Ein Kinderzimmer in den 90er-Jahren: Zwei Mädels sitzen vor einem Röhrenfernseher, SNES-Controller in der Hand, und streiten sich, wer Dixie Kong spielen darf - und an wem der langweilige Didi hängenbleibt. Eines dieser Mädchen bin ich, die andere ist meine beste Freundin.
Als wir Donkey Kong Country 2 - übrigens immer noch eines meiner Lieblingsspiele aller Zeiten - für uns entdeckten, waren wir völlig fasziniert: Da gab es doch tatsächlich eine coole weibliche Hauptfigur. Dass es sich bei dieser um ein Affenmädchen handelte, störte uns nicht im Geringsten. Warum Dixie für mich ein echter Meilenstein war und welche Vorteile ich bei tierischen Charakteren sehe, verrate ich euch hier.
Ich nahm, was ich kriegen konnte
Als Grundschulkind in den 90er-Jahren war meine Zockerinnenkarriere stark beeinflusst von einem Mangel an Geld und Informationen. Videospiele musste ich mir von meinem Taschengeld zusammensparen und das Internet war noch nicht die unerschöpfliche und einfach zugängliche Wissensquelle, die es heute ist.
Was ich über Games wusste, beruhte zum Großteil auf eigenen Erfahrungen mit Titeln, die ich oft nach Cover oder bekannten Namen aussuchte. Darunter waren zunächst Tetris, Super Mario Land und World, Disney-Adaptionen, einige exotischere Spiele - und natürlich das erste Donkey Kong Country.
Welche Geschichten diese Spiele erzählten, oder wen ich eigentlich spielte, interessierte mich bis dahin wenig. Die Qualität des Spielerlebnisses machte ich am Spaßfaktor und hübschen Levels fest - und da überzeugte Donkey Kong Country voll und ganz. Entsprechend groß war die Vorfreude auf die Fortsetzung. Dass mich auch die Protagonistin des Spiels überzeugen würde, hätte ich nicht geahnt. Von Samus Aran hatte ich übrigens noch nie gehört. Wie gesagt, es war schwierig…
Zur Abwechslung mal ein Mädchen?
Mein etwa zehnjähriges Ich war zu der reflektierten Feststellung "Mir fehlte bisher die weibliche Repräsentation in Videospielen" noch nicht fähig. Ich würde sogar behaupten, dass mir nicht einmal bewusst war, dass Games interessante Charaktere hervorbringen könnten. Umso größer war die Überraschung, als ich mich ganz unverhofft zum ersten Mal mit einer Videospiel-Protagonistin identifizieren konnte.
Woran das lag? Dixie war mir einfach sofort sympathisch: Sie war wie ich ein Mädchen mit langem Zopf und setzte diesen auch noch clever zu ihrem Vorteil ein, indem sie ihn als Propeller nutzte. Das verlieh ihr etwas ganz Individuelles. Ließ man sie eine Weile an einem Platz stehen, kaute sie Kaugummi und ließ Blasen platzen - wie ich das eben auch gerne machte. Landete man perfekt auf der Zielplattform, dann rockte sie mit einer E-Gitarre ab. Etwas, das mir in meinem musikalischen Umfeld sehr vertraut war. Einziges Manko: Wenn ein Gegner sie traf, heulte sie, während ihr männlicher Kollege sich bloß ärgerte. Abgesehen von diesem nervigen Detail, fand ich sie einfach toll und erfrischend.
Samara Summer
@Auch_im_Winter
Samara spielt seit ihrer Grundschulzeit Videospiele. Dabei ging es ihr zunächst nur um den Spaß am Gameplay. Auf dem Programm standen vor allem Jump & Runs. Inzwischen begeistert sich die Autorin daneben aber auch ganz besonders für Spiele, die eine fesselnde Story und starke Charaktere bieten. Dazu gehören für Samara beispielsweise große Spiele und Reihen wie Red Dead Redemption, Horizon und Ghost of Tsushima, aber auch Indie-Titel wie The Vanishing of Ethan Carter und Amnesia: Rebirth.
Tierische Vorteile?
Nachdem ich nun erklärt habe, warum Dixies Auftritt für mich ein Aha-Erlebnis war, könnt ihr womöglich nachvollziehen, dass sie die erste Videospielfigur war, mit der ich mich identifizieren konnte - obwohl sie ein Affe ist. Moment mal… Obwohl sie ein Affe ist? Als ich mir über diesen Fakt bewusst wurde, habe ich mich gefragt, ob es nicht manchmal sogar von Vorteil sein kann, in die Rolle von tierischen Charakteren zu schlüpfen.
Warum das? Ganz einfach, weil für Klischees und Äußerlichkeiten weniger Raum da ist, wenn wir gar nicht erst den Vergleich mit der Realität suchen. Damit will ich keineswegs sagen, dass ich es nicht für notwendig erachte, dass die Spielewelt diverser wird und wir beispielsweise mehr People of Colour in Hauptrollen erleben. Flusspferde und Fischotter sollten auf keinen Fall ein Mittel für Entwickler*innen sein, sich vor ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu drücken.
Universelle Geschichten
Trotzdem kann es nützlich sein, sich bewusst zu machen, dass wir tierische Hauptfiguren losgelöster von äußeren Merkmalen betrachten können und dass es ein Statement sein kann, wenn die Protagonistin womöglich mal eine Katze oder eine Eule ist - und nicht ein Mensch mit einer bestimmten Hautfarbe und Statur. Der Fokus liegt dann nämlich stärker auf dem, was in einem Charakter steckt.
Außerdem lässt sich durch den Einsatz tierischer Charaktere transportieren, dass die Geschichte, die man erzählen möchte, eine universelle ist, dass die Themen, die man ansprechen will, die unterschiedlichsten Menschen betreffen können. Weil man sich eben nicht auf einen bestimmten Menschen festlegen muss und "scheinbar nur dessen Geschichte erzählt". Dieses Prinzip geht bereits in vielen Cartoons und Zeichentrickshows auf.
Es funktioniert aber eben auch in der Videospielwelt. Obwohl in den letzten Jahren durch die Anschuldigungen gegen einen der Entwickler ein Schatten über Night in the Woods gefallen ist, ist der Indie-Darling ein perfektes Beispiel dafür: Das Adventure setzt sich auf tiefgründige und differenzierte Art mit Themen wie Depression, Sinnsuche, der Frage nach Gott und Freundschaften auseinander.
Dabei ist mir richtig aufgefallen, wie angenehm es war, eine Katze zu spielen, deren Freundeskreis aus einem Fuchs, einem Bär und einem Krokodil besteht. Mir führte das noch deutlicher vor Augen, dass diese Geschichte überall spielen und mit den unterschiedlichsten Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt werden könnte - und das ist, wie ich finde, eine wertvolle Botschaft.
Spezialfähigkeiten
Nachdem ich nun erläutert habe, welche Message eine tierische Besetzung meiner Meinung nach vermitteln kann, möchte ich aber auch noch auf ein weitaus offensichtlicheres und einfacheres Thema zu sprechen kommen:
Ein weiterer Grund, warum ich manchmal gerne tierische Charaktere spiele, sind coole Spezialfähigkeiten. Wenn ich zum Beispiel in die Rolle eines Flughörnchens schlüpfe, das klettern und gleiten kann, bietet das die Chance auf viele spaßige Spielmechaniken.
Vielleicht sagt ihr jetzt: Man kann aber auch menschliche Figuren mit Kletterhaken und Gleitschirm ausstatten und das stimmt zwar, aber trotzdem ist das Feeling ein anderes, wenn der Charakter seine Eigenschaften direkt mitbringt. Außerdem kann ein Tier, das auf bestimmte Bedingungen und Lebensräume eingestellt ist, Entwickler*innen dazu inspirieren, unbenutzte Pfade zu beschreiten. Darum sage ich: Wir brauchen vielleicht keinen ganzen Zoo an neuen tierischen Hauptpersonen, aber je nach Spiel kann das sehr erfrischend sein!
Nun seid ihr gefragt: Schlüpft ihr selbst gerne in die Rolle von tierischen Charakteren oder spielt ihr lieber Menschen?
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.