Ein tiefschwarzer Schatten liegt über Mittelerde: Der dunkle Fürst Sauron versammelt eine Armee aus Orks, Trollen und anderen Monstrositäten, um die freien Völker in Gefangenschaft zu zwingen. Nur ein Held ist mutig genug, ihm entgegenzutreten. Allerdings sind nicht Aragorn, Frodo oder Gandalf gemeint, sondern der Waldläufer Talion, der rund 60 Jahre vor den Ereignissen der Ring-Trilogie einen verzweifelten Plan fasst: Er will einen Bürgerkrieg im Herzen von Mordor anzetteln, um die Eroberungspläne von Sauron so lange hinauszuzögern, bis die freien Völker Mittelerdes eine eigene Streitmacht versammelt haben.
Spannender könnte die Prämisse von Mittelerde: Schatten des Krieges kaum sein, das noch größer, noch beeindruckender, noch epischer und komplexer als der Vorgänger Mittelerde: Mordors Schatten werden will. Was hinter diesen Versprechen wirklich steckt, konnten wir im Rahmen eines Anspielevents in Berlin nun erstmals selbst herausfinden und hatten dort weitaus mehr zu tun, als nur ein paar Orks um ihre Köpfe zu erleichtern.
Nemesis 2.0
Die Entwickler wählen eine bestimmte Passage ihres Spiels, um uns möglichst viele der neuen Features von Mittelerde: Schatten des Krieges präsentieren zu können: Die Eroberung einer feindlichen Festung, wie wir sie bereits aus den Trailern des Spiels kennen. Trotzdem soll uns dank des Nemesis-Systems nichts von dem bekannt vorkommen, was wir da auf dem Bildschirm vor uns sehen.
Das Nemesis-System ist einer der wichtigsten Bausteine von Mittelerde: Mordors Schatten und macht aus eindimensionalen Standard-Gegnern wie Orks & Co. echte Persönlichkeiten mit individuellen Charakterzügen, die sich an unsere bisherigen Aufeinandertreffen erinnern. Während die Hauptgeschichte des Spiels nur wenig Tiefgang bietet, sind es diese dramatischen Konfrontationen zwischen Talion und den namhaften Orks, die der Spielwelt von Mordors Schatten so viel Atmosphäre verleihen.
"Wir haben hart an unserem Nemesis-System gearbeitet und es noch größer und umfangreicher als im ersten Teil gemacht. Keine Belagerung gleicht der anderen, jeder Spielmoment ist einzigartig!", verspricht uns Matthew Allen, einer der leitenden Entwickler bei Monolith Games. Für ihr 2014 erstmals vorgestelltes, damals bahnbrechendes Feature ernteten die Entwickler viel Lob. Logisch, dass sie es nun ganz in den Mittelpunkt ihres neuen Spiels rücken wollen.
"Jeder einzelne Ork führt in ein eigenes Leben, das von den Begegnungen mit Talion geprägt und beeinflusst wird", führt Allen weiter aus. So können wir unsere Opfer nicht nur um ihren Kopf erleichtern oder wie noch im ersten Teil zumindest für kurze Zeit wie seelenlose Zombies für uns kämpfen lassen. Stattdessen bekommen wir nun die zusätzliche Option, besiegte Gegner zu rekrutieren und sie mitsamt ihren Truppen für uns kämpfen zu lassen. Oft eine weise Entscheidung, denn bei den verlustreichen Belagerungschlachten wird jeder Verbündete gebraucht, der eine Waffe halten kann.
Planen, planen, planen
Die Belagerungsschlachten in Mittelerde: Schatten des Krieges beginnen mit einer intensiven Planungsphase. Bevor wir einen Fuß auf das Schlachtfeld setzen, studieren wir auf einem Übersichtsbildschirm die fein säuberlich aufgelisteten gegnerischen Verteidigungsanlagen und Truppenverbände. Hier macht sich das Nemesis-System besonders bemerkbar: Jeder unserer Widersacher schraubt eine zu ihm passende, individuelle und charakteristische Waffe an die Mauern oder an die Arme seiner Soldaten. In unserer Schlacht müssen wir beispielsweise die Festung einem Ork entreißen, der eine große Faszination für Feuer hegt und deswegen seine Bogenschützen allesamt mit Feuerpfeilen ausgerüstet hat. Seine Feldherren haben unterdessen Steine werfende Trolle auf den Türmen positioniert und Giftfallen in den Gassen der Stadt verteilt.
Mit diesem Wissen können wir nun unsere eigenen Truppen mit einigen Upgrades wie explosiven Sprengfässern, mehr Leitern oder feuerspeiende Nazguls ausrüsten. Diese Aufwertungen kaufen wir mit Punkten, die wir durch gewonnene Belagerungsschlachten und erfüllte Quests in der Story-Kampagne gesammelt haben. Auf Nachfrage erklärt uns hierzu eine Entwicklerin, dass die einzelnen Upgrades sehr teuer seien und daher der Kauf gut überlegt werden müsse. Scheitert unser Angriff, sind auch alle von uns investierten Upgrades futsch und wir müssen für die nächste Schlacht erst mal neue verdienen.
Stark durch Echtgeld?
Wir sprechen die Entwicklerin auf ein goldenes Symbol neben den grauen Upgrade-Punkten an, das eine Null anzeigt und fragen, ob das ein Hinweis auf eine Upgrade-Punktewährung ist, die mit Echtgeld gekauft werden kann. Wir werden an Chef-Entwickler Bob Roberts verwiesen, der unsere Frage allerdings nicht eindeutig beantworten will: "Wir wollen im Team noch über alle Möglichkeiten sprechen. Es sollen allerdings keine Inhalte nur exklusiv für manche Spieler verfügbar sein, wir wollen die Community nicht spalten." Als eindeutige Absage an Mikrotransaktionen lässt sich diese Antwort wohl eher nicht lesen.
Nachdem wir die Planungsphase hinter uns gebracht und die Truppen ausgerüstet haben, betreten wir das Schlachtfeld, wo wir direkt von einer flammenden Hohnrede unseres Widersachers erwartet werden. Dabei zählt er zwischen den bildgewaltigen Schimpfworten dankenswerterweise noch einmal die Fallen und Verteidigungsanlagen auf, die auf uns warten, bevor die Generäle meiner Armee das Wort ergreifen. Diese kurzen Reden heizen die Stimmung auf dem Schlachtfeld ordentlich an und geben den Charakteren, die aus dem Nemesis-System hervorgegangen sind, eine kleine Bühne zur Selbstdarstellung.
Und die ist keinesfalls immer bitterböse und ernst: Mehr noch als in Mittelerde: Mordors Schatten haben die Orks, Trolle und alle anderen Mordor-Kreaturen einen gewissen Sinn für Humor entdeckt und reißen teils erstaunlich kreativ-abschätzige Späße über Talion. Auf unseren Schlachtfeldern treibt sich beispielsweise ein kleingewachsener Ork herum, der Hut samt Halskrempe trägt und uns mit seiner Gitarre wie ein wütender Minnesänger beschimpft. In der Schlacht funktioniert er das Instrument dann mit typisch orkischer Effizienz zum hölzernen Prügel um.
Kampf um die Siegpunkte
Irgendwann ist auch die spektakulärste Rede beendet und wir dürfen endlich den Angriff auf die Festung beginnen. Schon nach wenigen Schritten haben wir den Steinwall erreicht und klettern an ihm mit einer Eleganz empor, die einen Ezio Auditore aus Assassin's Creed 2 vor Neid erblassen lassen würden. Oben angekommen machen wir aus den Orks kurzen Prozess und versuchen uns anschließend, für einen kurzen Moment zu orientieren.
Die Generäle unserer Armee haben ihre Truppen selbstständig durch das Eingangstor der Festung geführt und befinden sich nun in einem erbitterten Kampf gegen zwei Dutzend Orks, um einen Siegpunkt - bunt leuchtende Kreismarkierungen auf dem Boden- zu erobern. Drei dieser Siegpunkte, die in der Stadt verteilt sind, müssen wir einnehmen, bevor wir einen Bosskampf mit dem General freischalten, der uns in seinem Thronsaal erwartet. Die Frage, warum ausgerechnet der mächtigste Krieger der feindlichen Armee nicht seinen Truppen beisteht und stattdessen brav auf uns wartet, will die Entwicklerin, die mir während der kompletten Spielzeit auf die Finger schaut, allerdings nicht beantworten.
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