Orks sind nicht nachtragend
Besonders gut gefällt uns in dieser Phase der Schlacht, dass die verbündeten Generäle durchaus auf eigene Faust Siegpunkte erobern und sichern dürfen. Allerdings können sie so auch in eine Falle geraten und in den Kämpfen schließlich ums Leben kommen - ein herber Verlust für Talions Armee. Hier stößt das Nemesis-System allerdings an seine Grenzen: Wir hätten uns gewünscht, dass sich unsere Generäle zum Beispiel merken, wenn wir ihnen in der Schlacht nicht zu Hilfe kommen oder sie gegen eine feindliche Übermacht auflaufen lassen. Die im Stich gelassenen Krieger könnten uns die unterlassene Hilfeleistung übel nehmen und sich deshalb bei der nächsten Gelegenheit gegen uns wenden. Doch all das sieht das Spiel nicht vor: Verschonen wir einen gegnerischen General im Kampf und rekrutieren ihn lieber für unsere Zwecke, wird er ein loyaler Gefährte. Bekämpfen wir ihn hingegen bis aufs Blut, wird er uns hassen. So einfach kann die Welt also auch sein.
Die Schlachten in den Festungen sind spürbar größer als jeder Konflikt im Vorgänger - und das ist nicht immer gut. Auf den Straßen der Stadt herrscht vor allem ein wildes Chaos aus Orkleibern, in dem es uns schwer fällt, eigene Truppen von Feinden auseinanderzuhalten. Auch das Freeflow-Kampfsystem, das noch immer stark an Batman: Arkham Asylum erinnert, offenbart hier eine Schwäche: Das Kampfsystem der Mittelerde-Spiele lässt den Konter-Button über Talions Kopf aufleuchten, sobald ein Feind zum Schlag ansetzt. Gleichzeitig ploppt auch über dem Kopf des Angreifers ein Blitz-Symbol auf, um wirklich sicherzugehen, dass wir nicht vergessen, uns zu verteidigen. Was auf den weniger dicht bevölkerten Ebenen von Mittelerde gut funktioniert, mutiert in der Straßenschlacht zu einem blinkenden Warnhinweis-Chaos, das uns mehr verwirrt als im Kampf unterstützt - und obendrein ordentlich an der Atmosphäre kratzt.
Schleichen? Fehlanzeige!
Eigentlich wollten wir die Festung ungesehen infiltrieren oder uns zumindest im großen Getümmel von hinten an die feindlichen Verteidigungslinien heranschleichen. Das hat allerdings so gar nicht geklappt: Bis zum ersten abgeschossenen Pfeil gelang es uns noch dank der großzügig verteilten Deckung in der Stadt ungesehen zu bleiben, danach zogen wir Orks an wie ein Magnet - selbst, wenn wir gar nicht in Sichtweite waren.
Bei dieser unerklärlichen Anziehungskraft hilft es auch nicht, dass die Stadt eigentlich groß genug ist und theoretisch genug Möglichkeiten für ein Versteckspiel bietet. Da der Entwickler die Stealth-Herangehensweise als echte Alternative zur "Kopf durch die Wand"-Methode vorschlägt, vermuten wir hinter diesem Problem einen technischen Bug. Bei der nächsten Gelegenheit werden wir hierauf noch einmal verstärkt achten.
Mit Abstand am fordernsten ist der Bosskampf im Thronsaal: Unser Widersacher hat einen imposanten Lebensbalken, der nicht nur von seiner dicken Haut, sondern auch einer Leibgarde aus etwa zwanzig gepanzerten Orks geschützt wird. Da unser Gegner zu allem Unglück auch noch Pyromane ist, züngeln aus Öffnungen in den Wänden regelmäßig Flammen um Talions Füße.
Um den Bossgegner zu besiegen, müssen wir fast unsere gesamtes Skill-Repertoire abrufen - und das kann sich durchaus sehen lassen. Über 100 Upgrades wie besonders brutale Angriffe, die Gegnern Angst einjagen oder Drei- und Vierfachsprünge, während denen wir wild unser Schwert schwingen, lassen sich im Spielverlauf freischalten. Dazu gesellt sich das im Vergleich zum Vorgänger neue Gear-System, das uns erlaubt, Waffen, Rüstungen und Ringe besiegter Gegner einzusammeln und selber anzulegen. In einem übersichtlichen Inventar-Bildschirm sehen wir auf einem Blick, welcher Gegenstand die optimale Wahl für uns ist, wobei hier Rollenspielfans kein allzu tiefgründiges System erwarten sollten.
Diese Neuerungen machen Talion zu einem unheimlich mächtigen Krieger, der in großen Schlachten wie der von uns ausprobierten problemlos ganze Stadtabschnitte von Feinden säubern kann, bevor er mit dem Boss endlich auf einen ebenbürtigen Gegner stößt. Es passt zur Idee von Talion als Figur, derart mächtig zu sein - uns hätte es allerdings besser gefallen, wenn auch schon die Kämpfe in der Stadt ein wenig anspruchsvoller gewesen wären, statt die Herausforderung auf diese finale Auseinandersetzung abzuwälzen.
Heroische Verwaltungsarbeit
Schließlich befreit Talion seinen orkischen Gegner von der Last eines Kopfes, klettert in einer Zwischensequenz auf den höchsten Turm der Stadt und verteilt reichlich Loban seine jubelnde, siegreiche Ork-Armee. Doch bevor die Schlacht wirklich beendet ist, wartet auf uns noch ein wenig Bürokratie, denn wir müssen entscheiden, welcher unserer Generäle zum Statthalter ernannt werden soll. Diese Wahl ist alles andere als unwichtig, denn je nachdem, zu welchem der sieben Orkstämme unser Auserwählte gehört, ändert sich auch die Produktion der frisch eingenommenen Stadt.
Manche Orks bemühen sich beispielsweise um die Rekrutierung von neuem Kanonenfutter, andere bauen begeistert an Belagerungsgeräten. Die Entscheidung, die wir hier treffen, soll dabei nicht nur die Armeezusammensetzung unserer nächsten Schlacht beeinflussen, sondern sich auch in der Spielwelt selbst bemerkbar machen. Die eroberten Festungen ändern beispielsweise passend zu ihren Besitzern ihr Aussehen und stampfen Kasernen, industrielle Fabriken oder Schießanlagen aus dem Boden.
Apropos Spielwelt: Von der haben wir bisher erstaunlicherweise nur sehr wenig gesehen. Alle veröffentlichten Trailer und auch unser Anspieltermin rücken die Belagerungsschlachten in den Vordergrund, die laut Entwicklerteam allerdings "nur ein kleiner Teil des Spiels sind", und mit denen wir uns je nach Spielweise lediglich alle drei bis fünf Stunden auseinandersetzen sollen. Der große Rest von Mittelerde: Schatten des Krieges soll sich in einer abwechslungsreichen Welt mit unterschiedlichsten Klimazonen und Landschaften abspielen, wo wir der Hauptgeschichte sowie einigen Nebenmissionen hinterherjagen. Wie das genau funktionieren soll, wollten wir im Interview mit Chef-Entwickler Bob Roberts herausfinden, doch der lenkt das Gespräch schnell zum Nemesis-System zurück, auf das das Team so stolz ist.
Bei diesem Anspieltermin stehen spielmechanische Neuerungen wie das neue Gear-System, die vielen Fähigkeiten von Talion sowie die Finessen einer Belagerungsschlacht im Vordergrund. Andere Gesichtspunkte wie die Komplexität der Hauptgeschichte, wie die Nebenmissionen aussehen könnten und ob Talion als Charakter etwas mehr Tiefe gewinnt, kommen mit keiner Silbe zur Sprache. Die Welt ist im Wandel, wie Galadriel einst gesagt hat und diese Worte treffen ohne Zweifel auch auf Mittelerde: Schatten des Krieges zu, das noch größere Ambitionen als sein Vorgänger hat.
Ob Schatten des Krieges aber ein tolles Spiel wird? Das können wir anhand der bisher gezeigten und spielbaren Versionen schlichtweg noch nicht sagen. Die Belagerungen spielen sich klasse, aber auch das Drumherum muss passen. Warum uns die Entwickler die offene Spielwelt mit ihren Nebenmissionen bislang noch nicht zeigen wollen, wissen wir leider nicht, doch die Hoffnung ist noch stark in uns, dass Monolith Games das durch ansprechende Niveau ihrer Belagerungsschlachten auch im restlichen Teil des Spiels halten können.
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