Während ihre Kameraden von der Infanterie unter Beschuss im Schlamm kauerten, waren die Doppeldecker-Piloten des Ersten Weltkriegs die Ritter der Lüfte. Strategiespiel-Guru Sid Meier, der schon vor 30 Jahren ein Propeller-Fan war und seine Karriere mit dem heute praktisch unbekannten Spiel »Spitfire Ace« begann, geht wieder in die Luft und hat sich die Zeit der ersten Kurvenkämpfe herausgepickt, um daraus ein rundenbasiertes Strategiespiel für iOS-Geräte zu machen: Sid Meier’s Ace Patrol.
Wir haben uns intensiv mit dem Spiel beschäftigt und sogar Sid persönlich für ein Interview ans Telefon bekommen (siehe Kasten). Der Meister erzählte uns, was ihn dazu brachte, ein Spiel in dieser Epoche anzugehen, warum bei ihm Maschinengewehre immer treffen sollten, dass weiblichen Piloten kein Schnurrbart wächst und was es mit dem Drehmoment von Umlaufmotoren auf sich hat.
Zu Beginn des ersten Weltkriegs bestand Luftkampftaktik darin, aus dem Cockpit heraus mit Pistolen und Schrotflinten auf gegnerische Maschinen zu schießen. Als spezielle Jagdflugzeuge erfunden wurden, die dank cleverer technischer Lösungen mit fest eingebauten Bord-MGs direkt nach vorne feuern konnten ohne sich den eigenen Propeller kurz und klein zu schießen, waren Luftkämpfe jedoch an der Tagesordnung. Todesmutige Piloten lieferten sich in klapprigen Ein-, Doppel- und Dreideckern haarsträubende Duelle in der Luft, wurden zu legendären Fliegerassen und entwickelten nebenbei Flugmanöver wie Looping, Faßrolle oder Immelmann, die auch heute noch jeder Pilot auswendig aufsagen kann.
Fast wie in einem Brettspiel treten wir in jeder Mission gegen feindliche Flieger an. Wir können unseren Sopwith Camels oder Fokker-Eindeckern Runde um Runde auf einer Hexfeld-Karte Manöverbefehle geben: Steigen, Sturzflug, Linkskurve, Rechtskurve. Ziel der Luftakrobatik ist es, gegnerische Maschinen vor die Nase zu bekommen, um sie abzuschießen. Fliegen wir einen Kurs, der es ermöglicht, dem Feind eine MG-Garbe auf den Pelz zu brennen, feuern die Flugzeuge automatisch.
Von Mission zu Mission werden unsere Piloten (und Pilotinnen) erfahrener und dürfen sich besondere Manöver für ihre Trickkiste aussuchen. Richtige Asse können ihre fliegenden Kisten über den Himmel scheuchen und damit so schnell die Richtung wechseln, als säßen sie in einem Auto und würden die Handbremse ziehen. Bis zu vier Flugzeuge dürfen wir gleichzeitig pro Mission kommandieren – vorher verzieren wir die Flugmaschinen mit individuellen Anstrichen und rüsten die Piloten mit Upgrades aus.
Sid Meier's Ace Patrol erscheint am 9. Mai 2013 für iOS. Eine Android- oder gar eine PC-Version sind bisher nicht geplant. Das Spiel ist kostenlos spielbar - wenn Sie sich auf Einzeleinsätze beschränken. Wer die Kampagnen spielen oder berühmte Fliegerasse in seine Schwadron aufnehmen möchte, muss allerdings bezahlen. Über In-App-Käufe lassen sich die einzelnen Kampagnen der vier Kriegsparteien für das Spiel freischalten - alle Kampagnen als Paket kosten umgerechnet 4,49 Euro, plus noch einmal 3,59 Euro für die Asse.
Interview mit Sid Meier:
GP: Wie kamen Sie auf die Idee, ein rundenbasiertes Spiel über die Luftkämpfe im Ersten Weltkrieg für iOS zu produzieren?
Sid Meier: Ich hatte tatsächlich das Grundkonzept des Spiels vor fünf oder zehn Jahren als Kartenspiel entwickelt, einfach so zum Spaß. Mein Interesse an der Ära der tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten war schon immer groß – eine Zeit, in der ein Innovationsschub in der Luftfahrt die Ritter der Lüfte hervorbrachte. Da ich ein iPad-Spiel machen wollte, war von vorneherein klar, dass es rundenbasiert sein sollte, um dem Medium gerecht zu werden.
GP: Vor dem Release von XCOM letztes Jahr ging das Gerücht um, das Spiel würde nicht »Sid Meier’s XCOM« heißen, weil es keine friedlich-diplomatische Lösung gibt, die Alien-Invasion abzuwehren – angeblich eine Grundvoraussetzung für jedes Spiel, das Ihren Namen tragen darf. Wie passt ein Luftkampf-Spiel im Ersten Weltkrieg in dieses Schema?
Sid Meier: Was? Nein, das stimmt so nicht, das ist ein Gerücht. XCOM: Enemy Unknown trägt meinen Namen deswegen nicht, weil ich fast gar nichts mit der Entwicklung zu tun hatte – es war Jake Solomons Baby. In Sid Meier’s Ace Patrol steckt aber sehr viel Herzblut von mir, deswegen bin ich mehr als glücklich, dem Projekt meinen Namen mitzugeben.
GP: Im Spiel haben wir festgestellt, dass so ziemlich genau die Hälfte der Fliegerasse weiblichen Geschlechts ist. Wie passt das zur historischen Genauigkeit?
Sid Meier: (lacht) Gar nicht, da haben wir uns etwas künstlerische Freiheit genehmigt. Alle Piloten-Konterfeis im Spiel sind Menschen nachempfunden, die mit mir bei Firaxis arbeiten – und wir haben eben eine Menge Kolleginnen, die wir auch alle ins Spiel einbauen wollten. Wir fühlen uns natürlich trotzdem schlecht, wenn sie abgeschossen werden. Übrigens: Alle männlichen Piloten verändern mit der Zeit ihr Aussehen, bekommen Orden, Mützen und Schnurrbärte. Bei den Damen haben wir die Schnurrbärte aber weggelassen.
GP: Wenn ein Pilot ein anderes Flugzeug im Visier hat und schießen darf, zieht Ace Patrol beispielsweise bei einem 9-Prozent-Schuss automatisch 9 Prozent der Trefferpunkte eines Ziels ab, anstatt ihm eine 91-Prozent-Chance zu geben, den Angriff unbeschadet zu überstehen. Warum haben Sie keine Trefferwahrscheinlichkeiten ins Spiel eingebaut?
Sid Meier: Wenn ein Spiel zu viele Zufallselemente enthält, glauben viele Spieler, die KI würde im Hintergrund mogeln. Außerdem ist es im Mehrspielermodus einfacher, eine Spielpartie zu synchronisieren. Ich wollte einfach nicht, dass es in Ace Patrol nur darum geht, dem Zufall ein Schnippchen zu schlagen – ich wollte das Spiel so designen, dass taktisch clevere Entscheidungen belohnt werden.
GP: Warum dürfen unsere Piloten im Spiel keine zwei Wendemanöver hintereinander ausspielen, um eine enge Kurve zu fliegen?
Sid Meier: Oh, das ist Absicht. Ich wollte nicht, dass endlose Kurvenkämpfe entstehen, bei denen keiner der Kontrahenten zum Schuss kommt und die Piloten einen Kreis nach dem anderen fliegen. Außerdem hat jedes Manöver Auswirkungen darauf, was ein Pilot in der Runde danach bewerkstelligen kann. Nach einem engen Turn ist man meist von den starken G-Kräften beeinträchtigt und muss erst einen Moment geradeaus fliegen. Wer sein Flugzeug wirklich auf der Stelle wenden möchte, muss eben eines der besonders coolen Manöver wie den Immelmann einsetzen.
GP: Warum muss ich beim Auswählen der neu verfügbaren Manöver für meine Fliegerasse Links- und Rechtskehren einzeln auswählen? Ein Flugmanöver, bei dem mein Flugzeug einen Haken nach links schlägt, sollte doch für den gleichen Piloten auch genausogut in die andere Richtung funktionieren?
Sid Meier: Ah, das ist ein kleines historisches Detail, das wir eingebaut haben. Der Grund dafür ist, dass die meisten Flugzeuge dieser Zeit von Umlaufmotoren angetrieben wurden, die ein enormes Drehmoment erzeugten. Teilweise war es sehr schwer, das Flugzeug gegen die Drehrichtung des Motors zu rollen. Ich habe von einigen Piloten gelesen, die statt einer 90-Grad-Kehre nach links lieber eine 270-Grad-Kehre nach rechts flogen.
GP: Wenn Sid Meier’s Ace Patrol erfolgreich läuft, könnten Sie sich dann eine Fortsetzung im Zweiten Weltkrieg vorstellen? »Sid Meier’s Battle of Britain« oder »Sid Meier’s Mighty 8th«?
Alles ist möglich, aber das hier ist mein erstes Mobile-Game. Für mich ist Ace Patrol eine Art Forschungsprojekt, mit dem ich herausfinden kann, was die Spieler wollen und was ihnen Spaß macht. Mir ist dabei hauptsächlich an Feedback gelegen.
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