Das ist historisch: Kung Lao darf jetzt ganz offiziell Leute mit dem Gesicht in seinen Kreissägenhut drücken. Auch in Deutschland. Mortal Kombat X, der zehnte Teil einer Prügelspielreihe, die vor allem durch ihre irrsinnig brutalen Finishing-Moves bekannt ist, wird nicht indiziert. Die offizielle EU-Version wurde von der USK nachträglich ab 18 Jahren freigegeben und darf in Läden offen angeboten sowie beworben werden.
Das entschied am 2. Juli ein Gremium der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Seit dem Start der Reihe 1992 wurden von 22 Mortal Kombats überhaupt nur drei nicht indiziert, und selbst die durften dann nur beschnitten erscheinen. Warum nun das Umdenken?
Wegen der Realitätsferne. »Diese Realitätsferne kommt auch in den ›Fatalities‹ deutlich zum Ausdruck (Beispiel: Kenshi teilt einen in der Luft schwebenden Gegner in Scheiben)«, heißt es im Prüfbericht der BPjM, der GamePro vorliegt, »womit die aus heutiger Sicht erhöhte distanzierende Wirkung auch auf diesen Spielbestandteil durchgreift.«
Sprich: Ist Mortal Kombat X zu brutal, um jugendgefährdend zu sein?
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Eiszauberninjas schützen vor Indizierung
»Das wäre vielleicht zu verkürzt,« sagt Petra Meier, die stellvertretende Vorsitzende der BPjM. »Aber es gibt einfach sehr viele Distanzierungselemente in Mortal Kombat X, die neben der drastischen Gewaltdarstellung immer wieder eine mögliche jugendgefährdende Wirkung auf Kinder und Jugendliche aufheben.« Wie, das erklärt Petra Meier anhand des Eiszauberninjas Sub-Zero: »Sub-Zero streut Eis aus, das wird dann zu Eiszapfen und da wird dann der Gegner hineingeschmissen. Das wird deutlich detailliert dargestellt. Aber es ist doch nicht realitätsnah. Wie in Mortal Kombat X diese Tötungen zustande kommen, entspricht nicht der Wirklichkeit.«
Laut Meier wirken solche Elemente relativierend. Realistisch wirkende Gewalttaten und Amokläufe wie in Hatred könnten von Jugendlichen als Vorbild für eigene Handlungen angesehen werden, Eiszapfenzaubninjagewalt kann das nicht unbedingt. Das, was Kritiker der Mortal-Kombat-Indizierungen schon seit Jahren sagten, ist jetzt offizieller Wortlaut.
Besonders interessant ist, wie es überhaupt zu dieser Prüfung kam. Es gibt nämlich zwei Arten, wie die BPjM über ein Spiel entscheiden kann, sobald die Prüfstelle von einer anderen Behörde gebeten wird, ein Spiel auf Jugendgefährdung zu prüfen. Entweder prüft ein kleines Dreiergremium, wenn die Entscheidung schon feststeht, oder ein großes Gremium mit zwölf Mitgliedern, falls Grund zur Debatte besteht.
Diesmal ist Letzteres der Fall, debattiert werden muss Mortal Kombat X wegen einer Demo. Der Publisher Warner Bros. veröffentlicht 2014 eine spezielle Gamescom-Demo, die ohne die brutalen Fatality-Manöver auskommt. Um diese Demo auf der Gamescom in Köln zeigen zu dürfen, muss sie Warner Bros. für eine Altersfreigabe von der USK prüfen lassen. Zu dieser Demo heißt es von der USK, dass die Spielfiguren zwar menschlich seien (ein wichtiger Faktor in der Bewertung der Jugendgefährdung), die Gewalt aber so überzogen und unrealistisch ausfalle, dass keine Jugendgefährdung bestehe.
Auch die in der Demo enthaltenen X-Ray-Moves, bei denen man den Knochen in einer Röntgenansicht beim Brechen zuschauen kann, waren für die USK kein Hindernis. Schließlich hatte die BPjM bereits anno 2013 bei Sniper Elite V2 festgestellt, dass eine Röntgenansicht kein Indizierungsgrund sei. Das Scharfschützenspiel erhielt ein 18er-Siegel. 2014 hatte das Verwaltungsgericht Köln außerdem die BPjM-Entscheidung rückgängig gemacht, die EU-Version von Sleeping Dogs wegen ihrer Fatalities auf Indexliste B zu setzen. Man könne hier keine Gewaltverherrlichung feststellen.
Streit im Gremium
Trotz dieser Präzedenzfälle reicht Warner Bros. das fertige Mortal Kombat X vor der Veröffentlichung im April 2015 gar nicht erst zur USK-Prüfung ein, da traditionell eben die Fatalities alleine genügten, damit Jugendschützer Alarm schlugen und das Spiel zur BPJM-Prüfung schicken. Die kostspielige Veröffentlichung und das zu erwartende Zurückziehen in Deutschland spart sich Warner damit. Doch das war voreilig. Denn genau die Argumentation der USK greift die BPJM mit dem aktuellen Urteil auf.
Dagegen argumentierten einige Mitglieder des Gremiums: »Ein Teil des Gremiums sah Mortal Kombat X als indizierungsrelevant an, da es Gewaltschilderungen aufweise, in denen auch realistische Waffen (Pistolen, Schwerter, Messer) zum Einsatz kämen, sich die Gewalt auch gegen menschlich gestaltete Wesen richte und insbesondere in den ›Fatalities‹, aber auch in den weiteren Spezialmanövern, die Gewaltfolgen in drastischen Einzelheiten präsentiert würden,« heißt es in der offiziellen Entscheidung über die Argumentation für eine Indizierung.
Und weiter: »Gerade die ›Fatalities‹ seien das prägende Element des Spiels, auf das sich seine Beliebtheit bei den Spielern gründe; jeder Spieler strebe deshalb als besonderen Anreiz und Erfolg an, eine ›Fatality‹ auszulösen. Dieses Spielelement sei als rein selbstzweckhafte und besonders brutale Darstellung von Gewalt einzustufen, weshalb insgesamt eine verrohende und zu Gewalttätigkeit anreizende Wirkung auf Kinder und Jugendliche vorliege und in der Abwägung mit der Kunstfreiheit den Belangen des Jugendschutzes der Vorrang einzuräumen sei.«
Zumindest, was die Darstellung der Gewalt und ihren Zweck für die Reihe angeht, sind das schlüssige Einwände. Überzeugender war dieses Mal aber das Argument der distanzierend wirkenden Fantasy-Gewalt. Innerhalb einer Stunde (der Standardlänge für eine Sitzung) kam die benötigte Zweidrittel-Mehrheit zustande, um einen Beschluss zu fassen. Am Ende war Mortal Kombat X nicht einmal ein besonders kontroverses Thema für das große Gremium. »Es könnte sein, dass die Verfahrensbeteiligten überrascht waren, ja,« räumt Petra Meier ein, und meint damit den Publisher Warner.
Nach dem BPjM-Nein zur Indizierung war der Weg für die USK-Prüfung jedoch plötzlich frei, am 14. Juli erteilte die USk Mortal Kombat X ein »ab 18«-Siegel.
Indziert, beschlagnahmt, verboten: So funktioniert der deutsche Jugendschutz
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