So spielt sich Rage
Im Brunnenkeller von Wellspring ist Rage ganz anders als ein typischer id-Shooter. Zwar kann, wer sich traut, mit feuernden Waffen durch die Katakomben rennen und Bandit um Bandit niedermähen. In Doom hätte sich das taktische Potenzial damit auch schon erschöpft. In Rage fängt es gerade erst an. Wer rennt und schießt, ist laut. Wer schleicht und vorsichtig um Ecken lugt, bleibt unbemerkt. Wasser rinnt von den Wänden des Brunnenkellers, zwei Banditen des Ghost Clans stehen bis zu den Knöcheln in Lachen. Wir laden die Armbrust mit einem Elektropfeil, zielen auf das Wasser - ein Zischen, und die beiden sind Geschichte. Auf den Metallstegen über Kanalgruben sind unsere Schritte gut zu hören, wir werden entdeckt.
Der Ghost Clan hat, wie jede Banditengruppe, eigene Angriffsmuster. Seine Mitglieder sind hochakrobatisch, sie schwingen über Geländer, laufen an Wänden entlang, weichen mit Flickflacks aus, springen von Balkonen, sie sind verteufelt schnell. Wir laden die Pistole mit Fatboy-Kugeln; nun genügt ein Treffer, um die Kerle auszuschalten. Jede Waffe besitzt verschiedene Munitionstypen -- Bioshock lässt grüßen. Ein Seitengang endet an einer Panzertür, hier geht’s nicht weiter. Aber wir haben einen Schlossknacker dabei, aus Einzelteilen zusammengeschraubt, der die Türe aufsprengt. Dahinter liegt ein Vorratslager, wie stauben Munition und Nahrung ab. Die lässt sich in Wellspring verkaufen, das Geld investieren wir in bessere Rüstung, mehr Munition, Einzelteile. Mit denen basteln Rage-Spieler hilfreiche Gerätschaften. Einen Spinnenroboter mit MG, der neben einem herstakt (»Verfickte Roboter!«, schreien die Banditen in Panik). Ein ferngesteuertes Auto mit Sprengladung, das wir aus der Ego-Perspektive steuern, durch die Gänge, durch einen Mauerspalt in einen Nebenraum, in eine Gruppe von Clanbanditen. Zündung. Auch Leichen lassen sich durchsuchen. In einer zentralen Halle hören wir Banditen heranstürmen, wir stellen zwei Geschütztürme auf, selbstverständlich ebenfalls selbstgebaut. Sie feuern automatisch auf Gegner. Nach dem Gefecht packen wir sie wieder ein – der eine unbeschädigt und weiter nutzbar, der andere angeschlagen, weswegen er in Einzelteile zerfällt. Mit ihnen können wir weiterbasteln.
Technik und Editor
Es ist die Ausrüstung, über die sich (neben der Handlung) der Fortschritt in Rage definiert: neue Waffen, bessere Rüstungen, mehr Zubehör, verbessertes Auto, ein immer stärkerer Held. So gehört sich das in Shootern. Auch auf anderem Feld ist Rage auf erfreuliche Weise altmodisch. Zum Beispiel gibt es keine Speicherpunkte, stattdessen darf jederzeit und allerorts frei gespeichert werden. Geheilt wird nach wie vor über Medikits, nicht über den modernen Standard, wonach drei Sekunden in Deckung zur Regeneration genügen. Zwar besitzt auch Rage dieses System, es funktioniert aber deutlich langsamer, sodass Medikits das Mittel der Wahl sind. Der Tod ist entschärft: Wer stirbt, belebt sich mit einem Auto-Defibrilator selbst wieder. Allerdings darf er nicht sofort wieder das Zeitliche segnen, sonst ist das Spiel wirklich aus.
Die menschlichen Gegner, da bleibt sich id Software treu, scheiden auf brutale Weise aus dem Leben. Brennende Menschen laufen vor Schmerz brüllend herum, Blut spritzt reichlich, direkte Treffer hinterlassen klaffende Wunden im Fleisch der Feinde. Zum Glück steckt id Software Detailliebe nicht nur in solche Effekte, sondern in die gesamte Präsentation des Spiels. Es ist schwer zu beschreiben, wenn man es nicht gesehen hat, aber Rage entfacht von der ersten Sekunde an eine beeindruckend dichte, authentische Atmosphäre; die Welt scheint zu strahlen und zu leben, sie wirkt so glaubwürdig, dass man sich vorstellen kann, in echt durch die staubigen Gassen von Wellspring zu spazieren. Auf der Gamescom 2009 lief Rage noch auf einem kraftstrotzenden 64-Bit-PC, inzwischen hat id Software die Engine so weit optimiert, dass der Shooter in Chantilly auf einer normalen Xbox 360 in 720p mit 60 Frames pro Sekunde butterweich über den Schirm huschte und dabei beeindruckend aussah. Bei der Präsentation wirkte Wellspring schon perfekt ausgefeilt, nicht ein einziger Fehler störte den Spielfluss. Aber das Wasteland ist zweigeteilt, neben Wellspring und Umland gibt es noch eine zweite Siedlung, Subway Town, ebenfalls samt Umgebung. Davon war bisher noch nichts zu sehen, und daran wird id Software wohl noch arbeiten. Denn Rage kommt nicht mehr dieses Jahr.
Immerhin, da wäre noch eine Tradition, mit der id Software bricht: Der Erscheinungstermin von Rage ist kein lakonisches »When it’s done«, sondern zumindest schon ein konkretes Jahr. Nämlich 2011.
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