Ich mache es mir gerne leicht. Nicht unbedingt im Alltag, aber dafür in Videospielen. Wenn ich beim Schwierigkeitsgrad zwischen einfach, mittel oder schwer wählen darf, nehme ich leicht. Immer. Schließlich will ich in einem The Witcher 3 vor allem über Entscheidungen grübeln, die Welt kennen lernen und letztlich Geschichten erleben. Was ich hingegen nicht will: Mich ständig in zu schwere Kämpfe verstricken, die meinen Entdeckerdrang bremsen.
Trotzdem habe ich in einer Woche fast 70 Stunden mit Nioh verbracht. In dieser Zeit feuerte ich den Controller mehrfach frustriert in die Ecke, genoss aber jeden Triumph dafür umso mehr. Denn wie die Dark Souls-Serie versteht das Action-Rollenspiel von Team Ninja seinen hohen Schwierigkeitsgrad mit wenigen Rücksetzpunkten und gnadenlosen Gegnern als zentralen Teil des Spieldesigns. Und obwohl es den Souls-Spielen auch sonst in Vielem ähnelt, tut es mehr, als sie bloß zu kopieren. Nioh liefert eigenständige, innovative Elemente, bleibt hier und da aber hinter den großen Vorbildern zurück.
Joho und ne Buddel voll Sake
Ein Souls-Spiel erzählt auf den ersten Blick keine stringente Handlung, es entwirft keinen klassischen Konflikt zwischen Gut und Böse, der in einem großen Finale gipfelt. Stattdessen versteckt die Serie ihre Geschichten hinter Item-Beschreibungen, in der Levelarchitektur und dem Figurendesign. Vielleicht gelingt es mir als Spieler, all das zusammen zu puzzeln. Vielleicht auch nicht. In jedem Fall spüre ich, dass überall Geheimnisse durch diese Welten wabern.
Nioh steuert in eine konkretere Richtung. Es bietet eine konventionelle Erzählweise mit mehr oder weniger aufwändigen Cutscenes, gesprächigen Figuren und klaren Missionsbeschreibungen: Die Jagd nach einem bösartigen Alchemisten führt den Piraten und Helden William Adams – der auf der gleichnamigen historischen Persönlichkeit basiert – ins feudale Japan des Jahres 1600. Nach dem Tod des Fürsten Toyotomi Hideyoshi drängen dort zwei rivalisierende Samurai in das Machtvakuum. Das Land musste jedoch schon in den Jahren zuvor viel Leid durchleben, was Dämonen genug Kraft gab, um ins Reich der Menschen einzufallen.
Nioh scheitert allerdings daran, mir diese grundsätzlich spannende Mischung aus historisch akkuraten Hintergründen und japanischer Folklore nahezubringen. Es überhäuft mich mit Begriffen, Orten und Personen, ohne sie mit dem nötigen Kontext zu füllen. So erklärt mir eine sprechende Katze in weniger als einer Minute den eigentlich komplexen mythologischen Unterbau rund um Schutzgeister, Dämonen und ihr Gleichgewicht. Und das muss mir dann auch erst einmal reichen, um viele der Szenen im Spiel einzuordnen.
Live.Die.Repeat.
Spielerisch jedoch liegen Nioh und die Souls-Reihe nahe beieinander. Zwar erkunde ich in Nioh keine offene Welt, sondern wähle Haupt- und Nebenaufgaben nach zwei Einführungsmissionen über eine Karte an, aber im Grunde mache ich hier wie da dasselbe: anfangs vor allem sterben.
Feinde lauern hinter Ecken, Böden bröckeln unter mir weg, Fledermäuse brechen aus Gängen hervor, um mich in den Abgrund zu reißen. Unfair ist Nioh jedoch nicht. Es macht eben deutlich, dass ich nicht wie ein betrunkener Seemann durch seine Level torkeln darf.
Allgemein lohnt sich es, in den verwinkelten Berg-Dörfern und zerfallenden Tempel-Anlagen des Spiels die Augen offen zu halten. Immer wieder finde ich versteckte Kisten mit nützlichen Items oder knuffige Wesen namens Kodama, die für eine kleine Spende am nächsten Schrein die Drop-Rate von Waffen, Rüstungen und Ähnlichem erhöhen. Darüber hinaus stoße ich auf Möglichkeiten, die Level-Architektur zu meinem Vorteil zu nutzen. In Nioh greifen die meist vertikal angelegten Level-Abschnitte häufig ineinander. Dadurch erschließe ich immer wieder Abkürzungen, für die ich etwa Leitern zu bereits besuchten Orten heruntertrete. "Vertikal" heißt auch, dass es sich lohnt, den Blick immer wieder mal nach oben oder unten zu richten. Vielleicht steht auf einem Balkon über mir ein Bogenschütze? Oder auf einem Felsvorsprung unter mir liegen ein paar nützliche Gegenstände?
Schrein-Shopping
Anstatt also durch die Levels zu sausen, taste ich mich voran – von Checkpoint zu Checkpoint. Die heißen in Nioh Schreine und funktionieren im Kern wie die Leuchtfeuer der Souls-Spiele. Hier investiere ich Erfahrungspunkte (heißen hier Amrita) in Rollenspiel-typische Charakterwerte wie Gesundheit, Stärke und Geschicklichkeit, fülle meinen Medizin-Vorrat auf oder rufe einen anderen Spieler als Koop-Partner zu Hilfe. Allerdings kehren bei jedem Besuch an den Schreinen auch die besiegten Standard-Gegner eines Levels zurück.
Ebenfalls bei den Souls-Spielen ausgeliehen: Wenn der Held stirbt, verliert er seine bis dahin gesammelten, aber noch nicht ausgegebenen Erfahrungspunkte. Die bleiben vorerst an seinem "Grab" zurück. Falls ich es anschließend schaffe, mich dorthin durchzukämpfen ohne zu sterben, bekomme ich alles wieder. Diese Mechanik baut eine immense Spannung auf und motiviert dazu, nicht einfach aufzugeben. Damit ich beim nächsten Versuch jedoch besser abschneide, muss ich mich unbedingt ins Kampfsystem einarbeiten.
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