Jugendschutz in Deutschland - Indiziert, beschlagnahmt, verboten?

Der deutsche Jugendschutz wirft immer wieder Fragen auf. Wann etwa ist der Besitz eines Spiels tatsächlich verboten? Was geschieht bei einer Indizierung? Der GameStar-User DanTheKraut fasst die wichtigsten Vorschriften zusammen und erklärt, was sie bedeuten.

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Im Hinblick auf den deutschen Jugendschutz gibt es immer wieder Missverständnisse und Fragen: Wer entscheidet hierzulande über Altersfreigaben, und gibt es da einen Unterschied zwischen verpackten Versionen und Downloads? Was geschieht bei einer Indizierung, was bei einer Beschlagnahmung? Wann ist nur der Verkauf eines Spiel verboten, wann sogar sein Besitz? Und ist all das nicht eigentlich Zensur, die es in Deutschland offiziell gar nicht geben dürfte?

Der GameStar-User DanTheKraut hat die hiesige Gesetzeslage in einem ausführlichen Artikel zusammengefasst, um die wichtigsten Fragen zu klären und etwas Licht ins rechtliche Dunkel zu bringen. Alle Informationen in diesem Artikel lassen sich natürlich nachrecherchieren (siehe Quellenangaben am Ende), konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit erwünscht.

Der Autor
Dieser Artikel stammt aus dem User-Blog unseres Community-Mitglieds DanThe Kraut, der uns erlaubt hat, seine Zusammenfassung der Jugendschutzregeln zu überarbeiten und an dieser Stelle nochmals zu veröffentlichen. Vielen Dank!

Rechtlicher Hinweis
Alle Angaben sind selbstverständlich ohne Gewähr. Wer vor Gericht geht und gewinnen möchte, sollte einen Anwalt mitnehmen und nicht diesen Artikel. Oder zumindest nicht nur.

Viele Zombiespiele sind in Deutschland indiziert. Was bedeutet das? Viele Zombiespiele sind in Deutschland indiziert. Was bedeutet das?

»Eine Zensur findet nicht statt«

Oft hört man den Vorwurf, es sei staatlicher Zensur zu »verdanken«, dass manche Spiele in Deutschland nur beschnitten in den Handel kommen – selbst dann, wenn sie eigentlich nur für Erwachsene freigegeben sind. Und staatliche Zensur soll es in Deutschland ja eigentlich gar nicht geben, im Artikel 5 des deutschen Grundgesetztes (GG) heißt es nämlich:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Laut Absatz 1 findet also keine Zensur in Deutschland statt – aber warum gibt es dann die BPjM und gerichtliche Beschlagnahmungen? Die Antwort ist, dass mit diesem Satz die (staatliche) Vorzensur gemeint ist, etwas muss also erst veröffentlicht werden, bevor der Staat eingreifen darf (Nachzensur). Daneben sind in Absatz 2 weitere Schranken für Absatz 1 aufgezählt, darunter nun mal der Jugendschutz.

Die Freiheit der Kunst in Absatz 3 ist tendenziell nicht schrankenlos, sondern gilt im Rahmen der anderen Gesetze. Im Streitfall muss aber bei jedem Kunstwerk einzeln vor Gericht entschieden werden, was erlaubt ist und was nicht. Wenn also ein Publisher der Meinung ist, sein Spiel sei ein Kunstwerk und damit im Sinne des Gesetzes frei, dann muss er dies im Zweifelsfall gerichtlich durchsetzen – etwa, damit ihm die Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen im Spiel gestattet wird. Die Hersteller schrecken aber vor einem solchen – womöglich mit negativer Berichterstattung verbundenen – Gerichtsprozess zurück und nehmen lieber Änderungen für den deutschen Markt in Kauf.

Das Freigabesystem in Deutschland

In Deutschland ist die USK für die Prüfung von Spielen zuständig, ihr Alterssiegel muss auf der Packung gut sichtbar sein. In Deutschland ist die USK für die Prüfung von Spielen zuständig, ihr Alterssiegel muss auf der Packung gut sichtbar sein.

Grundsätzlich basiert die Jugendschutzprüfung eines Mediums in Deutschland auf freiwilliger Basis, dafür können drei Juristen verantwortlich sein, eine Kanzlei oder eine Prüfungsorganisation der jeweiligen Branche, also die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK), die Juristenkommission der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO-JK) und die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Anders als oft angenommen ist die USK also keine staatliche Behörde, sondern eine Organisation der Spieleindustrie, die aber natürlich an die geltende Rechtslage gebunden ist und staatliche Vertreter in ihre Prüfverfahren einbindet.

Eine (bestandene) Prüfung durch die FSK oder die USK hat den großen Vorteil, dass diese Medien nicht von der BPjM indiziert werden dürfen, was eine Vermarktung stark einschränken würde. Beschlagnahmt werden können von USK und FSK geprüfte Medien allerdings trotzdem – jedenfalls in der Theorie.

Sollte ein Medium keine USK-, FSK- oder JK-Freigabe haben, so gilt es in Deutschland als ungeprüft und ist automatisch ab 18 Jahren freigeben, es unterliegt aber keinen weiteren Einschränkungen, sondern darf frei verkauft werden. Dies gilt übrigens auch für ausländische Versionen eines bereits geprüften Mediums, egal ob es sich dabei um eine identische Version handelt oder nicht. Internationale Versionen gelten immer als ungeprüft und sind somit ab 18 Jahren freigegeben. Diese Medien können allerdings indiziert werden.

Man kann ein Medium in Deutschland auch ungeprüft veröffentlichen, was allerdings einige Nachteile mit sich bringt. So bieten viele Shops keine ungeprüften Medien an, und im Fall einer Beschlagnahmung (nach vorheriger Indizierung) hat man auch keine Rechtssicherheit, weshalb viele deutsche Unternehmen (oder Unternehmen mit deutschem Sitz) keine ungeprüften Medien in Deutschland veröffentlichen. So ganz freiwillig ist eine Prüfung bei FSK & Co. dann also doch nicht. Wer darauf verzichtet, hat nämlich große Probleme, ein Spiel überhaupt in den Handel zu bringen.

Gewalt ist nicht gleich Gewalt

Wenn ein Spiel ab 18 Jahren freigegeben wird, dann ist es eben nur für Erwachsene – so jedenfalls könnte man meinen. In Deutschland sieht die Sache aber etwas anders aus, hier ist »keine Jugendfreigabe« nicht immer gleichbedeutend mit »ab 18«. Was Gewalt betrifft, gibt es nämlich die folgenden Unterteilungen.

  • Keine Jugendgefährdung: Nur Titel ohne Jugendgefährdung dürfen von USK und FSK eine Freigabe erhalten. Das heißt, dass selbst Spiele und Filme mit »ab 18«-Siegel nicht jugendgefährdend sein dürfen – paradox.
  • Einfache Jugendgefährdung: Sobald USK und FSK auch nur eine einfache (also leichte) Jugendgefährdung feststellen, dürfen sie keine Freigabe mehr erteilen. Die einzige Ausnahme sind hier im Kino vorgeführte Filme, denen die FSK auch eine Freigabe geben darf, wenn sie eine einfache Jugendgefährdung festgestellt hat. Diese Freigabe gilt dann aber wirklich nur fürs Kino, nicht für die DVD- oder Blu-Ray- Fassungen. Filme mit einfacher Jugendgefährdung können zudem der SPIO-JK vorgelegt werden, und wenn diese weder einen Verstoß gegen das Strafrecht noch eine schwere Jugendgefährdung feststellt, bekommen sie die Freigabe »SPIO-JK geprüft: Keine schwere Jugendgefährdung«. Ein solcher Film kann zwar indiziert werden, aber bis dahin darf er frei ausliegen und verkauft werden - so wie jeder andere Film, dem die USK oder die FSK ein Ab-18-Siegel verleihen.
  • Schwere Jugendgefährdung: Schwer jugendgefährdende Medien sind per Gesetz automatisch indiziert und unterliegen damit den Beschränkungen des § 15 Abs. 1 JuSchG. Was genau das bedeutet, klären wir im übernächsten Absatz. Und was versteht man unter schwerer Jugendgefährdung? Im § 15 Abs. 2 JuSchG findet man eine entsprechende Antwort. Als schwer jugendgefährdend werden dort Medien definiert, die:

1. einen der in § 86, § 130, § 130a, § 131, § 184, § 184a, 184b oder § 184c des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,
2. den Krieg verherrlichen,
3. Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,
3a. besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen,
4. Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
5. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.

Die ursprüngliche Fassung von Command & Conquer: Generäle wurde 2003 indiziert, weil das Szenario »Kriegsbereitschaft in höchstem Maß« fördere. Die ursprüngliche Fassung von Command & Conquer: Generäle wurde 2003 indiziert, weil das Szenario »Kriegsbereitschaft in höchstem Maß« fördere.

Für schwer jugendgefährdende Filme gilt allerdings eine Sonderregel, die können nämlich der SPIO-JK vorgelegt werden, die wiederum die Freigabe »SPIO-JK geprüft: Strafrechtlich unbedenklich« vergeben kann, welche einen rechtlichen Schutz bietet. Sollte die SPIO-JK davon ausgehen, dass der Film gegen das Strafgesetz verstoßen könnte, so bleibt für einen unzensierten Release lediglich die ungeprüfte Veröffentlichung.

Von Träger- und Telemedien

In Deutschland gibt es nicht einfach nur »Medien«, vielmehr wird zwischen Träger- und Telemedien unterschieden. Trägermedien sind zum Beispiel die verpackten Retail-Versionen eines Spiels, der § 1 Abs. 4 JuSchG definiert Trägermeiden nämlich als:

Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. Dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien steht das elektronische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich, soweit es sich nicht um Rundfunk im Sinne des § 2 des Rundfunkstaatsvertrages handelt.

Telemedien umfassen vor allem Online-Angebote, etwa auf Steam, die im § 1 Abs. 5 JuSchG definiert werden als:

Medien, die nach dem Telemediengesetz übermittelt oder zugänglich gemacht werden. Als Übermitteln oder Zugänglichmachen im Sinne von Satz 1 gilt das Bereithalten eigener oder fremder Inhalte.

Und warum ist dieser Unterschied wichtig? Weil für Trägermedien das Jugendschutzgesetz (JuSchG) gilt, für Telemedien hingegen der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) – ein Umstand, der bei der Indizierung noch größere Bedeutung hat.

Steam-Angebote gelten im Sinne des Gesetzes als »Telemedien«. Steam-Angebote gelten im Sinne des Gesetzes als »Telemedien«.

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