Microsoft killt gerade einen Teil meiner Jugend und verfehlt damit seine selbstgesteckten Ziele

Die Xbox 360 verliert demnächst eine elementare Funktion, die eine ganze Generation geprägt hat – zu der auch Hardware-Autor Chris gehört.

Das wars mit dem Xbox 360-Store. Da muss sich wahrscheinlich sogar der Master Chief eine Träne verkneifen. Das war's mit dem Xbox 360-Store. Da muss sich wahrscheinlich sogar der Master Chief eine Träne verkneifen.

Einmal wird noch durchgewischt, dann gehen die Lichter aus – Microsoft schließt kommenden Montag die Pforten zu einer der für mich prägendsten Videospielinstitutionen unserer Zeit: dem Xbox 360-Marktplatz. Ab diesem Zeitpunkt können keine Spiele mehr für den Konsolen-Dino gekauft werden, der Shop wird ersatzlos gestrichen. Und ich ärgere mich darüber, da der gezogene 360-Stecker überhaupt nicht zur Agenda der Xbox-Marke passt.

Wie ein Shop eine ganze Ära geprägt hat

Der 360-Marktplatz war mein erster Kontakt mit digital verkauften Inhalten, im Konsolen-Segment gab es zuvor nichts Vergleichbares. Ich habe mir Addons für meine Spiele gekauft, Map Packs für Halo 3 und CoD4, zusätzliche Handlungsstränge für The Elder Scrolls IV: Oblivion und Auto-Pakete für Forza Horizon.

Auf den Shivering Isles habe ich mich für den Deadra-Fürsten Sheogorath mit den Rittern der Ordnung angelegt. Auf den Shivering Isles habe ich mich für den Deadra-Fürsten Sheogorath mit den Rittern der Ordnung angelegt.

Außerdem habe ich mir mein Spielerprofil mit einem Gamer Pic vom Master Chief aufgehübscht, ein cooles Gears of War 3-Thema in den Hintergrund geklatscht und natürlich die rein digital erhältlichen Xbox Live Arcade-Spiele genossen!

Ich rannte regelmäßig über die 2.5D-Schlachtfelder von Bomberman Live, rettete Prinzessinnen in Castle Crashers, brach mir sämtliche Knochen in Trials HD und ärgerte meine Online-Freunde über hunderte Abende hinweg in der 360-Adaption von UNO.

Nach aufregenden Runden Gears of War und CoD schön die Musik aufdrehen, UNO an und quatschen – das waren die besten Abende auf der Xbox 360. Nach aufregenden Runden Gears of War und CoD schön die Musik aufdrehen, UNO an und quatschen – das waren die besten Abende auf der Xbox 360.

Erschuftet habe ich mir die ganzen Goodies über Ersparnisse aus Ferienjobs und Taschengeld, die dann gegen Microsoft Points-Kärtchen an der örtlichen Tanke getauscht wurden. Die Käufe mussten also sitzen und sie taten es meist auch, schließlich gab es zu allem eine Demo oder Vorschauversion.

Etwas später im Lebenszyklus der 360 kam dann noch eine der größten Neuerungen hinzu: Große Double- und Triple-A-Spiele konnten aus dem Store heruntergeladen und installiert werden. Das gab es zuvor noch nie und es änderte so einiges – schließlich gab es 360-Spiele (abseits der Indie-Titel) davor ausschließlich als physische Kopie im Einzel- und Versandhandel.

War die Auflage bei nischigen Titeln vergriffen, gab es sie schlicht nicht mehr. Nun konnte ich sie in digitaler Form kaufen, ohne jegliche Beschränkungen. Wahnsinn!

An das grandiose Chronicles of Riddick kam ich irgendwann kaum noch heran, aber es gab ja den Online-Marktplatz! An das grandiose Chronicles of Riddick kam ich irgendwann kaum noch heran, aber es gab ja den Online-Marktplatz!

Kurzum: Es war eine innovative Zeit, in der viel experimentiert wurde und in der Neuerungen das Licht der Welt erblickten, die wir heutzutage als gegeben betrachten.

Chris Werian
Chris Werian

Chris hat 2005 mit ganz viel Glück einen Tag vor Weihnachten eine zum damaligen Zeitpunkt komplett vergriffene Xbox 360 mit 20 Gigabyte-Festplatte bekommen. Nicht nur wurde für ihn damit das HD-Zeitalter angestoßen, ein Jahr später ging es dann sogar noch mit dem ersten, kriechend langsamen DSL-Lite-Anschluss ins Internet. Und die Zugänglichkeit, die er bei Xbox Live und dem Xbox 360-Marktplatz vorfand, war einfach bahnbrechend.

Microsoft knipst dem 360-Marktplatz das Licht aus

Vor fast genau einem Jahr kam dann die Meldung, dass Microsoft den Xbox 360-Marktplatz abschalten wird. Also knapp 11 Jahre, nachdem die 360 von der Xbox One abgelöst wurde. Und für mich passt das einfach nicht in die Bestrebungen des amerikanischen Tech-Giganten.

Der langfristige Erhalt von älteren Spielen wurde von der Xbox-Sparte stets als wertvolles Gut betrachtet, weshalb auch dementsprechend agiert wurde: Erst vor einigen Monaten wurde eine dedizierte Game Preservation-Abteilung gegründet, außerdem sind zahlreiche Xbox Classic- und 360-Spiele mit dem Betriebssystem der Xbox One- und Xbox Series-Generation kompatibel sowie in den modernen Stores erhältlich.

Aber eben nicht alle. So wird etwa der stylische Schnetzler The Dishwasher für ewig im digitalen Nirvana verschwinden, weil er es auf keine andere Plattform geschafft hat. Ein paar weitere Spiele gibt es zudem noch im PS3-Store, aber wer weiß, wie lange es den noch geben wird –  abgeschaltet werden sollte er in der Vergangenheit ja bereits, Sony erschwerte dann nach Fan-Protesten erheblich den Kauf. Der Großteil der 360 Arcade-Spiele hat es zudem auf den PC geschafft, aber im Xbox-Kosmos gibt es die Spiele nach der Abschaltung schlicht nicht mehr.

The Dishwasher ist minimalistisch und es fliegen ordentlich die Fetzen. Schade, dass es Videospielhistorie getilgt wird. The Dishwasher ist minimalistisch und es fliegen ordentlich die Fetzen. Schade, dass es Videospielhistorie getilgt wird.

Zudem ist ein Online-Vertrieb perfekt für Retro-Fans, da er das Preisgefüge stabil hält. Ich habe mal bei einigen nicht-abwärtskompatiblen 360-Spielen nachgeschaut, was mich eine physische Kopie kosten würde und huuuuuiiiii, bei einigen Titeln ist sogar eine gebrauchte Version alles andere als günstig.

Beliebte Titel aus der Crash Bandicoot-Reihe konnte ich zum Beispiel nicht mehr für unter 60 Euro entdecken, für eine lokalisierte Fassung des Mecha-Shooters Armored Core: Verdict Day werden gern mal 80 Euro fällig. Ähnliche Preisexplosionen habe ich zuvor auf so ziemlich allen Konsolenplattformen beobachtet und es ist jedes Mal ein Ärgernis.

Eine Abschaltung war langfristig zu erwarten, erwischt mich aber immer noch auf dem falschen Fuß

Ich kann den Gedanken hinter der Abschaltung des 360-Marktplatz nachvollziehen, schließlich kostet die Aufrechterhaltung viel Geld. Ein Großteil der beliebtesten Spiele ist zudem auf Xbox One und Xbox Series X|S spielbar und es wird nur noch eine wirklich kleine Community weiterhin an der Xbox 360 zocken.

Außerdem dürfte die Rechtelage irgendwann unüberschaubar bei den Titeln werden, deren Publisher geschlossen wurden oder bei denen Markenrechte nicht mehr verlängert werden. Nicht grundlos wurden über die letzten Jahre hinweg bereits über 400 Spiele aus dem Angebot gekickt.

Die Arcade-Racer-Legende Blur ist zum Beispiel der Schließung von Bizarre Creations zum Opfer gefallen. Die Arcade-Racer-Legende Blur ist zum Beispiel der Schließung von Bizarre Creations zum Opfer gefallen.

Dennoch schaue ich wehmütig auf die Schließung des Marktplatzes, da er Teil einer absoluten Revolution im Hinblick auf Online-Gaming auf den Konsolen war. Gleichzeitig bin ich auch ein wenig verärgert, da es für mich nicht passt, dass ausgerechnet Microsoft mit seinem großen und selbst auferlegten Preservation-Anliegen noch vor Sony den Rotstift ansetzt.

Nach all den Bekundungen der Vergangenheit fühlt sich eine Einschränkung der Verfügbarkeit von 360-Spielen schlichtweg falsch und verfrüht an.

Glücklicherweise laufen aktuell aber noch ein paar Rabatte, bei denen ihr für ein bisschen Klimpergeld zuschlagen könnt. Denn: Ihr behaltet die Spiele und könnt sie auch weiterhin (in einem extrem unübersichtlichen Transaktionsverlauf) herunterladen.

Meine Favoriten im Angebot:

Aber auch abseits dieser Empfehlungen solltet ihr unbedingt noch einmal durch den ganzen Marktplatz blättern, und dringend überlegen, ob ihr nicht doch noch einen bestimmten Titel nachholen möchtet. Bis zum 29. Juli ist das jetzt nämlich die allerletzte Möglichkeit!

Findet ihr es auch so schade, dass der 360-Store abgeschaltet wird? Oder habt ihr die Generation schon längst hinter euch gelassen?

zu den Kommentaren (32)

Kommentare(32)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.