Die Limits des Budgets
So stehen wir also da, nach zwei Stunden mit Mars: War Logs und am Ende des ersten Aktes: Wir haben uns ein bisschen in das Spiel verguckt. Es ist wie die Liebe zu einem ungeschliffenen Diamanten, denn natürlich merkt man Mars: War Logs an allen Ecken und Enden sein limitiertes Budget an: Die Optik ist zwar stimmig, leidet aber an lächerlichen Gesichtsanimationen. Backtracking steht an der Tagesordnung und da bei jeder Tür eine kurze Animation abläuft, die man mit einem Klick abbrechen muss, nervt das Herumgelaufe noch einen Tick mehr. In den Kämpfen wiederum bockt die Zielerfassung regelmäßig rum.
Die Atmosphäre bricht durch seltsame Designentscheidungen manchmal ein - der oben genannte Technomant hört etwa auf den »furchteinflößenden« Namen Sean. Die ganz gelungene englische Sprachausgabe ist teilweise sehr schlampig deutsch untertitelt. Und viele wichtige Story-Zusammenhänge müssen wir in schnöden Text-Logbüchern nachlesen - um nur einige Mankos zu nennen. Aber besonders bei einem Budget-Titel kann und muss man die in Kauf nehmen - wenn der Rest motiviert und Spaß macht. Und das tut er. Bis Roy und Innocence aus dem Knast ausbrechen.
Enttäuschung beim zweiten Date, pardon Akt
Ab diesem Zeitpunkt geht unsere Beziehung zu Mars: War Logs Schritt für Schritt in die Brüche. Vorsicht: In diesem Absatz folgen leichte Spoiler zum zweiten Akt. Die brauchen wir aber, denn als erstes gehen Handlung, Charaktere und Atmosphäre von Mars: War Logs in die Knie. Kaum sind wir aus dem Kriegsgefangenenlager entkommen, wird auch der breit beschriebene Krieg zwischen den eingangs erwähnten Gilden in einem lapidaren Nebensatz einfach mir nichts dir nichts beendet.
So etwas ist exemplarisch, denn im weiteren Spielverlauf werden Charaktere, Themen und ganze Handlungsstränge ähnlich eilig, konfus und nebensächlich abgehandelt. Selbst die Dialogoptionen verlieren ihren Reiz, denn unsere Antworten haben selten spürbare Auswirkungen. Soldaten unserer Fraktion attackieren uns, obwohl wir ihnen in Ruhe erklärt haben, dass wir gerade aus einem Kriegsgefangenenlager entkommen sind. Die Adjutantin von Sean hasst uns abgrundtief, trotzdem haben wir ein paar Augenblicke später eine Liebesszene mit der Dame. Das zerstört die anfangs so dichte und in sich konsistente Atmosphäre komplett.
Ähnlich undurchsichtig wie so mancher Plot-Twist ist die Funktionsweise des Ruf-Systems. Zweimal haben wir Feinde per Serum-Entzug getötet und entsprechend einen schlechten Ruf verpasst bekommen - so weit so verständlich. Wie aber Quests, Dialoge und das allgemeine Verhalten genau auf den Ruf wirken, das haben nicht nur wir kaum verstanden - auch in den Foren sind sich die Spieler uneins darüber.
Ernüchternde Aussicht
Parallel zur Story werden auch die Kämpfe immer seichter - nicht in Bezug auf den Anspruch, sondern auf die Abwechslung. Klar stehen uns immer mehr Varianten zur Verfügung, etwa eine Art Elektro-Magie mit Stoßwellen und Energieschilden. Auch die Feinde werden ausgefuchster und schützen sich beispielsweise mit Schilden. Im Endeffekt laufen die Kloppereien aber stets ähnlich ab: Aus der Ferne ein bisschen Schaden machen und dann die immer gleiche Kombination aus Blocken, Zuschlagen, Ausweichrolle. Unsere Kameraden sind im Gefecht zunehmend nutzlos, da sie recht flott KO gehen. Eine Kameradin erwischt uns gar andauernd mit ihrem Flächenangriff, den sie ohne Rücksicht auf Verluste in das Getümmel donnert. Verbessern dürfen wir unsere schwachbrüstigen Begleiter auch nicht.
Apropos verbessern: Das Fertigkeiten-System mag den Eindruck erwecken, dass wir Roy spezialisieren dürfen. Im Laufe des Spiels können wir den Talentebaum aber so flott füllen, dass die Charakterentwicklung im Endeffekt wieder ziemlich linear wird. Zumindest ein paar gute Bosskämpfe hätten diesbezüglich die Spannungskurve retten können - Gefechte gegen dicke Brocken sind aber nur selten und noch seltener als Höhepunkte inszeniert. Das ist aber wiederum den erwähnten Limits eines Budget-Titels geschuldet. So schließt sich der Problem-Kreis von Mars: War Logs: Einschränkungen aufgrund der Entwicklungsressourcen sowie nicht zu Ende gedachte Ideen geben sich die Klinke in die Hand und zerstören unsere anfangs so gute Beziehung zu dem Action-RPG.
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