Retro: Kid Icarus - Zu nah an der Sonne

Trotz seines 3DS-Auftritts in Kid Icarus: Uprising ist der fliegende Nintendo-Held in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten. Höchste Zeit, sich an seinen ersten 8-Bit-Auftritt auf dem Nintendo NES im Jahre 1986 zu erinnern.

Kid Icarus - Retro-Special zum NES-Klassiker Video starten 3:49 Kid Icarus - Retro-Special zum NES-Klassiker

Vegetarier mögen den Vergleich entschuldigen: Die griechische Mythologie ist das Hackfleisch der Popkultur. Es gibt kaum eine Sagenwelt, die so oft durch den Fleischwolf gedreht und anschließend zu Filmen, Serien oder Spielen geformt wird. Von den ursprünglichen Inhalten ist das Endprodukt dann oft so weit entfernt wie ein Hamburger vom grasenden Rind. Doch zwischen dezent peinlichen Werken (wie der TV-Serie »Hercules« mit Kevin Sorbo) und brutalen Titeln (von »300« bis God of War) sind auch liebenswerte Schöpfungen dabei - so wie Kid Icarus.

Dabei ist der Fleischwolf-Faktor hier besonders hoch: Trotz des Titels geht es im NES-Spiel von 1987 nicht um Sagengestalt Ikarus, sondern den Engel Pit, der eine Göttin aus den Klauen der Medusa retten muss. Klingt also eher nach den Abenteuern des Perseus. Eine Verbindung zu Ikarus gibt es aber doch noch: Genau wie in der Sage geht es in Kid Icarus um den Traum vom Fliegen. Denn obwohl Pit ein Engel ist, sind seine Flügel nach langer Gefangenschaft verkümmert. Also sammelt er drei heilige Relikte, zuletzt die Pegasus-Schwingen, und hebt sich im finalen Level des Spiels in die Lüfte. Im Gegensatz zu Ikarus sind seine Flügel jedoch nicht mit Wachs befestigt. Absturz also ausgeschlossen. Stattdessen bezwingt der Held die Medusa, rettet seine Prinzessin - und landet auf unserem persönlichen Zocker-Olymp.

Mit Stift und Papier

Eine Einleitung per Bild oder Text gibt es nicht, Pit stürzt sich gleich ins Abenteuer. Schlangen kriechen auf den Helden zu, einäugige Monster schweben heran. Mit Pfeil und Bogen schicken wir sie kurzerhand zu Hades in die Unterwelt. Das Bild scrollt dabei nicht von links nach rechts, sondern von unten nach oben. Mit Sprüngen arbeiten wir uns hoch, balancieren auf rutschigen Sandalen über winzige Plattformen. Zwischendurch sammelt Pit immer wieder Herzen ein. Die werden später im Shop gegen nützliche Gegenstände eingetauscht. Kurz: In den ersten Levels fühlt sich Kid Icarus damals wie ein Jump&Run an.

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Aber nur bis wir die erste Festung betreten: Statt linearer Wege liegt ein Labyrinth vor uns. Monster-verseuchte Katakomben, Türen und Leitern zu den Seiten, nach oben und unten - spätestens jetzt merkt man dem Spiel seine Verwandtschaft mit dem NES-Klassiker Metroid an, auf dessen Engine es basiert. Obwohl es in der ersten Festung nur zwei Dutzend verschiedene Räume sind, irren wir umher, können den Bossgegner nicht finden. Dann die rettende Idee: So wie Theseus einen Faden durch das Labyrinth des Minotaurus gesponnen hatte, zeichnen wir mit Stift und Papier vor der Röhre unseren Weg nach (die Karte im Spiel taugt eher wenig). Diese Taktik wird später umso nützlicher, weil die Festungen immer größer werden. Kolossal ist schließlich der Triumph, die Katakomben zu bezwingen. Nur die Bossgegner stehen noch im Weg - doch Pits Pfeil und Bogen halten die Biester nicht stand.

Der Traum vom Fliegen

Im Verlauf seines Abenteuers hebt der Held zuerst unfreiwillig ab: Hat Pit heilige Federn eingesammelt, retten sie seine Haut, wenn er nach misslungenen Sprüngen aus dem Bildschirm plumpst. Wie von Zauberhand schwebt er auf sicheren Boden zurück.

In der Himmels-Welt tauchen immer wieder Gegner aus dem Boden auf. Pit muss sich ganz klein machen, um ihren Schüssen auszuweichen. In der Himmels-Welt tauchen immer wieder Gegner aus dem Boden auf. Pit muss sich ganz klein machen, um ihren Schüssen auszuweichen.

Im letzten Abschnitt erfüllt sich dann tatsächlich der Traum vom Fliegen: Pit flattert mit den Pegasus-Schwingen durch die Lüfte - bis er ins übergroße Auge der Medusa blickt. Doch statt zu Stein zu erstarren, blockt er die Attacken der der mies gelaunten Dame mit seinem Spiegelschild und erledigt sie mit Super-Pfeilen. Danach gibt es fünf (!) verschiedene Enden.

Die zeugen aber keineswegs vom ausgefeilten Story-Telling. Es geht dabei einzig um die Leistungen - entsprechend verändern sich auf dem Schlussbild Pits Rüstung und Aussehen. Und für besonders gute Leistungen gibt's einen Kuss der Lichtgöttin Palutena. Doch auf Licht folgt Schatten: Zwar erscheint 1991 die Gameboy-Episode Kid Icarus: Von Mythen und Monstern, doch Pit verschwindet anschließend in der Versenkung - bis er mit Kid Icarus: Uprising für 3DS sein fantastisches Comeback feiert.

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