass es im Einkaufszentrum von South Park am Black Friday, dem traditionellen Eröffnungstag des amerikanischen Weihnachtsgeschäfts, für die ersten Einkäufer Rabatte in Höhe von 80 Prozent geben wird. Für ihn die Gelegenheit, zum Launch günstig an eine Xbox One zu kommen. Um inmitten der einkaufswütigen Massen eine Chance zu haben, trommelt er als »Magierkönig« seine mittelalterlich verkleideten Freunde zusammen.
Alle sollen sich eine Xbox One kaufen. Doch Stan stellt sich gegen die Truppe und will lieber eine PlayStation 4 kaufen. Auch er schart eine Rollenspieler-Gefolgschaft um sich, und analog zu Game of Thrones entbrennt ein Systemkrieg zwischen den beiden Fraktionen, der seinen Höhepunkt im »Red Robin Wedding« findet, wo Cartman als Meistermanipulateur alle gegeneinander ausspielen will, um vor der hirnlosen Horde der mordlüsternen Weihnachts-Einkäufer in die Mall zu gelangen und sich seine Xbox One zu sichern.
Der Dreiteiler endet nach einigen Wirrungen, Intrigen und viel Blutvergießen mit einer schamlosen Eigenwerbung für Der Stab der Wahrheit. Doch nicht nur die Jungs spielen in der beißenden Satire auf den amerikanischen Konsumrausch und den Konsolenkrieg eine wichtige Rolle: Auch George R.R. Martin, Bill Gates, Steve Ballmer und die Führungsriege von Sony sind mit von der Partie. Wie alle Folgen der Serie kann man sich »Black Friday«, »A Song of Ass and Fire« und »Titties and Dragons« auf der offiziellen Website legal und kostenlos ansehen.
Erkundungstour im Bergdorf
Dafür klingt Der Stab der Wahrheit nicht nur wie South Park, das Rollenspiel sieht auch wie South Park aus. Obsidian hat den Stil der Zeichentrickserie perfekt nachempfunden, vom Scherenschnitt-Look über die wenig spektakulären, aber doch liebevoll gestalteten Effekte bis hin zur detaillierten Spielwelt. Letztere ist neben den Kämpfen (dazu kommen wir gleich) eine der beiden Spielebenen: Aus der Seitenansicht wackeln wir mit unserem originalgetreu (also grottenschlecht) animierten Helden durch das frei begehbare Bergdorf, freuen uns über unzählige Serien-Anspielungen, latschen in Häuser und Geschäfte, plaudern mit bekannten Bewohnern.
Wobei »plaudern« das falsche Wort ist, unser Held spricht nämlich nicht, stattdessen lauschen wir Monologen und stoßen auch auf die eine oder andere Nebenquest. Die optionalen Aufträge hat Obsidian in nette Geschichten verpackt, beispielsweise holen wir für den liebestollen Mr. Slave ein seltsam vibrierendes Paket ab oder verprügeln im Auftrag der Bürgermeisterin Obdachlose aus der Stadt, damit South Park fortan wieder als, nun ja, freundlicher und sozialer Ort erscheint. Spielerisch sind die Neben- genau wie die Hauptaufträge simpel, meist laufen wir irgendwo hin und drücken eine Taste oder polieren irgendwem die Kauleiste.
Rätsel beschränken sich darauf, dass wir gelegentlich herausfinden müssen, in welcher Reihenfolge wir wo welche Taste drücken müssen, um weiterzukommen. Außerdem gibt's hin und wieder Stellen, an denen wir die besonderen Fähigkeiten unseres Helden kombinieren müssen, um weiterzukommen. So kann er beispielsweise per Furzattacke eine flammende Lampe explodieren lassen, um ein Hindernis aus dem Weg zu räumen - was aber erst klappt, nachdem wir die Scheibe der Funzel mit einem Wurfgeschoss zertrümmert haben.
Später darf sich unser Recke zudem teleportieren und verkleinern, auch das kommt vor allem in den Hauptquests öfters zum Einsatz. In Zwergengestalt und durchs Beamen erreichen wir zudem auch in der offenen Spielwelt anderweitig unzugängliche Orte und damit versteckte Schätze - es gibt viel zu entdecken! Aufmerksame Spielwelt-Erkunder überhäuft Der Stab der Wahrheit geradezu mit Geld und witzigem, aber nutzlosem Kram, der beim Verkauf noch mehr Geld abwirft.
Daher können wir uns auch immer die beste Ausrüstung und massenhaft Heiltränke einkaufen, was spielerischen Anspruch kostet. Selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad stellt uns South Park nie vor ernsthafte Probleme. Höchstens der eine oder andere Bosskampf wird dann mal knifflig, mit genügend Heiltränken aber alles andere als unschaffbar. So sehr uns das absurde Geschehen als Zuschauer unterhält, so wenig fordert es uns als Spieler.
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