Matsch unter den Füßen. Starker Regen. Heisere Schreie. Ein Panzer donnert den Hügel hinab. Explosionen. Ratternde Maschinengewehre. Und sehr viel Blut.
Was wie eine verstörende Momentaufnahme aus einem Kriegsfilm klingt, die sich vor Steven Spielbergs Normandie-Landung in »Der Soldat James Ryan" nicht verstecken müsste, ist stattdessen eine Spielszene aus Battlefield 1. Und bei obiger Beschreibung übertreibe ich kein bisschen: Die beeindruckende Frostbite 3-Engine lässt uns durch unglaublich echt wirkende Kulissen wandern, während ständig Soldaten Befehle brüllen, Todesschreie von sich geben oder Status-Berichte aufsagen. Es ist eine ungeschönte und bildgewaltige Präsentation, die vor dem Hintergrund der jüngsten Geschichte der Spielserie ganz besonders auffällt.
Ein Schritt zurück: Battlefield am Scheideweg
Mit Battlefield 2 gab EA im Jahr 2005 eine neue Stoßrichtung für das Franchise vor, die aus dem Vietnam-Dschungel und dem Zweiten Weltkrieg zu modernen Schlachtfeldern führte. Zehn Jahre lang sollten Shooter-Fans nun in den kommenden Spielen fast durchgehend austauschbare Wüstengebiete und anonyme Großstadtfassaden belagern.
Der Autor
Dom ist sehr gespannt darauf, wie die Kampagne mit dem Ersten Weltkrieg als Schauplatz umgehen wird und ob sie die schockierenden Momente der Multiplayer-Schlachten ohne Effekt-Hascherei einfangen kann. Allzu viel erhofft er sich allerdings nicht, denn am Ende des Tages muss auch Battflefield 1 immer noch irgendwie Spaß machen - und Geld verdienen.
Diese neugewonnene Anonymität des virtuellen Schauplatzes war für die Serie eine Wohltat: Neben der erzählerischen Abwechslung, die die Entwickler den müden Vietnam- und Normandie-Veteranen bieten konnten, befreite sich die Serie fast gänzlich von den Lasten eines historischen Settings. Es waren anonyme Schlachten zwischen anonymen Fraktionen, das Gameplay stand im Gegensatz zum Kontext unübersehbar im Vordergrund.
Kolumne:Battlefield 1 ist ein Alptraum für Einsteiger
Battlefield Hardline stellte diese Situation vor einem Jahr auf den Kopf: Nach einer halben Dekade voller virtueller Massenschlachten wollte EA für frischen Wind sorgen und versuchte sich an einer Crime Story, die an TV-Formate wie NAVY CIS oder Autobahnpolizei erinnerte. Auch spielerisch gab es Konsequenzen: Auf den deutlich kleineren Multiplayer-Karten bekämpften sich nun Polizisten und maskierte Verbrecher - eine Gegenüberstellung, die besonders durch die damals jüngsten Ereignisse in Frankreich unversehens an Aktualität gewonnen hatten.
Am 07. Januar 2015 stürmten zwei maskierte Täter das Redaktionsbüro der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris, töteten elf Personen, verletzten mehrere Augenzeugen und töteten während ihrer Flucht schließlich noch einen Polizisten. Die Angreifer bekannten sich später zur Terrorgruppe Al-Quaida im Jemen.
Die Ereignisse an diesem Vormittag hielten die gesamte französische Hauptstadt in Atem, via Livestreams der verschiedenen Nachrichtenkanäle verfolgten weltweit tausende Zuschauer die Geschehnisse. Der Dualismus Polizei und Staat versus Verbrecherschaften und Terrorismus hatte eine grausame Aktualisierung erfahren und in den Köpfen der Menschen eine noch lang pulsierende Narbe hinterlassen.
Drei Monate später erschien Battlefield Hardline. Dieses neue Battlefield erzählte in der Kampagne zwar die Geschichte von zwei amerikanischen Detectives, die eine Drogengang jagen, doch der Multiplayer, das Herz des Spiels, zeichnete ein anderes Bild: Hier tritt die Polizei vor austauschbaren Großstadtkulissen gegen Verbrecher an, die Banken ausrauben, Geiseln nehmen oder wertvolle Aktenkoffer zu sichern versuchen. Der Launch Trailer zeigte Bilder, die an die Berichterstattung zu Charlie Hebdo erinnerten und kreierte so völlig unbeabsichtigt eine unangenehme unterschwellige Stimmung. Hinzu kam eine Soundkulisse, die - ausgerechnet jetzt - mit allem brach, was uns das Franchise zuvor geboten hatte.
Vorschau:Endlich wieder Teamplay in Battlefield 1
Statt Explosionen im Sekundentakt, rollendem Panzerlärm und Kampfflugzeugen, die über unseren Köpfen hinwegdüsen und kilometerweit von unserer westlichen Lebenssituation entfernt sind, hören wir vor allem eines: Schreie und weithin hallendes Patronenfeuer, das der gesamten Szenerie eine unangenehm intime Atmosphäre verleiht. Der bewaffnete Konflikt war mit Battlefield Hardline auf eine Größe geschrumpft, die dem Spielgeschehen einen seltsamen Beigeschmack verliehen hatte.
Der Schauplatz des Spiels blieb weiterhin so anonym wie die großen Massenschlachten der Vorgänger, doch durch das unglückliche Timing drängte sich Runde für Runde der unangenehme aktuelle Bezug zu den Ereignissen in Frankreich mal stärker, mal schwächer auf. Für das Ignorieren dieser konkreten Geschehnisse kurz vor Release von Hardline können die Entwickler allerdings kaum kritisiert werden - die Probleme des Spiels lagen woanders, beispielsweise bei der ganz offenen und unreflektierten Fetischisierung von Polizeigewalt. Jetzt, mit Battlefield 1, muss sich das Franchise allerdings wirklich erstmals die Frage gefallen lassen, wie es mit einem echten historischen Schauplatz, der innerhalb der Videospielwelt eine Sonderrolle einnimmt, umzugehen plant.
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