Mit Klinge und Flinte
Fürs Kampfsystem haben sich die Entwickler bereits einiges einfallen lassen, worüber wir auch schon ausgiebig berichtet haben: schmutzige Tricks, Schusswaffen ersetzen Schilde, Parieren wird wichtiger als Ausweichen.
Nun konnten wir die Gefechte anspielen – und sind hin- und hergerissen. Einerseits spielen sich die Action-Scharmützel wie im ersten Risen flüssig und flott; wenn wir im richtigen Rhythmus auf die Angriffstaste drücken, teilt unser Held immer stärkere Kombo-Hiebe aus.
Allerdings fehlt uns im Nahkampf häufig Feedback. Beispielsweise stellt das Spiel bislang nicht deutlich genug dar, ob wir eine feindliche Attacke nun geblockt haben oder nicht. An den Konterangriffen, bei denen wir dann auch noch exakt im richtigen Moment klicken müssen, verzweifeln sogar unsere Deep-Silver-Betreuer: Es ist einfach unklar, wann dieser »richtige Moment« sein soll – oder das Zeitfenster ist so klein, dass man’s ohne viel Übung nur verfehlen kann.
Dadurch fällt es uns schwer, ein Gefühl für die Nahkämpfe zu finden. Zumal uns auch die Ausweich- Purzelbäume aus dem ersten Risen fehlen, die Dynamik ins Kampfgeschehen brachten.
Ein Segen sind dafür die schmutzigen Tricks. Beispielsweise bewerfen wir menschliche Gegner mit Sand und Untote mit Salz, um sie kurzfristig zu blenden. Mit einem geworfenen Papagei lenken wir Feinde ab, um sie aus dem Kampf zu nehmen. Und mit einem Tritt befördern wir nicht nur Riesenkrabben in Rückenlage (und damit in eine wehrlose Position), sondern halten auch Piraten auf Distanz.
Feuer frei!
Wie die (gestrichenen) Schilde rüsten wir die nützlichen Gimmicks in der linken Hand aus, während wir mit der rechten den Säbel führen. So können wir auch eine Pistole einsetzen, um einem heranstürmenden Feind vor dem Nahkampf noch rasch eine Kugel zu verpassen.
Mit Gewehren müssen wir auf solche Tricks verzichten, dafür sind sie die besten Fernwaffen. Denn anders als die magischen Geschosse im ersten Risen sind auch die Voodoo-Zauber rein unterstützender Natur und richten keinen direkten Schaden an.
Wenn wir ein Gewehr ausrüsten, ploppt in der Bildschirmmitte ein großer, grauer Kreis auf, das »Fadenkreuz« von Risen 2. Exakt zielen müssen wir damit aber nicht, es reicht, wenn wir einen Gegner grob anvisieren. Dann verfärbt sich der Kringel langsam von grau zu orange – je kräftiger die Farbe, desto höher unsere Trefferchance.
Letztere hängt von unserem Schusswaffen-Talentwert ab, der Schaden fußt auf den Eigenschaften der Waffe. Risen 2 bleibt ein Rollenspiel und mutiert nicht zum Shooter. Im Nahkampf können wir mit dem Schießprügel zuschlagen, was allerdings nur bei Waffen mit Bajonett richtig Schaden macht.
Eine tollkühne Crew
Welche Talente wir lernen können, hängt von unseren Begleitern ab, die gleichzeitig als Trainer dienen. Welche Begleiter wir mitnehmen, wird wiederum teils von unserer Fraktionswahl bestimmt.
Dienern der Inquisition schließt sich der Gewehrschütze Venturo an, Eingeborenen-Anhängern die voodoobegabte Chani. Andere Kameraden lernt der Held unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit kennen, etwa den Gnom Jaffar, der die Habseligkeiten erledigter Gegner für den Helden einsammelt.
Patty und ihr Piratenpapa Stahlbart sind sowieso gesetzt – nun ja, Patty zumindest, sie steuert das Schiff des Helden als Navigatorin. Stahlbart hingegen stößt an der Schwertküste auf unerwartete Probleme. Wir wollen ja nicht zu viel verraten, aber er ist plötzlich … unpässlich. Und sein Schiff … auch.
So stehen wir nach dem Bosskampf gegen den Felskoloss in Puerto Isabella, dem Inquisitionshafen der Schwertküste – und brauchen ein Schiff. Zufällig liegt auch gerade eines vor Anker, das jedoch 1.) von Soldaten bewacht wird, 2.) keinen Proviant an Bord hat, 3.) genau vor einer Kanonenbatterie parkt und 4.) noch einen fähigen Piraten als Crew-Mitglied benötigt, der aber im Gefängnis sitzt.
Die Heldenaufgabe lautet also, den Kahn loszueisen, egal mit welchen Mitteln. Letzteres ist wörtlich zu nehmen, in bester Piranha-Bytes-Tradition gibt’s nämlich mehrere Lösungswege.
Leinen los!
So könnten wir den Freibeuter befreien, indem wir den Zellenschlüssel vom Inquisitions-Kommandanten stehlen (knifflig) oder mit einer Kanone ein Loch in die Gefängnisturm sprengen (ziemlich, äh, auffällig).
Die Geschütze ließen sich sabotieren, indem wir den Kanonier mit unserem Äffchen ablenken (das kann der Helfer nämlich auch), um Nägel in die Lunten zu schlagen. Oder wir hetzen den Kanonier mit dem Zepter der Macht auf einen anderen Hafenbewohner – nehmen dann aber in Kauf, dass die Lage eskaliert.
Den Proviant könnten wir dem Lagerverwalter abschwatzen, nachdem wir seiner Frau (einer Wirtin) einen Gefallen getan haben.
Aber hey: Alles Humbug, wozu gibt’s denn Voodoopuppen?! Auch in Puerto Isabella dürfen wir eine Person via Voodoo in eine Marionette verwandeln. Und wer läge da näher als der Kommandant höchstpersönlich? Mit der »Knochenhand des Diebes« (dem Einsack-Zepter) klauen wir seine Haarbürste, aus deren Belag wir in einer Altarhöhle eine Puppe basteln.
Mit unserer Kommandanten-Marionette veranlassen wir dann die Freilassung des Piraten, kommandieren die Wächter vom Schiff ab, lassen Proviant laden und – so viel Spaß muss sein – ordnen an, dass unser Held mit Gold überschüttet wird (»Dieser Mann ist ein Held!«).
Zudem können wir mit Patty reden, die im Hafen wartet. Daraus entsteht ein witziger Dialog: »Hallo Patty, wie ist die Lage?« – »Guten Tag, Kommandant« – »Pst, ich bin’s, dein Freund.« – »Wir brauchen alle Freunde in der neuen Welt.« Wie schön, Piranha Bytes bewahrt seinen Humor.
Voll bis unter's Deck
Noch schöner ist, dass Risen 2 mit der Lösungsvielfalt eine Hauptstärke seines Vorgänger und der Gothic-Serie erbt. Es macht einfach Spaß, mit unterschiedlichen Vorgehensweisen zu experimentieren. Weshalb wir neu laden, um eben doch noch ein Loch in die Gefängnismauer schießen. Und warum? Weil wir’s können!
Technisch darf man von Risen 2 dabei nicht zu viel erwarten, gerade im Vergleich zu The Witcher 2 (schönere Zwischensequenzen und Animationen) sowie Skyrim(eindrucksvollere Landschaften) wirkt das deutsche Abenteuer grafisch angestaubt. Besonders die kantigen und grob animierten Nebencharaktere sehen alt aus, während die Hauptfiguren immerhin detaillierter ausfallen als im Vorgänger. Ändern dürften sich an der Technik allenfalls noch Details wie die Lippensynchronität der Dialoge – schließlich ist Risen 2 laut Deep Silver schon »zu 90 Prozent« fertig.
Eine Stärke von Risen 2 liegt dafür wieder im stimmungsvollen Tag/Nacht-Rhythmus und den handgebauten Landschaften. Selbst im letzten Winkel finden wir Schatztruhen – die wir mit einem neuen, umständlichen Schlösserknack-Minispiel öffnen müssen. So verschieben wir mit einem Dietrich Bolzen, wobei die Steuerung aber bisher zu empfindlich reagiert.
Die Dschungellandschaft bietet zudem wenige Landmarken, die wichtigen Orte (zwischen denen wir via Kartenklick auch schnellreisen dürfen) liegen dicht beieinander. Auch die unterirdischen Tempelruinen sind bis hierhin höchstens vier Räume groß. Dadurch spielt sich der Abschnitt kompakter und linearer als von Risen oder Gothic gewohnt.
Allerdings ist die Schwertküste nur einer von mehreren Orten, zwischen denen wir später mit unserem Schiff hin- und herreisen – mit der Schaluppe übrigens, die wir soeben geklaut haben. Und auf die Seefahrt freuen wir uns wie ein Pirat aufs Kielholen – auch, weil wir uns fragen, wen wir wohl als Nächstes fernsteuern dürfen.
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