Wie schade, dass die Screenshots auf diesen Seiten dem Spiel nicht gerecht werden. Sie sehen nicht schlecht aus. Aber »nicht schlecht« ist keine angemessene Beschreibung für Rage. Die europäischen Spielejournalisten, mitunter ein abgebrühtes Volk, fanden Ende April ganz andere Worte für den Ego-Shooter von id Software. Superlative. Staunen. Wow. In Chantilly, einem Vorort von Paris, hatte Bethesda zur Präsentation geladen. Mit dabei war id Software, also auch Rage.
Id Software ist einer dieser Entwickler, der seinen Namen an einen klar erkennbaren Stil geknüpft hat: düstere, brutale, mit Schockmomenten aufgeladene Brachialshooter, schmutzig und direkt. Doom und Quake definierten vor über einem Jahrzehnt den modernen Ego-Shooter. Id Software war mal technologischer Fahnenträger, die id-Tech-Engines verschoben die Grenzen dessen, was im 3D-Bereich möglich war. Aber die Zeit ist fortgeschritten, und was damals revolutionär war, wirkt nun veraltet. Heute haben Shooter Handlung und Raffinesse, Tiefgang wie Bioshock oder Filmwirkung wie Modern Warfare 2. Technische Avantgarde verbindet man inzwischen mit Epics Unreal-Engine oder mit der Cryengine von Crytek (Crysis). Das id-Konzept ist angegraut. Seit Doom 3 hat die Firma kein eigenes Spiel mehr entwickelt, sechs Jahre ist das her. Und nun also Rage: das erste id-Spiel seit einem halben Jahrzehnt. Eine neue Marke. Ein Neuanfang.
Die Spielwelt
Im Brunnenkeller von Wellspring ist Rage ein typischer id-Shooter: Ein kerkerartiger Levelschlauch, Gegner springen vor die Flinte, man schießt sie aus der Ego-Perspektive nieder, Blut spritzt. Das ist nicht sonderlich weit von Quake entfernt. Im Kern bleibt Rage durchaus eine lineare Ballerei. Aber in diesem Kern verdichten sich neue Spielelemente, und um ihn herum öffnet sich eine weite Welt.
Wellspring ist ein Städtchen in den USA der Zukunft, die durch einen Asteroideneinschlag verwüstet wurden. In Untergrund-Bunkern haben Menschen im Kälteschlaf überlebt; zu Beginn von Rage erwacht der Spieler als einer dieser Insassen und betritt eine postapokalyptische Welt, von Clans bewohnt, von Mutanten geplagt, von der mysteriösen »Authority« regiert. Rage ist schon mit den Mad Max-Filmen und Fallout verglichen worden, auch Borderlands hat Parallelen, aber die Außenwelt von Rage stellt alle Vorbilder in den Schatten. Hell strahlt die Sonne und wirft lange Schatten in die Wüstenschluchten, rote Felsen türmen sich zu Steilwänden auf, dank der Megatexture-Technologie der id Tech 5-Engine sieht jede Spalte, jeder Riss, jedes Detail anders aus. Die Einwohner von Wellspring haben aus Überresten eine Stadt gezimmert, halb Westernstil, halb Chinatown, und die Siedlung lebt. Passanten auf den Straßen, improvisierte Maschinen rattern und rauchen, an einem alten Waschbecken füllt ein Wasserträger Kanister, und vor dem Outfitter-Laden sitzt Jenny und misst uns mit geringschätzigem Blick: Mit unserem Bunkeranzug fallen wir im Wasteland auf wie ein bunter Hund, wir sollten uns besser umkleiden.
Wer Fallout 3 gespielt hat, dem dürfte all das wenig originell vorkommen. Aber Rage ist kein Rollenspiel. Es ist ein Shooter, der in Teilen an ein Rollenspiel erinnert, ein bisschen wie Borderlands. In Rage kann man mit Personen reden. Man kann Nebenaufträge von ihnen annehmen. Man kann nach eigenem Gutdünken vorgehen. Wellspring dient als zentrale Anlaufstelle, von der aus man ins Wasteland aufbricht oder in Einzellevels wie den Brunnenkeller, der von Banditen überrannt wurde. Draußen jagt man mit einem Buggy über die Pisten, liefert sich Rennen und Duelle, rüstet das Gefährt auf. Rage hat eine Handlung, es hat faszinierende, perfekt animierte Charaktere wie den kauzigen Crazy Joe oder die attraktive Jenny. Aber es gibt kein Levelsystem, keine Erfahrungspunkte. Rage ist nach wie vor ein Shooter.
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