Anders als große Open World-Adventures wie Mittelerde: Schatten des Krieges erzählt der Herr der Ringe: Gollum ein kleineres Abenteuer in der Welt von Tolkiens Epos. Im Stealth-Spiel schlüpfen wir in die Rolle des schmierigen Gollums und schleichen und klettern durch die Welt von Mittelerde.
Wo aber beim Setting und den Designs viel Liebe zum Ausgangsstoff zu entdecken ist, fällt das gezeigte Gameplay noch eher mau aus. Wir konnten uns in einer knapp 22-minütigen Präsentation samt Gespräch mit den Entwickler*innen ein Bild vom Spiel machen und sind ein wenig besorgt.
Viel Liebe zur Lore
Das Spiel startet in den Bergen von Cirith Ungol nahe Mordor, einige Jahre vor den Ereignissen der Herr der Ringe-Trilogie. Tolkien-Fans dürfen hier direkt beruhigt sein: Anders als etwa Mittelerde: Schatten des Krieges, das es mit der Lore der Bücher nicht ganz so genau nahm, hält sich Der Herr der Ringe: Gollum deutlich näher an der Vorlage.
Hier merkt man schnell, dass es unter den Entwickler*innen einige Tolkien-Fans gibt. Neben Charakteren wie Gandalf, Thranduil oder den Nazgûl finden sich so im Spiel auch bekannte Orte wie etwa der dunkle Turm Barad-dûr, den wir im Spiel erstmals von innen zu sehen bekommen.
Entsprechend sieht aber auch die Optik des Spiels anders aus, als Fans der Filme gewohnt sind, denn das Entwicklerteam von Daedalic hat hier eigene Designs auf Grundlage der Bücher kreiert. Natürlich besteht Mordor trotzdem wie in den Filmen aus scharfkantigen Felslandschaften und die Hallen der Elben aus hohen filigranen Wänden.
Arachnophobie-Warnung: Wenn ihr unter starker Angst vor Spinnen leidet, solltet ihr bei Der Herr der Ringe: Gollum vorsichtig sein, denn es gibt mehrere Szenen mit übergroßen Spinnen im Spiel.
Und auch ‘Held’ Gollum ist die ausgemergelte glubschäugige Figur, die wir kennen – seine Augen sind sogar noch größer als in den Filmen, was ihn aber nicht unbedingt liebenswürdiger erscheinen lässt. Vielmehr sieht es beunruhigend aus, wenn seine Augen wild im Kopf umherrollen, was aber auch an den etwas unnatürlichen Gesichsanimationen liegt. Zwar handelt es sich beim gezeigten Material noch um Beta-Gameplay, aber das Spiel erinnert grafisch eher an die letzte Konsolengeneration.
Dabei helfen natürlich auch die kargen Steinlandschaften nicht, durch die sich Gollum zu Beginn des Spiels schleicht und klettert. Die Story erzählt von seiner Reise nach Mordor und Suche nach dem Ring, nachdem er ihn an Bilbo verloren hat. Im späteren Verlauf führt uns das Spiel außerdem an weitere bekannte Orte wie den Düsterwald und die Minen von Moria.
Hier könnt ihr euch nochmal einen Eindruck vom Spiel im CGI-Trailer machen:
Der Gameplay-Kern: Schleichen und Klettern
Da Gollum zu schwach ist, um es in der direkten Konfrontation mit den meisten Gegnern aufzunehmen, müssen wir uns ungesehen an Orks und Co. vorbeibewegen. Das funktioniert auf zwei Arten. Zum einen ist der ehemalige Hobbit ein hervorragender Kletterer, sodass wir uns in linearen Arealen an Felswänden entlang hangeln und über Abgründe springen können. Zusätzlich zu langsamen Kletterpassagen, in denen wir einfach den richtigen Weg suchen müssen, soll es auch schnellere Abschnitte geben, in denen wir Feinden entgehen müssen.
An schwierigen Kletterpassagen, wo Gollum nur an den Armen hängend frei schwingt, gibt es außerdem einen Ausdauerbalken. Hier müssen wir aufpassen, dass wir die Passage überwinden, bevor er leer ist, weil wir sonst abstürzen. Eigentlich eine interessante Idee, um etwas Spannung in das eher langsame Klettern zu bringen – aber zumindest in der Präsentation haben wir keine Stelle gesehen, wo wir wirklich abwägen müssten, ob wir genug Ausdauer für eine schwere Passage haben oder nicht.
Es bleibt abzuwarten, ob wir im fertigen Spiel etwas mehr unser Köpfchen anstrengen müssen. Verbessern können wir unsere maximale Ausdauer übrigens nicht, denn Gollums Fähigkeiten bleiben im Spielverlauf unverändert.
Können wir mal nicht über die Köpfe unserer Feinde hinweg klettern, dürfen wir uns auch an ihnen vorbei schleichen. Dafür verstecken wir uns im hohen Gras und nutzen die “Gollum-Sicht”. Die lässt uns die Umgebung in kontrastreiche Farben hüllen, ähnlich dem Adlerauge aus den Assassin’s Creed-Spielen. Während das Hervorheben von Feinden, Verstecken und dem Weg zu unserem nächsten Ziel zwar praktisch ist, wirkt der starke Kontrast hier etwas irritierend, besonders da das Spiel ansonsten zu großen Teilen auf UI-Elemente verzichtet.
Sméagol oder Gollum? Wir haben die Wahl
Komplett wehrlos sind wir aber dennoch nicht. Schafft Gollum es, sich an nichtsahnende Feinde anzuschleichen, kann er sie nämlich auch erwürgen. Das geht allerdings nicht so schnell, wie wir das von Stealth-Finishern aus manch anderen Spielen gewohnt sind, sondern braucht mehrere Sekunden. Hier müssen wir also besonders gut aufpassen, um nicht entdeckt zu werden.
Um Gegner lang genug abzulenken, können wir außerdem Steine aufsammeln, die wir dann etwa auf Lampen werfen, um deren Licht zu löschen. Auch einige Bosskämpfe soll es im Verlauf des Spiels geben, wie genau die aber aussehen werden – und vor allem: wem wir gegenüberstehen –, hat Daedalic noch nicht verraten.
Immerhin: Wenn wir wollen, sollen wir das Töten auch fast ganz vermeiden können. Das könnte auch für die Moral-Mechanik des Spiels relevant sein. An mehreren Stellen bekommen wir nämlich die Möglichkeit zu entscheiden, welcher der beiden Persönlichkeiten von Gollum wir den Vortritt lassen wollen: Dem eher ängstlichen, aber sanftmütigen Sméagol oder dem kaltblütigen Gollum.
In diesen Momenten führen wir dann ein Selbstgespräch und können entweder die ‘gute’ oder ‘böse’ Seite argumentieren lassen. In der Präsentation ging es dabei lediglich um die Entscheidung, ob wir einen Käfer essen oder einfach betrachten wollen, im Spiel werden wir aber wohl noch schwerere Entscheidungen treffen müssen.
Wie wir Gollum spielen, soll dabei Einfluss auf das Schicksal anderer Charaktere und ihre Reaktionen auf uns haben – und die Sméagol-Entscheidungen sind dabei nicht zwingend immer die richtige Wahl, können uns ebenso wie die von Gollum zum Nachteil gereichen.
Das Ganze klingt zwar interessant, ändert aber nichts am Ausgang der Geschichte. Zwar soll es zwei verschiedene Enden geben, die münden aber in den gleichen Epilog. Das müssen sie auch, immerhin wissen wir ja bereits, wie Gollum’s Geschichte im Herrn der Ringe weitergeht. Ob sich die Entscheidungen im Spiel dennoch lohnen können, wird sich zeigen müssen.
Die große Sorge
Während die einzelnen Mechaniken des Spiels also durchaus größtenteils stimmig wirken, bleibt dennoch die Sorge: Kann Der Herr der Ringe: Gollum genug Abwechslung bieten, um über die anvisierten rund 10 Stunden Spielzeit unterhaltsam zu bleiben?
Immerhin verfügt Gollum bereits von Anfang an über eine übersichtliche Auswahl an Fähigkeiten, die sich im Verlauf auch nicht weiterentwickeln. Das ergibt im Kontext der Geschichte zwar durchaus Sinn – immerhin geht es hier um einen relativ kurzen Zeitraum im Leben des ehemaligen Hobbits – wird aber schlimmstenfalls schon nach ein paar Stunden ermüdend oder langweilig.
Auch die Moral-Mechanik, die eigentlich ein spannender Interaktionspunkt mit der Story sein könnte, leidet darunter, dass wir bereits wissen, wo Gollum unabhängig von unseren Entscheidungen letztlich endet. Und Hand aufs Herz, ein wirklich sympathischer Protagonist dürfte Gollum selbst für viele Tolkien-Fans nicht unbedingt sein, im besten Falle tut einem die tragische Figur einfach Leid. Hier könnte höchstens das Schicksal anderer Charaktere, die wir auf unserer Reise treffen, auf interessante Weise von unseren Entscheidungen beeinflusst werden.
Ob sich diese Befürchtungen am Ende bewahrheiten oder das Spiel doch mehr Spaß als erwartet bietet, wissen wir spätestens ab 1. September 2022. Dann erscheint Der Herr der Ringe: Gollum für PS4, PS5, Xbox Series X/S, Xbox One und PC. Die Version für Nintendo Switch erscheint später im Jahr.
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