Wenig Mikromanagement
Railway Empire ist kein Spiel für Kontrollfreaks, die am liebsten jede Weiche einzeln stellen wollen. Wir können auch keine Signale selbst bedienen oder andere Züge anhalten, um eine besonders eilige Lieferung vorzulassen. Ein Zug besteht außerdem immer aus acht Waggons, egal wie schwach seine Lokomotive oder wie stark die Steigungen sind, wir dürfen keine Waggons abhängen. Selbst wenn eine Ladung am Bahnhof keine acht Waggons füllt, fahren die überschüssigen halt leer mit. Es gibt auch keine Möglichkeit, einen Zug erst dann abfahren zu lassen, wenn er rappelvoll ist - denn alle Züge folgen einem festen Fahrplan und warten nicht.
In diesem Rahmen haben wir trotzdem viele Feintuning-Möglichkeiten. Angefangen bei der Wahl der Lokomotive: Eine kräftige Shay Class B eignet sich nun mal eher als Güterlok, während die spurtstarke Rogers Ten-Wheeler ideal für Passagiere und Briefe ist, die es ja immer eilig haben. Zum anderen dürfen wir festlegen, ob ein Zug nur Güter transportiert oder ausschließlich Expresslieferungen (eben Passagiere und Post). Wenn wir einen Zug auf Automatik lassen, pickt er sich an jedem Bahnhof selber die Ladungen heraus, und das macht er gut. Die meisten Eingriffsmöglichkeiten haben wir aber, wenn wir einen Zug auf »manuell« stellen: Dann können wir jedem einzelnen Bahnhof (nicht dem Zug!) auf der Strecke mitteilen, was genau ankommende manuelle Züge aufladen dürfen. Das empfiehlt sich vor allem, wenn wir konkrete Aufgaben haben ("bringe 20 Ladungen Klamotten nach New York") oder eine Stadt mit einem bestimmten Rohstoff beliefern wollen.
Kettenreaktion
Wie und wo wir unsere Strecken legen und Züge fahren lassen, wirkt sich nicht nur auf die KI-Konkurrenten aus, sondern auch auf die angebundenen Städte, ihre Bewohner und Industrien. Wie in der Anno-Reihe sind die Bürger kleiner Städte noch genügsam und freuen sich schon ein Loch in den Bauch, wenn sie eine Lieferung Korn bekommen. Also Getreide, nicht Feuerwasser! Doch mit der Einwohnerzahl steigen auch die Ansprüche, dann sollen auch Gemüse, Obst und schicke Klamotten her. Und Feuerwasser! Schwups, sind die ersten Produktions- und Lieferketten gefragt: Wir müssen Öl von einer Quelle nach Indianapolis bringen, damit die dortige Raffinerie daraus Benzin herstellt. Gleichzeitig braucht das Stahlwerk von Grand Rapids Kohle und Erz. Benzin und Stahl wiederum fahren wir nach Chicago, wo die örtliche Autofabrik daraus unsere künftigen Konkurrenten fertigt. Über diese modernen Oldtimer freuen sich die Bewohner sofort - und später auch die der Nachbarstädte, wenn wir die überschüssigen Autos dorthin exportieren.
Welche Städter gerade welche Güter benötigen, müssen wir in unserer Testversion allerdings etwas umständlich aus Tabellen ablesen: Jede Stadt einzeln anwählen, Detailübersicht anklicken, eine nicht sortierbare Nachfragetabelle mit allen Gütern im Spiel Zeile für Zeile studieren. Wir haben Publisher Kalypso Media vorgeschlagen, doch schon auf der Landkarte Icons einzublenden, welche drei Waren die Bewohner gerade am meisten fordern. So würde man mit einem Blick und für mehrere Städte gleichzeitig sehen, was ihre Bürger momentan am dringendsten benötigen. Für die Details kann man ja immer noch in die Tabellen gucken. Der Witz dabei: Solche Icons blendet Railway Empire bereits ein - allerdings nur für das Angebot der städtischen Fabriken, aber nicht für die Nachfrage ihrer Bewohner. Doch die ist wichtig, um gute Gewinne zu machen, und häufig lautet auch eines der Missionsziele, Stadt X auf Y Einwohner wachsen zu lassen.
Wir gehen fremd
Gelegentlich können wir das Eisenbahngeschäft kurz links liegen lassen und eine Fabrik kaufen. Etwa dann, wenn eine Stadt die nächsthöhere Bevölkerungsstufe erreicht und ein Industrieslot frei wird. In bis zu zwölf unterschiedliche Branchen dürfen wir so einsteigen, von A wie Autofabrik bis Z wie Zeitungsverlag. Natürlich kaufen wir dann eine Fabrik, die gut zu den Rohstoffen passt, die wir ohnehin durch die Gegend wuppen. Aber auch jenseits der Städte wird immer mal wieder ein Rohstoffbetrieb feilgeboten, etwa eine Baumwollplantage, der es gerade nicht so prickelnd geht. Aber Obacht: Erst anzeigen lassen, wo genau das Teil eigentlich liegt - die Baumwolle nutzt uns schließlich nix, wenn wir erst zigtausend Meilen Gleis dorthin verlegen müssen.
Da lohnt es sich eher, in einer Stadt Sehenswürdigkeiten oder etwa eine Universität zu bauen, die uns einen Forschungsvorsprung verschafft. Railway Empire hat nämlich zwei lange Forschungsbäume, die neben den coolen Lokomotiven (dazu gleich mehr) jede Menge Boni freischalten - etwa Bordtoiletten, sodass mehr Passagiere mit unseren Zügen fahren möchten. Diese Boni schalten allerdings abgesehen von den Loks keine konkreten Gebäude oder ähnliches frei, sondern erhöhen lediglich Zahlenwerte wie "20 Prozent mehr Leistung für alle Loks" oder "40 Prozent Baukostenrabatt für Brücken". Trotzdem können wir mit den Forschungspunkten, die in regelmäßigen Abständen bei uns eintrudeln, unser Zugarsenal gut spezialisieren. Eine bergreiche Karte schreit nach Leistungsboni; wer viel auf Expresslieferungen setzt, braucht flotte Züge.
Vier gewinnt
Unser letztes Betätigungsfeld ist das Personal: Immer wieder bewerben sich Lokführer, Heizer, Schaffner und Wachleute bei uns, die eigene Boni mitbringen - ein guter Lokführer etwa holt mehr Speed aus seinem Arbeitsplatz raus, ein Wachmann schützt vor Spitzbuben der Konkurrenz. Wenn wir ein gutes Team für einen Zug zusammenstellen, kriegt der sogar einen Bonus-Bonus, weil sich die vier so gut vertragen. Aber es gibt auch jede Menge anderes Personal, zum Beispiel eigene Banditen, Forscher oder Stationsvorsteher, die in ihrem Bahnhof Züge schneller abfertigen.
Die größten Stars von Railway Empire sind aber die knapp über 40 unterschiedlichen Lokomotiven, von der schlurfigen Grasshopper bis hin zur einzigen Diesellok im Spiel, der EMD E-Serie. Es macht Spaß, auch im dicksten Konkurrenzkampf einfach mal den Zügen zuzuschauen. Oder bei einem mitzufahren, denn über die Mitreisekamera können wir die Fahrt aus diversen Perspektiven mitmachen. Das ist technisch zwar nicht so beeindruckend und detailverliebt wie etwa im Train Simulator - aber hey, dafür haben wir alle Gleise und Bahnhöfe selbst gebaut, wir reisen sozusagen durch unsere eigene Welt. Und wenn wir bei Familie Lee und ihrer Farm vorfahren, können wir sogar die Zugpfeife betätigen!
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