Diese verdammten Nazis! Kaum hat Elite-Scharfschütze Karl Fairburne wieder mal einen Strich durch die dunklen Machenschaften des Deutschen Reiches gemacht, zaubert die braune Brut einfach ein neues Geheimprojekt aus dem Ärmel. In Sniper Elite 5 ist das das ominöse “Projekt Krake” unter der Leitung von Oberschurke Abelard Möller. Und weil dieser Krake den Verlauf des Zweiten Weltkriegs offenbar entscheidend beeinflussen kann, muss Fairburne erneut die Waffen ölen und einmal mehr Nazi-Pläne durchkreuzen – dieses Mal in Frankreich rund um den D-Day im Juni 1944.
Sniper-Elite-Kenner*innen dürfen an dieser Stelle einmal herzhaft gähnen und allen Serien-Neulingen sei gesagt: Allein wegen der Story solltet ihr diesen Titel serientypisch unter keinen Umständen spielen! Dazu ist der Plot um den bösen Obernazi, der dunkle Ziele verfolgt, einfach zu vorhersehbar und hat auch keinerlei wirkliche Höhepunkte zu bieten. Schon von Beginn an steht fest, wie das Ganze ausgehen wird.
Karl trifft im Verlauf der Kampagne zudem auf diverse Charaktere wie die Agentin “Blue Viper” oder den Ranger-Kommandeur Sullivan, diese bleiben aber ähnlich wie Fairburne selbst höchstens dünne Abziehbildchen in einer Geschichte, die in dieser Art einfach zu oft erzählt wurde, um spannend zu sein. Schade, dass Entwickler Rebellion hier nicht zumindest mal versucht hat, durch etwa Entscheidungselemente frischen Wind in die doch sehr angestaubte Story-Struktur zu pusten.
Bewährtes Konzept mit ordentlich Feinschliff
Aber Klischeebösewicht hin, Kraken-Projekt her: Spielerisch hat Sniper Elite 5 glücklicherweise deutlich mehr auf dem Kasten. Sogar so viel, dass es in vielen Bereichen den schon sehr guten Vorgänger noch einmal toppen kann. Am grundlegenden Spielprinzip hat sich wenig überraschend kaum etwas verändert. Anders als man das beim Titel des Spiels vielleicht vermuten könnte, sitzt ihr hier nicht regungslos auf einer erhöhten Position und knipst Feinde aus der Distanz aus, sondern bewegt euch mit Karl Fairburne in der Kampagne durch insgesamt 9 große Areale, um Möller und seinen Schergen in den Hintern zu treten respektive zu schießen.
Die ausladenden Level sind dabei ebenso detailliert wie abwechslungsreich und können auch im Vergleich mit bisherigen Serienschauplätzen einige starke Akzente setzen. Anfangs ist Karl Fairburne etwa an einem Atlantikwall unterwegs, später schleicht er durch die Gassen einer an den Mont Saint-Michel angelehnten Insel oder infiltriert in der Dämmerung eine Rüstungsfabrik der Nazis, um dort Ziele zu sabotieren.
Dabei ist vorsichtiges Vorgehen oberstes Gebot, denn auch wenn sich Sniper Elite 5 als Shooter spielen lässt, können wir das nicht wirklich empfehlen. Stattdessen sollten Feinde zunächst mit dem Fernglas markiert und Laufwege ausgekundschaftet werden, um so einen Schlachtplan für das weitere Vorgehen auszuhecken.
Glücklicherweise geben uns sowohl Spielmechanik als auch Umgebungen genügend Optionen an die Hand. Im hohen Gras etwa sind wir für die gegnerischen Soldaten nahezu unsichtbar, laute Umgebungsgeräusche können Schüsse übertönen und Objekte wie Fahrzeuge oder Motoren lassen sich manipulieren, um Feinde abzulenken. Außerdem kann Karl nach wie vor Minen legen oder Leichen verstecken und zudem an noch mehr Stellen als im Vorgänger klettern.
Und auch wenn die Möglichkeiten diesbezüglich immer noch etwas beschränkt wirken, eröffnen sich damit an vielen Stellen zusätzliche Optionen, um beispielsweise in einen verschlossenen Raum zu gelangen. Damit wird wie schon im Vorgänger jeder Einsatz zu einem großen Puzzle, das stets mehrere Möglichkeiten erlaubt und dadurch auch eine gewisse Experimentierfreude weckt.
Ist die deutsche Version von Sniper Elite 5 uncut?
Sniper Elite 5 erscheint in Deutschland komplett ungeschnitten, die detailllierte X-Ray-Cam ist ebenso enthalten wie Bluteffekte. Verfassungswidrige Symbolik ist für die Reihe komplett neu und auch in der deutschen Version enthalten.
Lauschen lohnt sich
In der zweiten Mission etwa gilt es, in ein bildhübsches Chateau zu gelangen, das sich Möller unter den Nagel gerissen hat. Aber welchen Weg nehmen wir? Den schwer bewachten direkten Weg oder doch lieber den etwas längeren, aber dafür wenig von Gegnern frequentierten an einer Furt? Später gibt es unter anderem mehrere Möglichkeiten, in Möllers Arbeitszimmer zu gelangen. Wir könnten zum Beispiel gewisse Türen aufsprengen, was aber Lärm erzeugt, oder uns auf die Suche nach einem Schlüssel machen. Vor allem das Belauschen von Gegnergesprächen kann hier den ein oder anderen wichtigen Hinweis bringen.
In diesen Momenten erinnert Sniper Elite 5 fast ein bisschen an die letzten Hitman-Spiele, auch wenn hier die Möglichkeiten beschränkter sind, denn Verkleidungen fehlen beispielsweise völlig. Generell schubst uns das Spiel aber merkbar in die Stealth-Richtung, und das ist gut so, denn hier hat das Spiel eindeutig seine stärksten und intensivsten Momente. Wenn wir von Deckung zu Deckung huschen und die Feinde reihenweise in die Irre führen oder aus dem Hinterhalt abmurksen, fühlen wir uns tatsächlich wie “der Schatten”, wie die Nazis den gefürchteten Scharfschützen im Spiel nennen.
Das soll aber nicht bedeuten, dass das reine Sniper-Gameplay schlecht wäre. Im Gegenteil, durch angepasste Parameter, die auf Wunsch unter anderem den Kugelabfall auf lange Distanzen simuliert, ist es auch in Sniper Elite 5 einmal mehr ein seltsam erhebendes Gefühl, einem Feind auf mehrere hundert Meter punktgenau das Licht auszuknipsen – insbesondere dann, wenn die fast schon ekelhaft detaillierte Killcam das blutige Schauspiel des Kunstschusses dann auch noch in Röntgenoptik entsprechend veranschaulicht.
Die Bedienung von Sekundärwaffen wie Maschinenpistolen oder MGs empfiehlt sich dagegen nur in Ausnahme- und Notsituationen, hier fällt vor allem die neue Integration einer optionalen Kimme-und-Korn-Ansicht positiv auf, die präziseres Zielen in bestimmten Situationen noch etwas angenehmer macht.
Maue Fertigkeiten, coole Waffenaufsätze
Besser als im Vorgänger hätten wir uns übrigens auch die Integration der freischaltbaren Fähigkeiten gewünscht, doch hier wirkt auch Sniper Elite 5 nur halbgar. Mit gesammelten Erfahrungspunkten schalten wir bei Rangaufstiegen Fertigkeitenpunkte frei, die wir dann auf drei Talentbäume verteilen dürfen. Und auch wenn einige interessante Skills dabei sind – etwa die Möglichkeit von hinten erledigte Feinde automatisch zu plündern – fühlen sich viele der Fähigkeiten zu schwach und wenig lohnend an. Dafür gefällt die neue Möglichkeit, die Wummen an entdeckten Werkbänken mit diversen Aufsätzen zu verbessern. Das macht in vielen Fällen tatsächlich einen merkbaren Unterschied und hat dafür gesorgt, dass wir vor manchen Einsätzen länger als geplant überlegten, welche Waffe mit welcher Munition wir jetzt mitnehmen wollen.
War die Gegner-KI in Sniper Elite 4 noch ein Schritt in die richtige Richtung, tritt Sniper Elite 5 in diesem Bereich gefühlt etwas auf der Stelle. Zwar lässt sich die Schwierigkeit in enorm vielen Bereichen detailliert einstellen – darunter Parameter wie Gegneraufmerksamkeit oder Präzision – allerdings zeigten die Feinde stellenweise auch auf der höchsten Stufe merkbare Aussetzer, etwa wenn sie beim “Durchkämmen” eines Gebietes nur in der Gegend herumstanden oder brav hintereinander in eine Scheune dackelten, um sich dort von uns abmurksen zu lassen. Das hat uns stellenweise aus dem sonst sehr runden Gesamteindruck herausgerissen, größtenteils macht die KI ihre Sache aber durchaus ordentlich, auch wenn uns Teil 4 in diesem Bereich trotzdem besser gefallen hat.
Wackere Technik, viel zu tun
Technisch schlägt sich der Rebellion-Shooter zumindest in der von uns getesteten Xbox Series X/S-Version wacker. Die Schauplätze sind schick inszeniert und bieten gerade in den Innenräumen viele Details, allerdings knarzt die Engine an anderen Stellen doch spürbar, etwa bei unschönen Clipping-Fehlern oder kleineren Bugs. Man merkt einfach, dass es sich um ein Crossgen-Spiel handelt.
Dass Sniper Elite 5 den schon sehr guten Vorgänger um ein Stückchen toppen kann, liegt unter anderem auch am etwas größeren Umfang. Denn neben den bereits aus den Vorgängern bekannten Koop-, Wellen- und Versus-Modi gesellt sich auch ein Invasions-Modus hinzu. Hier gilt es, in die Session eines anderen Spielenden einzudringen und dann mit allen Mitteln aufzuhalten.
Auch wenn wir diesen Modus für unseren Test noch nicht ausprobieren konnten, erweitert Invasion die verfügbaren Optionen noch einmal merkbar und sorgt zusammen mit den optionalen Nebenzielen und Sammelobjekten in den Levels für eine angenehme Langzeitmotivation. Karl Fairburne dürfte also genug zu tun haben – bis die Nazis in Teil 6 dann sicherlich die nächste Geheimwaffe aus dem Ärmel schütteln.
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