Kaum ein Ereignis erschüttert derart die Grundfesten der Videospielwelt wie der Release eines neuen Rockstar-Spiels. Schon Monate vorher werden Screenshots und Trailer rauf und runter analysiert, Urlaube eingereicht und händeringend nach neuen Details gefahndet, mit denen das erfolgsverwöhnte Studio traditionell ziemlich knauserig ist.
Aber der Hype, der sich dadurch aufbaut, kommt nicht von ungefähr. Denn Rockstar-Spiele sind dafür bekannt, stets neue Qualitätsmaßstäbe für unser aller Lieblingshobby zu setzen. Zuletzt bewies man das mit dem bahnbrechenden GTA 5, das 2013 erschien.
Red Dead Redemption 2 ist das heißerwartete neueste Werk von Rockstar und nach mehreren Verschiebungen nun endlich da. Im Test beantworten wir die Frage, ob sich das Warten gelohnt hat.
Testbedingungen
Wir bekamen für den Test von Red Dead Redemption 2 einen PS4-Code von Rockstar Games zur Verfügung gestellt und spielten das Spiel auf der PS4 Pro bis zu einem Story-Fortschritt von 100% und einem Gesamtfortschritt von 80%. Die Xbox One-Version stand uns für den ursprünglichen Test nicht zur Verfügung. Mittlerweile haben wir aber alle Versionen gespielt, einen ausführlichen Vergleich der PS4 (Pro)- und Xbox One (X)-Versionen findet ihr hier.
Spoiler
In diesem Test verzichten wir so weit wie möglich auf Story- und Missionsspoiler, kommen aber nicht umhin, für die Beurteilung des Spiels manche Zusammenhänge und Ereignisse grob zu umreißen oder Beispiele zu geben. Wer also wirklich gar nichts über Red Dead Redemption 2 erfahren und komplett unvorbereitet ins Spiel gehen will, sollte an dieser Stelle aufhören zu lesen und/oder direkt zur Wertung springen.
Die Story von Red Dead Redemption 2 versetzt euch ins Jahr 1899, also knapp zwölf Jahre vor die Ereignisse des ersten Red Dead Redemption. Die Ära des Wilden Westens neigt sich dem Ende entgegen, Zivilisation und Gesetz sind auf dem Vormarsch. Schlechte Zeiten also für Outlaw-Banden, die gesetzlos und keine Regeln beachtend durch das Land ziehen und deshalb von Staat und Gesetzeshütern gnadenlos gejagt werden. Ihr übernehmt die Rolle von Arthur Morgan, Mitglied einer der letzten wirklich gefürchteten Banden, angeführt vom charismatischen Dutch Van der Linde.
Gleich zu Beginn holt euch RDR2 auf den harten Boden der Outlaw-Tatsachen. Nach einem missglückten Raubüberfall in der Stadt Blackwater muss sich die Van der Linde-Bande dezimiert und verfolgt von Pinkerton-Agenten in die verschneiten Grizzly-Berge zurückziehen und eine neue Zukunftsperspektive finden. Sprich: Möglichst viel Geld scheffeln, um irgendwo im Westen auf einem Stück Land in Freiheit leben zu können.
Fazit-Video: Red Dead Redemption 2 durchgespielt (Spoilerfrei)
Erwachsener als GTA 5
Aber natürlich kommt alles anders als geplant, und der hervorragend inszenierte Einstieg rund um die verfallene Bergbausiedlung Colter ist lediglich der Auftakt für die knapp 40- bis 50-stündige Hauptstory (mit allen Nebenaktivitäten und -missionen könnt ihr locker das Doppelte oder sogar Dreifache rechnen).
23 Tipps und Tricks für RDR2
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Darin muss die Bande mit ihrem Lager mehrfach den Standort in der Spielwelt wechseln und mischt dabei unter anderem das Viehzuchtstädtchen Valentine auf, stolpert in die Fehde zweier verfeindeter Familien im Staat Lemoyne oder legt sich mit dem heimlichen Herrscher von Saint Denis, der größten Stadt im Spiel, an. Jede Menge Zündstoff also, auch innerhalb der Bande - Rockstar-typisch sind auch in RDR2 Zweifel und Misstrauen starke Story-Motive. Allerdings wirkt die Erzählweise düsterer und "erwachsener" als in GTA 5, vor allem weil es kaum gesellschaftssatirische Elemente gibt.
Die Geschichte um Arthur und die Van der Linde-Bande packt von der ersten Sekunde und lässt dabei die Story des ebenfalls exzellenten Vorgängers im Staub liegen. Vor allem wegen der Dynamik innerhalb der Bande und der Inszenierung von Red Dead Redemption 2. Die unterschiedlichen Charaktere wie etwa der hitzköpfige Bill Williamson, die rachsüchtige Sadie Adler, der dezent irre Micah Bell oder der zurückhaltende Lenny Summers sind durchweg interessant und geben uns gleichzeitig das Gefühl, Teil dieser über die Jahre gewachsenen Gemeinschaft zu sein.
Das wird durch die fantastischen und exzellent englisch vertonten Zwischensequenzen zusätzlich unterstützt, bei denen vor allem die realistisch animierten und dadurch sehr natürlich wirkenden Gesichter hervorstechen. Wenn sich etwa Arthur und Dutch einen stummen Blick zuwerfen, sagt das oft mehr als tausend Worte.
Da staunt selbst Hollywood
Apropos Arthur: Der Hauptcharakter von Red Dead Redemption 2 tritt im Laufe des Spiels mühelos aus dem Schatten von John Marston heraus, der den ersten Teil maßgeblich prägte. Der Großteil seiner Taten bleibt nämlich auch innerhalb der wendungsreichen Geschichte nachvollziehbar, einige Nebenmissionen zeigen zudem den weichen Kern des nach außen stets rau wirkenden Outlaws, der seinen Bandenkollegen sonst nur allzu gern einen flapsigen Spruch um die Ohren haut. Das sorgt wiederum dafür, dass wir uns schnell mit Arthur identifizieren und Sympathie für ihn haben.
Was nicht jedem gefallen dürfte, aber unserer Meinung nach trotzdem ein enormer Pluspunkt ist: RDR2 lässt sich ausreichend Zeit, um seine Charaktere vorzustellen und tiefer beim Spieler zu verankern. Nicht nur durch den mehrstündigen und zudem recht linearen ersten Spielabschnitt, in dem die Missionen größtenteils als gut ins Szenario eingepflegtes Tutorial funktionieren, sondern auch später bei den langen, dialoglastigen Ritten zu den Missionsorten, die nebenbei geschickt die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren vertiefen.
Bei der Story beweist Rockstar zudem ein feines Gespür für Dramaturgie. Beginnt das Spiel noch relativ ruhig, eskaliert die Situation im späteren Spielverlauf immer mal wieder, und gerade in der zweiten Hälfte zieht das Tempo bis zum spektakulär inszenierten und im Gegensatz zu GTA 5 auch erzählerisch befriedigenden Finale noch einmal deutlich an.
Außerdem gibt es mehrere große Überraschungen, mit denen wir in dieser Form niemals gerechnet hätten, etliche eindrucksvolle Bilder und - wie schon im ersten Teil - Gänsehautmomente, wenn Musik mit Gesang einsetzt. In Kurzform: Eine cinematischere und exzellenter präsentierte Geschichte als in RDR2 werdet ihr aktuell nicht finden - selbst im Vergleich mit Hollywood.
Ein neuer Open-World-Maßstab
Und wo wir gerade schon bei den Superlativen sind: Mit der Spielwelt hat Red Dead Redemption 2 direkt den nächsten parat, denn die Open World ist nicht nur die bislang größte Rockstar-Spielwelt, sondern auch die mit Abstand schönste. Beschränkte sich das Setting des ersten Teils hauptsächlich auf staubige und mit wenigen Grasbüscheln bewachsene Prärien und Wüsten, gibt es in RDR2 das volle Programm.
Ihr besucht schneebedeckte Gipfel, dichte Wälder, weite Grasebenen, Täler mit malerischen Wasserfällen, von Flüssen durchzogene Schluchten, kilometerlange Tabakfelder, klare Gebirgsseen, Geysire und vieles mehr. Auch Städte gibt es reichlich, etwa das bereits erwähnte Valentine, die an New Orleans angelehnte Mini-Metropole Saint Denis samt komplett funktionstüchtigen Straßenbahnen oder das Industriestädtchen Annesburg im Nordosten der Karte, in dem hohe Schornsteine schwarzen Rauch in den Himmel spucken.
Meinung zur Spielwelt
Warum die Größe der Map in RDR2 nicht entscheidend ist
Für eine im Open-World-Segment nie gesehene Lebendigkeit sorgt zum einen die enorm abwechslungsreiche und glaubwürdig simulierte Tierwelt, denn abseits des Weges hüpft etwa Damwild durchs Unterholz, Hasen flitzen herum, Vogelschwärme ziehen am Himmel ihre Kreise, und in den Sümpfen des Staates Lemoyne schnappen Alligatoren nach Arthur, wenn er vorbeireitet. Zum anderen ist die Welt vollgestopft mit Zufallsbegegnungen, über die ihr meist auf dem Weg durch die Spielwelt stolpert und die jeweils eigene kleine Geschichten erzählen.
Ein kurzes Beispiel: Als wir an einem Fluss entlangreiten, taumelt uns ein schreiender Mann entgegen, den eine Schlange gebissen hat. Wir können ihm jetzt entweder eine Medizin geben - so wir denn eine dabeihaben - ihn sterben lassen, oder kurzerhand das Gift aus der Wunde saugen.
Wir entscheiden uns für Letzteres und bekommen zunächst lediglich warme Worte als Dankeschön. Ein paar Spielstunden später treffen wir den Kerl allerdings gutgelaunt vor dem Waffenladen in Valentine wieder, und er bietet uns an, eine Knarre auf seine Kosten zu kaufen. Und das ist wie gesagt nur eine der Begegnungen, RDR2 ist voll davon, auch wenn sich später einige Varianten wiederholen.
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