Obsidians neuestes Werk Pentiment fällt besonders durch drei Dinge auf: Oberbayern als Setting, einem Grafikstil, als wäre der Titel direkt aus einem alten Buch entsprungen, und dem Fakt, dass wir keine eindeutige Auflösung der Geschichte erwarten dürfen. Alles Zutaten, die nicht gerade nach einem internationalen Verkaufshit riechen. Warum Pentiment trotzdem ein großartiges historisches Adventure ist, verraten wir euch in diesem Test.
Hinweis: Für den Test stand uns nur die PC-Version zur Verfügung, mit der wir Pentiment auf dem Steam Deck gespielt haben.
Bayrische Landluft, die nach Mord stinkt
Im 16. Jahrhundert verrichtet Wanderkünstler Andreas Maler seine Arbeit in der Abtei Kiersau, gelegen in Tassing, einem verschlafenen Dorf in Oberbayern. Der Segen hängt jedoch gewaltig schief, als eine wichtige Persönlichkeit in den heiligen Klosterhallen ermordet wird. Zum Leidwesen von Andreas wird sein Lehrmeister verdächtigt, was ihn dazu veranlasst, die Ermittlungen aufzunehmen.
Was folgt, sind 25 Jahre voller Skandale und weiterer Tote, aufgeteilt in drei abwechslungsreiche Akte, auch wenn das Spiel etwas Zeit braucht, bis es in Schwung kommt. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur soviel: Es gibt kleine wie auch große Oha-Momente und Wendungen, die aber auch von unserer Spielweise abhängen (dazu später mehr).
Hier im Trailer könnt ihr euch einen guten Eindruck von Pentiment machen:
Viele alte Begriffe: Dieses Setting hat jedoch auch zur Folge, dass uns immer wieder religiöse, historische und künstlerische Begriffe und Werke unterkommen, was durchaus mal rausreißen kann, wenn wir erst im spieleigenen Glossar nachschlagen müssen, was eigentlich gemeint ist. Mit der Zeit legt sich das aber. Auch wer im Religionsunterricht geschlafen hat, versteht die Situation. Und dass ein Skriptorium eine mittelalterliche Klosterschreibstube ist, ist auch schnell verinnerlicht. Genau genommen bringt Pentiment uns tatsächlich noch einiges bei.
Trotz des auf den ersten Blick nicht so ernsthaften, malerischen 2,5D-Stils gelingt es außerdem, auch tiefgründige und ernste Themen aufzugreifen, wie beispielsweise den Verlust eines Kindes und verbotene Bräuche. Humor gibt es dank zynischem Sarkasmus trotzdem.
Dagegen kommt Andreas’ Gedankenpalast, in den er sich ab und an hineinträumt, um dort mit seinen vier inneren Stimmen – alle mit einer anderen Meinung – über alles zu diskutieren, etwas zu kurz. Wir vernehmen die Stimmen zwar auch in manchen Dialogen als Hinweis, hätten uns aber mehr Besuche im Palast samt kontroverseren Diskussionen gewünscht.
Achtet auf Wort und Tat, Meister Maler
Wie schlau unser werter Herr Maler ist, liegt dabei ganz an uns, denn wir bestimmen, wer er ist. Wir haben uns zum Beispiel dafür entschieden, dass Andreas ein naturliebender Hedonist ist, der in Basel lebte und sich mit Medizin und der Natur auskennt. Dadurch kann er nicht nur Italienisch und Französisch sprechen, sondern erhält auch neue Dialogoptionen zu medizinischen und koketten Themen, was wiederum andere Möglichkeiten bedeutet.
Ob wir eine Person aber von etwas überzeugen können, hängt auch von unserem Verhalten ab. Die Menschen erinnern sich nämlich an Lügen und Anstand, was manchmal über Erfolg oder Niederlage entscheidet. Dadurch überlegen wir uns zweimal, welche Antwort wir unserem Gegenüber wirklich geben sollten, was für mehr Spannung sorgt.
100 Prozent geht nicht: Durch verpasste Gelegenheiten können uns entscheidende Hinweise, Dialoge und Rätsel, um die sich das Gameplay dreht, vorenthalten werden. Da die Tage in Tassing klar strukturiert sind, kann es zudem vorkommen, dass wir uns zwischen Hinweisen entscheiden müssen, denen wir nachgehen wollen. Eine Schnellreise hilft da nicht, Zeit zu sparen, denn diese Funktionen gibt es nicht und würden bei dem Zeitsystem auch keinen Unterschied machen. Dennoch wäre es uns manchmal lieb gewesen, mit Andreas schnell aus der Abtei zurück ins Dorf “springen” zu können, um fix zum Essen bei den Nachbarn zu sein.
Neben den allgemeinen Konsequenz erhöhen auch die angeklagten Personen den Wiederspielwert. Denn selbst wenn wir die nötigen Beweise gegen Person XY sammeln, können wir uns nie ganz sicher sein, ob wir dadurch die richtigen Personen zum Tode verurteilen oder nicht. Unsere Entscheidung beeinflusst die Geschichte, mal mehr, mal weniger, setzt uns mit dieser Ungewissheit aber auch eine schwammige Art vor, die nicht jedem gefallen könnte. Für uns erhöhte sich allerdings die Spannung.
Übrigens: Pentiment ist nicht vertont, was zum Stil passt, aber auch viel Lesestoff bedeutet. Ohne Pausen kann das schonmal etwas ermüden, grundsätzlich sind die Dialoge aber gut geschrieben.
Kleiner Einwurf zur Technik: Die PC-Version von Pentiment lief auf dem Steam Deck so gut wie immer ohne Probleme. In den über 15 Spielstunde ist uns lediglich eine falsch gesetzte Textur untergekommen, sowie dass das Spiel auf dem Steam Deck einmal kurzzeitig bei Regen leicht laggte. Davon ab präsentiert sich Pentiment aber technisch sehr sauber.
Das Spiel im Buch - Stilsicherer geht’s kaum
Kommen wir zum Grafikstil, der eindeutig die Buchmalerei aus dem europäischen Mittelalter imitieren soll. Die Umgebungen und Charaktere fallen dadurch zwar etwas detailarmer aus, sind aber trotzdem sehr stimmig, vor allem in Kombination mit den reduzierten Animationen und dem Sounddesign. Alles, auch das buchartige Menü, wirkt wie aus einem Guss und ist charmant. Das hier sind zumindest einige der niedlichsten und ulkigsten Pferde, die uns je in Spielen untergekommen sind:
Noch wichtig zu erwähnen: Die stilisierten Schriftarten lassen sich deaktivieren, sodass sie besser lesbar sind (z.B. in dem Bild oben). Das ist auch nötig, wenn ihr entspannt spielen wollt und die altertümlichen Schriften nicht gewohnt seid.
Außerdem ist während der Dialogzeilen immer ein recht dominantes Schreibgeräusch zu hören, als würde man stark mit einem kratzigen Federkiel auf rauem Papier schreiben (was offensichtlich auch imitiert werden soll). Zu Beginn störte uns das Geräusch, an das wir uns aber schnell gewöhnt haben und es später sogar als angenehm empfanden.
Pentiment erscheint am 15. November 2022 für Xbox Series X/S, Xbox One und PC.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.