Eine abgeriegelte Zone voller mysteriöser Anomalien, ein rostiges Auto als einziger Begleiter, zig Upgrade-Möglichkeiten: Pacific Drive hatte mit diesen Zutaten schon bei der Ankündigung mein Interesse geweckt.
Umso erstaunter war ich, dass ich den PS5-Controller bereits nach wenigen Stunden Spielzeit für diesen Test am liebsten mit voller Wucht gegen die Wand gepfeffert hätte.
Ist Pacific Drive also die erste große Software-Katastrophe des Jahres 2024? Nein, davon ist es sogar ein ordentliches Stück entfernt. Und doch werden längst nicht alle Spaß mit diesem Spiel haben – weil es dafür nämlich auf eine bestimmte Art und Weise gespielt werden will.
Gefangen in der Sperrzone
Kurz zur Story: Pacific Drive spielt in einer alternativen Realität. Dort sind auf der Olympic-Halbinsel im Nordwesten der USA – die gibt’s übrigens wirklich – neue Geheimtechnologien erfunden worden, doch einiges ging dabei offenbar gewaltig schief. Es kam zu Unfällen, Menschen verschwanden. Deshalb riegelte die Regierung den gesamten Bereich hermetisch hinter hunderte Meter hohen Mauern ab.
Als namenloser Protagonist werde ich im Jahr 1998 bei einem Abstecher in die Gegend auf mysteriöse Weise in genau dieses Sperrgebiet gebeamt und kann mich nur mit Mühe und Not und am Steuer eines rostigen Kombis in eine nahe Werkstatt retten. Ihre Besitzerin Oppy sowie die seltsamen Tobias und Francis sind die einzigen Menschen, mit denen ich Kontakt habe – allerdings nur über Funk.
Ziel ist es natürlich, wieder aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Allerdings muss ich dafür in den inneren Ring der Sperrzone vorstoßen – und das ist kein Spaziergang. Generell bleibt die Geschichte von Pacific Drive eher seicht, dient aber als guter roter Faden und "Köder" im Spiel. Denn natürlich will man wissen, welche Geheimnisse sich auf der Olympic-Halbinsel verbergen.
Ein holpriger Einstieg
Oppys Garage dient fortan als Hub, in dem ich mit meinem Kombi meine Touren plane. Die Zone ist dabei allerdings keine frei erkundbare Open World, sondern setzt sich aus einzeln besuchbaren Instanzen zusammen. Darin gilt es dann, Materialien zu finden, um damit dann wiederum zur Garage zurückzukehren, das Auto zu verbessern und so nach und nach immer weiter in die Zone vorzudringen.
Was zunächst nach einer ziemlich motivierenden Gameplay-Spirale klingt, entpuppte sich bei mir in den ersten Spielstunden als ziemliche Qual. Denn Pacific Drive ist gerade anfangs kein angenehmes Spiel, weil es einem vernünftigen Spielfluss gleich mehrere Knüppel zwischen die Beine bzw. ins Getriebe wirft.
Das geht etwa beim trägen Fahrgefühl los, das Auto braucht anfangs eine gefühlte Ewigkeit, bis er auf Eingaben reagiert. Auch der "Frickeligkeitsfaktor" ist hoch: Jedes Mal, wenn ich aus dem Auto aussteige, muss ich den Zündschlüssel drehen und den Gang rausnehmen, da mir die Karre sonst davon rollt. Das mag realistisch sein, wird im Eifer des Gefechts aber gern mal vergessen.
Denn aussteigen muss ich regelmäßig, um in verlassenen Containern oder Häusern nach Ressourcen zu suchen bzw. diese mit Werkzeugen wie dem Verschrotter abzubauen. Allzu lange geht das allerdings nicht gut, denn die komplette Zone ist verseucht, was auf Dauer unaufhaltsam an meiner Energieanzeige nagt.
Die zahlreichen Anomalien, quasi die "Gegner" in Pacific Drive, machen die Sache auch nicht einfacher. Es gibt beispielsweise Schwebeviecher, die den Kombi mit gewaltigen Magneten zur Seite schleudern oder "Igelchen", die sich an die Karosserie zecken und mein Auto durch Stromstöße schwerer kontrollierbar machen.
Alles macht das Auto kaputt
Der absolute Killer – im wahrsten Sinne des Wortes – sind allerdings die Stürme, die in den Instanzen nach einer gewissen Spielzeit auftauchen und die mich unweigerlich töten, wenn ich nicht schnell genug den Ausgang aus dem Level nehme.
Aber das geht in Pacific Drive wiederum nicht so einfach, denn mal eben zu Oppys Garage zurückfahren funktioniert nicht. Denn erst muss an auf der Karte markierten Punkten Energie gesammelt werden, die dann wiederum ein Portal öffnet, das mich zurück zur Garage beamt.
Der größte Stressfaktor dabei: das Auto nimmt durch fast alles Schaden. Schon kleinste Kollisionen reichen aus, um die Karosserie schwächer zu machen, schnell blinken im Cockpit zahlreiche Lämpchen rot auf.
Und wenn ich es dann durch einen tobenden Sturm mit Müh und Not zur Garage schaffe, kann ich die Karre mit dem aufgeklaubten Material und dem Müllcontainer im Hof, der essenzielle Teile ausspuckt, gerade so notdürftig flicken, bevor es wieder los in die Zone geht. Ein Fortschrittsgefühl? Nahezu nicht vorhanden.
Das Herumschrauben am Kombi und das Ausbessern der kaputten Teile in Oppys Garage ist ein großer Bestandteil von Pacific Drive und zu sehen, wie aus einer halb auseinander fallenden Klapperkiste wieder ein ansehnliches Auto wird, ist tatsächlich ein ziemlich befriedigendes Gefühl.
Trotzdem war ich in den ersten Spielstunden extrem frustriert, weil ich zwar nach und nach die Level abklapperte und auch die Story mit simplen Aufgaben wie "fahre in Gebiet X zu drei Punkten und aktiviere einen Schalter" voran trieb, aber nie das Gefühl hatte, wirklich weiterzukommen.
Immerhin konnte ich die unheimliche, fast schon Horrorspiel-artige Atmosphäre in den Instanzen wertschätzen, die Zone vermittelt jedenfalls ziemlich glaubhaft das Gefühl, dass man dort nicht sein sollte. Trotzdem machte ich immer wieder drei Kreuze, wenn ich wieder das Portal in die Garage nehmen konnte.
Mit den Upgrades wird alles besser
Das wurde ab dem Zeitpunkt besser, als ich die ersten Upgrades für das Auto und die Werkstatt freischalten konnte. Über die Fertigungsmaschine in der Garage gibt es nämlich jede Menge praktisches Zubehör, das allerdings erst mit entsprechenden, teilweise veredelten Ressourcen und Energie in Technologiebäumen freigeschaltet werden muss.
Körbe an den Seiten der Karosserie lassen mich beispielsweise mehr Ressourcen transportieren, Stahltüren und Platten machen die Karre widerstandsfähiger und es gibt sogar Aufbauten, die die Anomalien fernhalten.
Wenn die dafür notwendigen Ressourcen erst einmal gesammelt sind, fängt die Maschinerie langsam an zu laufen. Spätestens dann stellt sich auch langsam so etwas wie Spielspaß ein. Das Auto Stück für Stück zu verbessern und "wachsen" zu sehen, ist für mich jedenfalls das Highlight von Pacific Drive.
Um das wirklich erleben zu können, muss Pacific Drive aber als Marathon und nicht als Sprint gespielt werden. Wer nur der Story folgen will, wird unweigerlich in die frustige Spirale geraten, in der ich in den ersten Stunden orientierungslos umherirrte – und da dann möglicherweise schon entnervt das Handtuch werfen.
Ihr solltet euch deshalb nicht zu schade sein, gleich zu Beginn Missionen mehrfach zu erledigen, ganz viel Kram zu horten und damit schon einiges für euer Auto freizuschalten. Pacific Drive schubst euch leider nicht in diese Richtung, sondern kommuniziert generell ziemlich dürftig.
Wo sich etwa bestimmte Ressourcen finden lassen, wird zwar durch ein grobes Symbol markiert, konkrete Informationen dazu gibt es aber nicht, wie generell bei vielen Informationstexten und Einrichtungen.
Dass es Instanzen gibt, in denen gar keine Stürme auftreten – die sich also vergleichsweise stressfrei looten lassen – habe ich erst im Gespräch mit GameStar-Tester Christian herausgefunden, die entsprechende Erklärung hatte ich in den Menüs schlicht übersehen. Wie aber hingegen die "Mackenmaschine" in Oppys Garage funktioniert, haben wir beide auch nach zig Spielstunden nicht verstanden.
Barrierefreiheitseinstellungen
Pacific Drive bietet eine ganze Reihe von Barrierefreiheitseinstellungen. Insgesamt 27 Parameter lassen sich anpassen, darunter diverse Einstellungen für die Sicht oder Bewegungsempfindlichkeit. Ich habe unter anderem die hilfreiche "Hellere Nächte"-Option aktiviert, was die Orientierung und Sicht in den normalerweise wirklich stockdunklen Nächten im Spiel enorm verbessert.
Es bleibt auch auf Dauer zäh
Die freigeschalteten Upgrades – etwa die automatische Handbremse oder Offroad-Reifen für mehr Kontrolle – beheben übrigens auch einige anfängliche Kritikpunkte. Aber selbst mit einem verbesserten Auto bleibt das grundlegende Gameplay von Pacific Drive auch im späteren Spielverlauf vergleichsweise träge und formelhaft, da sich der reine Missionsablauf stetig wiederholt.
Wieder und wieder juckele – erst später lässt sich das wirklich als "Fahren" bezeichnen – ich in die Zone und klappere auf der Karte markierte Punkte ab und loote dort, um mich dann wieder zurück zur Werkstatt zu beamen.
Eine abwechslungsreichere und erkundenswertere Spielwelt hätte das möglicherweise kaschiert, die gibt es in Pacific Drive aber schlicht nicht.
Vor allem der im Vorfeld der Veröffentlichung oft zitierte Erkundungsfaktor (“explore the Zone”) erweist sich im Spiel als Augenwischerei. Denn abseits der erwähnten Punkte auf der Karte stolpere ich auf den Straßen maximal über ein verrostetes Autowrack. Spannende Zufallsentdeckungen oder Roadtrip-Feeling? Fehlanzeige!
Es wird ja mittlerweile oft über überflüssige Open Worlds geschimpft, aber Pacific Drive ist eines dieser Spiele, denen eine zusammenhängende, frei erkundbare Spielwelt gut getan hätte.
Nochmal: Pacific Drive kann durchaus Spaß machen, wenn man die stotterige und frustige Anfangsphase übersteht. Mit einem abwechslungsreicheren Missions- und Leveldesign hätte ich dem Spiel diese vielleicht sogar verziehen. So bleibt unter dem Strich aber ein ernüchternes Fazit – den PS5-Controller will ich aber immerhin nicht mehr gegen die Wand pfeffern.
Fazit der Redaktion
Tobias Veltin
@FrischerVeltin
Selten waren meine Erwartungen an ein Spiel und die tatsächliche Spielerfahrung so unterschiedlich wie bei Pacific Drive. Denn so cool das spannende Setting und der Twist mit dem Fahrzeug-Begleiter auch sein mögen, schreckte mich das träge Gameplay, die vielen Stressfaktoren und die zu langsame Progression anfangs derart ab, dass unter diesem Test vermutlich erst eine deutlich niedrigere Wertung gestanden hätte – wenn das so geblieben wäre.
Es änderte sich aber. Und zwar so stark, dass ich Pacific Drive immerhin attestieren kann, ein ziemlich solides Survival-Spiel zu sein, dessen Highlight für mich eindeutig die freischaltbaren Upgrades für das Auto sind. Wer diese konsequent verfolgt, hat ein ordentliches Fortschrittsgefühl und sicherlich eine andere Spielerfahrung als ich in den ersten Stunden.
Ich habe nach einer gewissen Zeit immerhin meinen Frieden mit Pacific Drive gemacht, weiß aber auch, dass nicht alle so lange durchhalten werden. Gleichzeitig bin ich mir aber auch sicher, dass das Spiel einigen von euch deutlich besser gefallen wird als mir. Ich persönlich verbuche Pacific Drive aufgrund der auf Dauer öden Instanzen und des gleichförmigen Gameplays aber als die erste kleine Enttäuschung des Jahres 2024.
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