Von The Face bis Kino
Face, The
Lara Croft benötigt nur wenig Zeit, um zu einem der bekanntesten Videospielcharaktere zu werden, zu einem Sex-Symbol und Medien-Superstar. Ende 1996 feiert sie mit der PC-, Playstation- bzw. Sega Saturn-Version von Tomb Raider ihr Bildschirmdebüt, bereits im Juni 1997 ziert sie das Cover der einflussreichen (und mittlerweile eingestellten) britischen Mode-, Musik- und Kulturzeitschrift The Face. Auf sechs Seiten beschäftigt man sich intensiv mit Laras Bedeutung für den Erfolg der Playstation und der zwiespältigen Rolle, die sie einnimmt: Verkörpert Lara Croft nun eher eindrucksvolle, unabhängige Girl-Power, oder ist sie nur ein Objekt lustvoller Spielerfantasien?
Generation L
In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre lieben Millionen Menschen die Tomb Raider-Reihe und verehren Lara Croft – ungeachtet von Alter oder Geschlecht und quer durch alle Bevölkerungsschichten. Auch der kanadische Schriftsteller Douglas Coupland, berühmt geworden durch den Popkultur-Roman »Generation X«, outet sich als Fan und beschäftigt sich intensiv mit Spiel und Heldin. Das Ergebnis ist das Buch »Lara's Book: Lara Croft and the Tomb Raider phenomenon«, das 1998 erscheint und eine Mischung aus inakkuratem Lösungsbuch und verschwurbelter Fan-Fiction darstellt.
Himalaya
Das mächtige asiatische Hochgebirge ist ein schicksalhafter Ort für Lara Croft: Mit 21 Jahren stürzt sie auf dem Rückweg von einem Skiurlaub im Himalaya ab und muss sich als einzige Überlebende zwei Wochen lang alleine durch die Wildnis schlagen. Die Erfahrung verändert ihr Dasein nachhaltig: Sie trennt sich von ihrem Verlobten, wird enterbt und entscheidet sich für ein Leben als einsame Abenteurerin. Mit Tomb Raider Legend von 2006 wird Laras Vergangenheit umgedichtet, der Himalaya nimmt aber immer noch zentrale Bedeutung ein: Nun verunglückt sie als Neunjährige, verliert ihre Mutter, und wandert zehn Tage durch die einsame Natur.
Indiana Jones
Wie das Gros der Konkurrenz sollte auch Tomb Raider ursprünglich einen Mann zum Helden haben. Doch Toby Gards erste Entwürfe eines wagemutigen Archäologen sind dann doch etwas zu sehr von Steven Spielbergs »Indiana Jones«-Trilogie und ihrem gleichnamigen Protagonisten inspiriert. Core Design-Gründer und -Chef Jeremy Heath-Smith ist die Ähnlichkeit zu groß, er will Ärger mit Hollywood vermeiden und bittet Gard, Alternativen zu designen. Die erste ist eine junge Frau, die zu Lara Croft weiterentwickelt wird und für die sich Gard von der britischen Comic-Heldin Tank Girl und der schwedischen Musikerin Neneh Cherry inspirieren lässt.
Jahresrhythmus
Das jährliche Melken einer Millionenmarke gibt es schon in Zeiten vor Assassin's Creed oder Call of Duty: Die vielen Lara-Fans wollen frische Abenteuer und Mutterfirma Eidos Interactive frisches Geld, da bleibt Core Design – auch, wenn man sich eigentlich nach dem ersten Teil von dem Thema verabschieden will – nichts anderes übrig, als sofort an einer neuen Tomb Raider-Episode zu arbeiten. Und noch einer, und noch einer, und noch einer. Fünf Spiele erscheinen jeweils im Jahresabstand pünktlich zur beginnenden Weihnachtssaison, grafisch stets ein wenig verfeinert, spielerisch aber zunehmend auf der Stelle tretend. Erst für Laras PlayStation 2-Debüt Angel of Darkness bleiben drei Jahre Zeit, was sich aber weder in Qualität noch Verkaufszahlen positiv niederschlägt.
Kino
Lara Crofts interaktive Erlebnisse sind nicht nur vom Kino inspiriert, sondern liefern auch selbst die perfekte Vorlage für bildgewaltige Leinwandabenteuer. 2001 bekommt die Spieleserie ihre erste Filmumsetzung: Mit Angelina Jolie in der Hauptrolle kann Lara Croft: Tomb Raider zwar die Kritiker nicht überzeugen (sinnlose Story, schwache Action), ist aber an den Kinokassen erfolgreicher als jeder andere Videospielfilm zuvor. Zwei Jahre später folgt mit Die Wiege des Lebens ein handwerklich besser gemachter Abenteuerfilm, der den Erfolg des Vorgängers aber nicht mehr wiederholen kann.