Eine Frage des Ki
Das Kampfsystem von Nioh fällt ungemein komplex aus, gleichzeitig verlangt es mir ähnlich schnelle Reaktionen wie Bloodborne ab. Diese beiden Punkte stehen sich allerdings nicht im Weg, vielmehr gehen sie Hand in Hand.
Eine große Rolle spielt hierbei die Ausdauer, von Nioh Ki genannt. Angriffe, Blocks und Ausweichmanöver zehren am Ki-Balken. Die Leiste füllt sich zwar langsam wieder von selbst, das mit einem sogenannten Ki-Impuls zu beschleunigen, zahlt sich aber aus. Dafür muss ich nach einem Schlag "R1" drücken, sobald William von einer Wolke blauer Ki-Partikel umgeben ist. Das richtige Timing ist in der Hitze des Gefechts nicht einfach, doch nur wer die Kunst des Ki-Impulses meistert, wird gegen schwierigere Gegner eine Chance haben.
Denn wenn ich zu viele Aktionen ohne Ki-Impuls aneinander reihe, kann es passieren, dass mich ein Feind trifft, während die Leiste leer ist. Dann stehe ich einen Moment lang völlig schutzlos da. Dasselbe gilt immerhin auch für meine Gegner, sobald deren Ki aufgebraucht ist. Es rentiert sich also, die Feinde durch ständige Ausweichmanöver zum Verplempern ihres Ki-Vorrates zu verführen. Wenn sie dann erstmal keuchend da stehen, lassen sich ganz einfach besonders starke Angriffe landen.
Ki gegen Yokai
Ganz besonders wichtig ist der Ki-Impuls im Kampf gegen die Yokai. Das sind Dämonen, die mir neben den vielen menschlichen Gegnern das Leben schwer machen. Das Blöde an den bösen Geistern: Sie erzeugen einen grau-schwarzen Nebel um sich herum, der meine Ki-Regeneraton extrem verlangsamt. Mit einem gut gesetzten Ki-Impuls lässt sich dieser Nebel jedoch lang "wegputzen" und der Kampf läuft wie gewohnt.
Wie viel Ausdauer eine Konfrontation letztlich kostet, hängt auch von den drei Kampfhaltungen ab. Durch sie steuere ich, ob ich die zahlreichen Nahkampfwaffen wie Katanas, Speere oder Äxte senke, hochhalte oder mittig ausrichte. Das beeinflusst wiederum die Stärke und Geschwindigkeit der Schläge. Hinzu kommt, dass ich jederzeit zwischen zwei Waffensets wechseln kann, die jeweils aus einer Nah- und einer Fernkampfwaffe bestehen. So lässt sich zum Beispiel ein klassisches Katana mit einem Bogen kombinieren, oder eine Streitaxt mit einer Flinte. Beim Zielen mit Bogen & Co. ist Sorgfalt gefragt: Kopftreffer machen besonders viel Schaden.
Nioh, sein Koop-Modus und eine wichtige Änderung
Nioh bietet euch mehrere Wege, zusammen mit anderen Spielern durchs feudale Japan zu ziehen. So könnt ihr einen Spieler zu euch rufen, der euch unterstützt, bis er beziehungsweise ihr sterbt oder die laufende Mission endet. Darüber hinaus könnt ihr euch über das Menü "Torii-Pforte" unter verschiedenen Bedingungen mit anderen zusammenfinden.
In der "Last Chance"-Demo durften Spieler auch noch gemeinsam mit Freunden in Missionen starten, die für beide neu waren. In der Verkaufsversion von Nioh ist dies nicht mehr möglich, da ihr euch nur zu Missionen rufen lassen könnt, die ihr bereits abgeschlossen habt. Die Entwickler von Nioh begründen diese Änderung damit, dass die Kampagne zu leicht geworden wäre, wenn zwei Spieler sie gemeinsam von Anfang bis Ende hätten spielen können.
Ki-Management, Kampfhaltungen, Waffenwahl – um all das muss ich mich parallel zueinander kümmern und einzelnen Elemente an die jeweilige Situation anpassen. Schließlich wartet jeder Gegnertyp mit eigenen Angriffsmustern auf. Die Strategie, die mir bei einem Banditen geholfen hat, bringt mich bei einem brennenden Rad mit dämonischer Fratze nicht weiter, und bei einem Monster, das mir seine Zunge in einem Rundumschlag entgegenschleudert, schon gar nicht.
Mit zunehmender Spielzeit gewinnen zudem weitere Aspekte des Ki-Managements, ein komplexes Kombo-System samt Skill-Trees und die an Diablo 3 erinnernde Loot-Mechanik an Bedeutung. Auf diese Weise fordert und fördert mich Nioh, ohne spielerisch auf der Stelle zu treten.
Stirb doch endlich!
Sein hohes Niveau hält Nioh allerdings nicht über die gesamte Spielzeit. Bei seinen Nebenmissionen betreibt das Action-RPG oft Levelrecycling, da die mich gerne mal in bekannte Gebiete zurückführen. So verliert ein Krieger sein so wichtiges Schwert auch schon mal mehrfach in derselben Höhle.
Das eben erwähnte Loot-System hingegen lädt mich einerseits dazu ein, verschiedene Waffen- und Rüstungstypen auszuprobieren, übertreibt er andererseits aber mit seiner Großherzigkeit. Fast alle Gegner lassen mindestens ein Items zurück, das nicht zu meinen Charakterwerten passt. Ein Besuch beim Schmied, wo ich die Gegenstände loswerden kann, ist darum nach jeder Mission Pflicht.
Auch bei den Bosskämpfen schwankt die Qualität. Nioh inszeniert seine Bosse weniger imposant als die Souls-Reihe, spendiert ihnen dafür aber mehr Lebenspunkte. Die Kämpfe ziehen sich dadurch ab und zu unnötig hin, wodurch sie trotz mehrerer Phasen oder Spezialangriffe eintönig werden. Dass mich das riesige Mischwesen aus Affe, Marder und Tiger nach einem Schrei in den Himmel verlässlich mit Blitzen beschießt, und die immer knapp neben mir einschlagen, wenn ich ausweiche, langweilt dadurch irgendwann einfach.
An dem, was das Spiel insgesamt leistet, ändert diese Kritik jedoch nichts: Nioh fordert mich heraus, wirft mich in den Dreck, aber belohnt mich dafür, wenn ich wieder aufstehe. Und das jedes Mal.
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