Aufwertung:
Mittlerweile haben die Entwickler mehrere Updates nachgeliefert und die gröbsten Probleme, die zu unserer Abwertung geführt hatten, beseitigt. Wir vergeben deshalb nun unsere ursprüngliche angedachte Wertung von 92.
Fans mussten lange auf Ori and the Will of the Wisps warten. Das Jump&Run erscheint satte fünf Jahre nach dem ersten Teil Ori and the Blind Forest und drei Jahre nach der ersten Ankündigung auf der E3 2017. Und wer so lange auf etwas wartet, erwartet natürlich auch einiges, schließlich zählt der erste Teil immer noch zu den besten Xbox One-Spielen überhaupt.
Deshalb waren wir beim Test mehr als gespannt: Kann Ori 2 die Qualität seines brillanten Vorgängers erreichen oder ihn gar übertrumpfen?
Eulen-Absturz mit Folgen
Die Geschichte von Will of the Wisps setzt fast genau da an, wo der Vorgänger aufhörte, ist aber auch für Nichtkenner des Erstlings sofort nachvollziehbar. Der kleine Waldgeist Ori und seine beiden Freunde Naru und Gumo päppeln zusammen die knuffige Eule Ku auf, die sich einen Flügel lädiert hat. Die Drei sind auch dabei, als sie sich das erste Mal wieder in die Lüfte schwingt.
Auf Kus Rücken sitzend entfernt sich Ori vom heimischen Nibel-Wald, doch die zwei geraten in einen Sturm und stürzen getrennt voneinander über einem fremden Gebiet mit dem Namen Niwen ab. Oris anschließende Suche nach seinem Freund wird bald zu einem deutlich größeren Abenteuer, bei dem insbesondere die namensgebenden Irrlichter (Wisps) eine wichtige Rolle spielen.
Die Story setzt auf klassische Motive wie Gut (Licht) gegen Böse (Dunkelheit, Verfall), hält sich im Vergleich zu anderen Spielen allerdings dezent im Hintergrund. Ans Herz geht sie trotzdem, und zwar wegen der wunderbaren Charaktere. Es ist erstaunlich, wie Ku, Ori und Co. allein durch ihre ausgeprägte Mimik und Gestik Sympathien wecken. Die fantastische Musikuntermalung tut ihr übriges dazu, aber dazu später mehr.
Kämpfe, die man spürt
Spielmechanisch verlässt sich Will of the Wisps auf den bewährten 2D-Metroidvania-Mix aus Erkundung, Geschicklichkeitspassagen und Kämpfen in der weit verzweigten Niwen-Oberwelt, wobei insbesondere die Kampf-Komponente wesentlich ausgefeilter ist als noch im Vorgänger. Bestand dort ein Kampf hauptsächlich aus dem Hämmern auf eine Taste und der Hoffnung, dass Geistbegleiter Sein möglichst effektiv seine Arbeit macht, geht es im zweiten Ori rabiater zur Sache. Der kleine Waldgeist greift unter anderem zu einer schwertähnlichen Lichtscherbe, einem Bogen oder einem besonders heftigen Rundumschlag.
Das macht die Kämpfe gegen Käfer, Spinnen- und Moskitowesen auf der einen Seite merkbar physischer und befriedigender, aber auch variantenreicher und anspruchsvoller, da wir uns öfter Bewegungsmuster merken müssen und viele Gegner gegen bestimmte Angriffe besonders allergisch sind. Zu kleineren Problemen kommt es nur wenn viele Gegner - insbesondere die nervigen fliegenden Viecher - gleichzeitig auf dem Bildschirm sind. Dann kann das Spielgeschehen stellenweise schon mal etwas unübersichtlich werden.
Hüpfen war selten schöner
Die Plattforming- und damit verbundenen Erkundungselemente des Spiels sind dagegen ausnahmslos grandios gelungen. Mit schon schnell nach Spielstart erlernten Manövern wie Doppel- und Wandsprung sowie diversen Dash-Manövern saust der kleine Waldgeist wie ein Irrwisch durch Niwen. Dank der enorm präzisen Steuerung gelingen bereits nach kurzer Spielzeit regelrechte Choreografien. Das fühlt sich derart phänomenal an, dass wir beim Test versucht haben, jedes noch so kleine optionale Extra einzusammeln, einfach weil es so viel Spaß macht, sich durch die Umgebungen zu bewegen.
Bei aller Freude darüber ist Ori and the Will of the Wisps aber schon auf dem normalen der insgesamt drei Schwierigkeitsgrade auch ein durchaus forderndes Spiel. Unter anderem wollen Dornen, giftiges Wasser oder Abgründe überwunden oder kleinere Rätsel gelöst werden, bei denen wir Plattformen aktivieren oder Steine herum schieben müssen. Die Entwickler werden an vielen Stellen aber auch kreativer.
Im ersten größeren Dungeon des Spiels müssen wir zunächst hölzerne Räder aktivieren, die Ori durch die Gegend katapultieren. An anderer Stelle graben wir uns durch Sand oder müssen einem leuchtenden Insekt durch eine düstere Höhle folgen, denn das Zurückbleiben in der Dunkelheit bedeutet den sicheren Tod.
Frustfaktor Fluchtsequenzen
Der ist ohnehin ein ständiger Begleiter: Am Ende unseres Tests hatten wir einen niedrigen dreistelligen Wert in unserer Statistik stehen. Unfair wird Ori 2 aber nie, was unter anderem am fairen automatischen Checkpoint-System liegt. Die regelmäßig eingestreuten Fluchtsequenzen kratzen allerdings hart an der Frustgrenze. Denn die sind zwar wie die neuen Endbosskämpfe spektakulär inszeniert, allerdings wie schon im ersten Teil klassische Trial-and-Error-Passagen.
Auf der Flucht vor einer Wasserwalze oder später einer Lawine gilt es, geschickt eine bestimmte Route durch den teilweise einstürzenden Level zu nehmen, kleinste Fehler können tödlich sein. Immerhin: Wer dort partout nicht weiterkommt, kann die Sequenz abbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut versuchen, das ging im Vorgänger noch nicht.
Natürlich sind Oris Fähigkeiten nicht von Anfang an verfügbar, sondern müssen erst nach und nach in der Spielwelt gefunden werden. Das sorgt einerseits für ein angenehmes Fortschrittsgefühl und macht es andererseits lohnenswert, bestimmte Gebiete zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu besuchen. Für einen wunderbaren "Herumspiel-Faktor" sorgt zudem das neue und vielfältige Geistersplitter-System. Geistersplitter sind passive Fähigkeiten, die Ori entweder Bewegungs-, Offensiv- oder Defensiv-Buffs geben.
Ein Splitter erlaubt es beispielsweise, an Wänden kleben zu bleiben (und nicht daran hochhüpfen zu müssen), andere mindern den erlittenen Schaden oder erlauben Ori einen Dreifachsprung. Die Krux daran ist einerseits, dass wir die meisten der insgesamt 32 Splitter erst entdecken oder beim Händler Twellen kaufen müssen. Und andererseits können wir anfangs maximal drei der Splitter gleichzeitig ausrüsten, müssen also abwägen, was allerdings eine sehr spannende neue Komponente ist.
Offenerer Ansatz
Niwen ist im Vergleich zum Blinden Wald aus dem ersten Teil ein wesentlich ausgereifteres und lebendigeres Fantasy-Reich, was vor allem an den NPCs liegt. Figuren wie das Vogelwesen Tokk oder die katzenähnlichen Moki sorgen aber nicht nur für Atmosphäre, sondern haben für Ori auch kleinere Aufträge parat, zum Beispiel den Fangzahn eines Wolfes aus einem schwer zugänglichen Bereich holen.
Außerdem gibt es unter anderem eine längere Tausch-Quest im Stil von The Legend of Zelda: Link's Awakening. Rein optional natürlich, aber aufgrund attraktiver Belohnungen wie einer großen Geisterlicht-Menge (der Währung im Spiel) auch sehr reizvoll.
Überhaupt bietet Ori 2 abseits der knapp zehn bis 15 Stunden langen Hauptquest enorm viel Optionales. Im Hub-Gebiet Brunnenquell etwa können wir dem Schmied helfen, neue Elemente wie Häuser oder Ranken zu bauen, mit Hilfe derer wir dann in neue Bereiche gelangen können. Ein Gärtner bittet uns, geheimnisvolle Samen in der Spielwelt zu finden, und überall in Niwen verteilt gibt es etliche versteckte Energie- und Lebensfragmente, Herausforderungsschreine und vieles mehr. Wer die 100 Prozent knacken will, dürfte jedenfalls ziemlich lange beschäftigt sein.
Wie ein Animationsfilm
Grafisch brennt Ori and the Will of the Wisps ein wahres Feuerwerk auf dem Bildschirm ab, dem man von Beginn an auch eine unheimliche Detailverliebtheit anmerkt: Kleine Objekte bewegen sich etwa oder geben nach, wenn Ori an ihnen vorbei oder über sie läuft, Bäume und Büsche wiegen sich um Wind, Lichtstrahlen durchbrechen dunkle Stellen, Partikel schwirren überall durch die Luft.
Dazu kommt die enorme optische Abwechslung: Düstere Höhlen mit wenig Sicht, Unterwasserabschnitte, ein stiller Wald mit versteinerten Bewohnern, verschneite Passagen, eine überwucherte Mühle und vieles mehr machen Ori 2 zu einem der schönsten 2D-Spiele, die wir bislang gesehen haben. Getrübt wird der ansonsten tadellose Eindruck allerdings von zeitweise auftretenden Slowdowns auf der Xbox One X, die meiste Zeit läuft der Titel aber mit butterweichen 60 Bildern in der Sekunde.
Zum Abschluss sei noch einmal explizit die Musikuntermalung erwähnt, denn die Arbeit von Komponist Gareth Coker ist wie schon beim Vorgänger außergewöhnlich. Schon bei der Melodie im Hauptmenü haben wir Gänsehaut, im Spiel selbst untermalt die Musik mal dramatisch-opulent, dann wieder ruhig-einfühlsam - aber immer passend - das Gameplay. Und transportiert gerade in den anrührenden Szenen derart viele Emotionen, dass uns diese Momente heftiger getroffen haben, als wir dachten. Auch dank denen wird uns Ori and the Will of the Wisps noch lange im Gedächtnis bleiben.
Ori im Game Pass
Ori and the Will of the Wisps kommt direkt zum Launch in den Xbox Game Pass. Abonnenten des Spiele-Services können den Titel also ohne weitere Kosten spielen. Der erste Teil Ori and the Blind Forest ist ebenfalls im Game Pass enthalten.
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