Wenn es um Urheberrecht geht, ist niemand rigoroser als Nintendo. Seit Jahren lässt der Spieleriese unautorisierte Attraktionen, Fanartikel oder Spielekopien vom Netz nehmen und klagt oft Schadensersatz in Millionenhöhe ein. Zuletzt wurde Matthew Storman, Betreiber der Seite RomUniverse, zur Kasse gebeten, 2,1 Millionen US-Dollar schuldet er der japanischen Firma. Storman hatte auf seiner Webseite ROMs, kurz für Read Only Memories, zum Download angeboten.
Unter ROMs versteht man Speicherabbilder von Spiele-Cartridges, die mit einem Emulator auch auf dem PC spielbar sind. Zahlen können wird Storman das Bußgeld nicht, aber solche Gerichtsurteile sollen sowieso eher abschrecken. Aber nicht einmal das scheint wirklich zu funktionieren.
Denn obwohl Nintendo seit August 2018 für einen regelrechten Kahlschlag bei altgedienten ROM-Seiten sorgt, wird im Netz weiter fleißig getauscht. Sicher ist das allerdings nicht. "Früher gab es recht viele Seiten, von denen mittlerweile viele von Nintendo verklagt wurden", erklärt Shahzad Sahaib, der seit 1998 die Website PDRoms betreibt.
Viele der Seiten wurden auch verkauft, und mit dem Eigentümerwechsel kriegt man auch keine ROM-Datei mehr, sondern einen Downloader. Was du dir da für Viren einfängst, möchte ich dir gar nicht sagen."
Auf seiner Seite finden sich auch ROMs, allerdings solche der Marke Eigenbau, komplett ohne vom Urheberrecht geschützte Bestandteile.
Hausgemacht statt nur kopiert
Mit Programmen wie NESMaker und GBStudio können sich laut Sahaib Interessierte "ohne Programmierkenntnisse […] eigene Spiele zusammenklicken" ohne sich strafbar zu machen und diese zum Beispiel bei der Game Boy Competition auf itch.io einreichen.
Dass es selbstgebastelte Games nur für Retro-Konsolen wie den Game Boy, das NES oder den Sega Mega Drive gibt, hat für Sahaib einen einfachen Grund. "Mittlerweile haben alle modernen Konsolen eine Internetanbindung und telefonieren gerne mal nach Hause", sagt er.
Man müsste also die Systemsoftware modifizieren, aber der Konsolenhersteller merkt das das dann natürlich und könnte dir theoretisch deinen Account sperren.
Offiziell ist das Knacken der Installationssperre für Programme von Drittanbieter*innen zwar seit 2014 auch auf Konsolen erlaubt, nur sinnvoll ist es nicht wirklich. Denn das Umgehen des Kopierschutzes von Games selbst ist immer noch illegal.
Reddit-Foren und Discord-Server haben die ROM-Seite ersetzt
Nicht nur Sahaib ist der Meinung, dass die goldene Ära der ROM-Seiten vorbei ist. "Wenn du jetzt einfach 'ROMs' googlest, gibt es nur zwei Ergebnisse, die im Ranking über /r/Roms stehen", sagt SuperBio. Der Geschichtsstudent aus den USA ist der Hauptmoderator des 2011 gestarteten Subreddits /r/Roms. Dort tauschen sich mittlerweile über 147.000 Nutzer*innen über ROMs aus, in einem Megathread werden "sichere" Links gesammelt.
Weil Discord-Server und Reddit-Foren von der Community betrieben werden, haben sie ROM-Seiten ersetzt, und ich denke, dass das größtenteils eine gute Entwicklung ist.
Natürlich macht das die Verbreitung von Raubkopien nicht weniger illegal, zumindest in den USA ist /r/Roms allerdings halbwegs auf der sicheren Seite. Die meisten Links im Megathread führen zu Sammlungen, die auf den Seiten des Internet Archive gehostet sind. Diese spezifischen Sammlungen sind offiziell von DMCA-, also US-Urheberrechtsanfragen ausgenommen, wenn es Kopien von "obsoleten Formaten" sind, die das "Originalmedium oder die Originalhardware als Zugangsvoraussetzung" benötigen.
Ein Spiel von einer 5-1/4-Zoll-Diskette für den C64 kann also zu Archivierungszwecken problemlos in so einer Sammlung landen. Die genaue Auslegung ist allerdings schwammig, im Console Living Room lassen sich auch "neuere Spiele" wie Tekken 3 oder Crash Team Racing online spielen.
Trotz der Fülle an illegalen Kopien auf /r/Roms gab es laut SuperBio bisher nur einmal Probleme mit einem Konsolenhersteller - natürlich Nintendo. "Generell habe ich noch nie gehört, dass Sony, Sega oder Microsoft es auf Seiten abgesehen haben, die sich der Spieleerhaltung widmen", sagt er.
Was aktuellere Konsolengenerationen angeht natürlich, aber nichts, was älter ist als die Xbox 360. Ich kann natürlich nicht für alle in der Szene sprechen, aber es ist wirklich selten.
Entsprechend lassen die Mitglieder auch die Finger von Kopien aktueller Spiele, die meist als ISO vorliegen, einem Speicherabbild einer CD oder DVD. "Obwohl es genug ISOs und ROMs aus der achten Konsolengeneration, also PS4 und Xbox One, gibt, werden diese Spiele immer noch verkauft.", so SuperBio. "Generell wird bis ein paar Jahre nach Verkaufsstopp gewartet, bis diese ROMs und ISOs öffentlich verfügbar gemacht werden."
Legal, illegal, ganz egal?
Eigenbau-Software ist quasi erlaubt, /r/Roms verzichtet auf die Verbreitung von noch verkauften Spielen und sogar das Internet Archive kann sich mit seiner DMCA-Ausnahme vor Konsequenzen drücken. Wie problematisch ist das Verbreiten von ROMs für Spiele, die nicht mehr im Handel erhältlich sind und sowieso nie beliebt waren, dann noch aus rechtlicher Sicht?
Für die Antwort braucht man zwar kein Jurastudium, aber doch etwas Hirnschmalz für verkopfte Gesetzestexte. Generell gibt es in Deutschland zwei erlaubte Varianten für das Kopieren von CDs, DVDs und anderen Datenträgern - die Privatkopie und die Sicherungskopie. Eine Privatkopie nach §53 Abs.1 des Urheberrechtsgesetzes ist die "Vervielfältigung eines fremden Werks für den eigenen privaten Gebrauch ohne Erwerbszweck", also zum Beispiel eine gebrannte Musik-CD für den Player im Auto.
Laut Anwalt im Netz darf man diese sogar an Verwandte und gute Freunde verteilen, solange man kein Geld dafür verlangt. Klingt schwammig, ist es auch. Aber Vorsicht: Eine umfassende Rechtsberatung und juristische Einschätzung können wir euch hier natürlich nicht bieten.
Kopien von Videospiele und andere Software gelten allerdings als Sicherungskopien und sind in §69c und §69d geregelt. Eine Verteilung ist hier generell verboten. Wenn kein Kopierschutz umgangen werden muss, darf legal erworbene Software kopiert werden, um die zukünftige Nutzung abzusichern. Bildungseinrichtungen wie Bibliotheken, Archive und Museen dürfen Werke laut §60e und §60f auch vervielfältigen und öffentlich zugänglich machen.
Die Öffnung der offiziellen Spielearchive als Chance
Gerade diese Ausnahme für bestimmte Institutionen ist wichtig, um Videospielgeschichte zu erhalten. Besonders deswegen, weil die Hersteller selbst sehr selektiv vorgehen. In den Online-Stores und Abo-Diensten der großen Anbieter gibt es zwar immer wieder auch alte Spiele. Allerdings liegt es an den Herstellern selbst, was wie lange auf den digitalen Regalen bleibt.
Selbst die Retro-Konsolen wie SNES Mini oder Playstation Mini bilden nur einen Ausschnitt der Videospielgeschichte ab. Und können die 25 größten Hits, die im Zweifelsfall sowieso irgendwann neu aufgelegt werden, jahrelange Konsolengeschichte ausreichend abdecken?
"Um Videospielgeschichte zu erhalten, müssen wir Konsolen transzendieren", sagt /r/Roms-Moderator SuperBio. Ein möglicher Weg wäre für ihn ein Online-Store wie GOG.com, in dem die Spiele ohne Kopierschutz verkauft werden.
Die Leute kaufen alte Spiele, sie brauchen nur einen Store auf einem System, das nicht nach fünf bis zehn Jahren stirbt, weil der Hersteller es nicht mehr unterstützt.
Rare Videospiele werden für Millionenbeträge versteigert, der Markt für ästhetisch ansprechende Multi-Konsolen, auf denen sich Original-Cartridges von mehreren Systemen abspielen lassen, boomt. Momentan scheint allerdings noch niemand bei Sony, Nintendo und Microsoft über die Zukunft der Vergangenheit nachzudenken. Interviewanfragen von GamePro zum Thema Rückwärtskompatibilität und Archivierung wurden von allen drei Herstellern abgelehnt.
Statt Zeit und Geld für langwierige Gerichtsverfahren aufzuwenden, sollten sich die Konsolenhersteller aber vielleicht überlegen, wie sie zur dauerhaften Erhaltung der Videospielgeschichte beitragen und alle ihre Titel einem möglichst großen Publikum möglichst einfach zugänglich machen können, ohne dass Archivar*innen millionenschwere Schadensersatzzahlungen riskieren.
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